Geh bitte! Antilopen Gang
Von Bilke Schnibbe
Eigentlich wollte ich es mir und euch einfach machen und zu unser aller Frieden darüber schreiben, warum sich Marius Müller-Westernhagen, Deutschlands letzter Cowboy, zur Ruhe setzen muss. Da wären wir uns alle halbwegs einig gewesen, und niemand hätte sein Abo kündigen oder böse E-Mails an die Redaktion schreiben müssen.
Dann habe ich meine Erdbeerwoche bekommen oder wie das mit den Hormonen noch mal heißt und dachte mir: Nee nee, ich schreibe lieber wieder was mit polarisierendem Männerhass. Lange Rede, kurzer Sinn, die Antilopen Gang ist die wackelige Identitätsstütze für sich unverstanden fühlende Mittdreißiger-Männer. Die Antilopen sind schuld, dass wir anderen unbescholtenen Bürger*innen uns endlose Monologe über »geile« Fahrräder, Serie XY (»genial«) oder wieso der eine Typ gar nicht so sexistisch ist (»seine Frau ist zum Beispiel eine Frau«), anhören müssen. Ohne die Antilopen Gang wären Männeridentitäten schon längst reihenweise an ihrer eigenen Bedeutungslosigkeit in der Welt zerschellt und würden nicht mehr rumnerven. Habt ein Einsehen, Jungens, klemmt das Mikro in den Ständer. Hihi, Ständer.
Möglicherweise sitze ich angetrunken im ICE, während ich diesen Rentenantrag als Notiz in mein Smartphone tippe. Möglicherweise habe ich mir grade das neue Antilopen Gang-Album angehört und sogar ab und zu gekichert. Könnte sein. Das wäre genau der Swagger, den Antilopen-Fans zu schätzen wissen. Irgendwas mit Ironie. Irgendwie verlierermäßig, aber trotzdem cool aufs Leben scheißen. Irgendwie eigentlich ak-Redakteur*in sein, sich aber trotzdem immer abgehängt und ungerecht behandelt fühlen. Guckt mal, ich gebe es schon zu, ich bin nur neidisch! Natürlich bin ich neidisch, verdammt.
Eine Antilope ist einer, der es geschafft hat, sich aber immer weiter wie ein vom Leben Betrogener, ein halber Mann, fühlt. Das darf man natürlich nicht laut sagen, wir sind ja alle links oder so. Da fühlt man sich abgeholt von den fast feministischen Texten der Gang. Manchmal machen die ein Lied, wie schlimm, aber selten, wie vorteilhaft es ist, ein Mann zu sein. Wisst ihr, wenn man eigentlich alles werden kann, aber das Abitur wegen Kiffjoints und Graffiti (»Malen«) nur mit 2,7 bestanden hat, muss man nicht bis in die früher 40er Trauer tragen. Ironie ist zu Ende. Männer dürfen nicht auch noch einen Soundtrack für ihre hängengebliebenen Minderwertigkeitskomplexe bekommen. Liebe Antilopen, löst euch auf, es ist Zeit.