Geschichte der Kibbuz-Bewegung
Aufgeblättert: »Gelebte Revolution« von James Horrox
Von Peter Nowak
Von allen utopischen Sozialexperimenten ist die Kibbuz-Bewegung Israels zugleich ein Archetyp und eine einzigartige Ausnahme. Aus einer reizlosen Ansammlung von Lehmhütten am Ufer des Flusses Jordan nahm die naheliegende Idee einer kommunitären Gesellschaft ohne Ausbeutung und Herrschaft in Palästina schnell Gestalt an und erblühte in einem Netzwerk egalitärer Gemeinschaften«, schreibt der britische Politikwissenschaftler James Horrox in einer Streitschrift, in der er seine Sympathie mit den israelischen Siedler*innen gut durchblicken lässt. Dabei versucht er, manchmal etwas krampfhaft, eine anarchistische Traditionslinie zu ziehen. Was aber sein reichhaltiges historischen Quellenmaterial deutlich belegt, sind sowohl anarchistische als auch sozialistische und kommunistische Einflüsse vor allem in der frühen Kibbuz-Bewegung.
Der Autor schreibt, dass es für Teile des akademischen sowie des aktivistischen Anarchismus mittlerweile als Verbrechen gilt, »einen Hauch des Komplizentums mit dem Projekt der nationalen Befreiung des Judentums anzudeuten. Das galt lange Zeit auch für weite Teile der linken Bewegung. Höhepunkt dieser Ignoranz waren die Aufrufe zum Boykott israelischer Waren, Kibbuzim und Strände auf Häuserwänden der Hamburger Hafenstraße Ende der 1980er Jahre. Andererseits bezogen sich auch große Teile der israelsolidarischen Linken der letzten Jahrzehnte in Deutschland eher positiv auf die verschiedenen israelischen Regierungen als auf die Kibbuz-Bewegung.
James Horrox: Gelebte Revolution, Anarchismus in der Kibbuzbewegung. Verlag Graswurzelrevolution, Heidelberg 2021. 259 Seiten, 24,80 EUR.