Im Königshaus nichts Ungewöhnliches
Das Oprah-Interview mit Meghan und Harry ist nicht das Erste, was die Monarchie erschüttert
Von Bilke Schnibbe
Was passiert, wenn eine Schwarze Frau in eine der bedeutendsten Institutionen des Kolonialismus einheiratet, kann man seit einiger Zeit in Großbritannien beobachten. Nach ein paar Jahren massiv negativer Berichterstattung über Meghan Markle gaben sie und ihr Ehemann Prinz Harry der US-amerikanischen Talkshow-Queen Oprah Winfrey nun ein Interview, in dem sie den Rassismus von Mitgliedern des Königshauses und der britischen Medien gegenüber Markle kritisierten. Im Januar 2020 hatten Meghan und Harry einen Abgang aus dem Palast gemacht und ihre offiziellen Aufgaben niedergelegt. Für die Queen und das Königshaus fanden sie da noch verhalten positive Worte. Nun, ein gutes Jahr später, klingt das schon anders, wenngleich der Ton der beiden weiterhin zurückhaltend ist. Ein Mitglied des Königshauses habe sich Harry gegenüber gesorgt, wie dunkel die Haut des ungeborenen Archie wohl sein würde. Meghan berichtet von Suizidgedanken, die sie aufgrund der konstant negativen Berichterstattung und fehlenden Schutzes durch den Palast gehabt habe. Ihr Wunsch, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, sei abgelehnt worden, weil das der Krone schaden würde.
Traditionsreiche Doppelstandards
Sofort nach dem Interview wurden die gleichen Stimmen laut, die schon seit Jahren das rassistisch aufgeladene Bild der aggressiven und undankbaren Meghan und dem übertölpelten Pantoffelhelden Harry befeuern: Markle lüge, sie habe außerdem ja gewusst, welchen Druck es bedeuten würde, in das britische Königshaus einzuheiraten. Dass sich ihre Schwägerin Kate Middleton, Ehefrau des Thronfolgers Prinz William, deutlich weniger Anfeindungen ausgesetzt sieht, macht konservative Journalist*innen und Monarchiefans nicht stutzig. Warum auch, Rassismus hat schließlich Tradition im Empire. Da lassen sich Journalist*innen, wie der inzwischen zurückgetretene Good-Morning-Britain-Moderator Piers Morgan, eher zu der Aussage hinreißen, dass Meghan überhaupt gar nicht Schwarz aussehe. Er sehe da nur eine Frau, wenn auch eine sehr attraktive, hatte Morgan kommentiert. Das Königshaus äußert sich indes in gewohnt ausweichender Manier – man werde das im Interview Aufgeworfene im privaten Familienrahmen klären.
Prinz Andrew, Sohn der Queen, müsste sich eigentlich zu massiven Anschuldigungen, eine Minderjährige vergewaltigt und von Menschenhandel profitiert zu haben, verhalten. Tut er aber nicht.
Aber gut, was soll man schon von einer Institution erwarten, in der ein mutmaßlicher Mittäter des verurteilten Sexualstraftäters Jeffrey Epstein ohne mit der Wimper zu zucken geschützt wird. Prinz Andrew, Sohn der Queen, müsste sich eigentlich zu massiven Anschuldigungen, eine Minderjährige vergewaltigt und von Menschenhandel profitiert zu haben, verhalten. Tut er aber – mithilfe des Palastes – nicht. Ende 2019 gab Andrew ein fast schon legendär schreckliches Interview, in dem er unter deutlichem körperlichem Widerwillen ankündigte, mit den Behörden zu kooperieren, sollte er dazu aufgefordert werden. Die US-amerikanischen Ermittler*innen machten später deutlich, dass sie vom Prinzen kein Sterbenswörtchen gehört haben, obwohl er auf offiziellem Wege um eine Befragung ersucht worden war.
Altbewährtes Prozedere
Zum Vergleich: Nachdem zwei ehemalige Angestellte des Königshauses Meghan Markle beschuldigten, sie schlecht behandelt zu haben, kündigte der Palast – an sich korrekt – umgehend eine Untersuchung der Vorwürfe an. Gleichzeitig werden allerdings keinerlei Maßnahmen zur Aufklärung der potentiellen Sexualstraftaten eines königlichen Familienmitglieds ergriffen, obwohl Strafverfolgungsbehörden darum baten. Man sitzt es aus: Andrew erfüllt keine öffentlichen Aufgaben mehr und wird aus dem öffentlichen Leben herausgehalten. Währenddessen lässt der Palast Meghan und Harry über Monate ohne Widerspruch der rassistischen Berichterstattung ausgesetzt. Der Gedanke, dass Meghan gezielt nicht geschützt wurde, weil die schlechte Presse über sie eben auch von den Vorwürfen gegen Prinz Andrew ablenkt, liegt nicht fern. Meghan sagt dazu indirekt im Interview mit Oprah Winfrey, es sei hart gewesen, dass der Palast andere Familienmitglieder durch Lügen schütze, während nach Attacken auf sie und Harry falsche Darstellungen der Medien nicht korrigiert wurden. Aber so ist das eben: Was sich seit hunderten Jahren bewährt, wird man doch jetzt nicht aufgeben. Traditionen wollen schließlich gepflegt werden.