Haiti und die Welt
Aufgeblättert: »Haitianische Renaissance« herausgegeben von Katja Maurer und Andrea Pollmeier
Von Paul Dziedzic
Die haitianische Revolution, die 1791 begann, steht heute für die Vollendung einer lokalen Revolution, die in Frankreich begann. Doch für die gewonnene Unabhängigkeit musste Haiti teuer zahlen. Das zeigt sich bis heute: Dem schrecklichen Erdbeben von 2010 zum Beispiel folgte eine zweite Katastrophe – dieses Mal durch Menschenhand, weil der verheerende Hilfseinsatz Haiti in einer noch schlimmerer Lage zurückließ als vor dem Beben. Diese Ereignisse bringt das Buch »Haitianische Renaissance« miteinander in Verbindung. Die diversen Beiträge in Form von Analysen, Reden und Interviews liefern einen Rundumschlag: Zu Wort kommen führende Intellektuelle wie die Historikerin Suzy Castor oder die Schriftstellerin Yanick Lahens, ehemalige Funktionäre und Aktivist*innen. Ebenfalls wichtig: Entwicklungshilfeorganisationen, die sich selbst immer als die »Guten« verstehen, werden nicht von der Kritik ausgenommen. Der Filmemacher Raoul Paeck (»Lumumba«, »Der junge Karl Marx«), der 2012 bereits in seiner Dokumentation »Haiti: Tödliche Hilfe« über das Erdbeben berichtete, erklärt die internationale »Zusammenarbeit« für gescheitert. »Haitianische Revolution« zeigt aber auch die unterschiedlichen Widerstandspraktiken, ihre Logiken, Erfolge und Herausforderungen und liefert nicht zuletzt einen Kontext zu den Aufständen von 2018 und 2019. Das Buch vermittelt somit zwischen Revolutionsromantik und dem Pessimismus vieler internationaler Beobachter*innen.
Katja Maurer und Andrea Pollmeier (Hg.): Haitianische Renaissance. Der lange Kampf um postkoloniale Emanzipation. Brandes & Apsel Verlag, Frankfurt a.M. 2020. 228 Seiten, 19,90 EUR.