Fliegender Onkel
Aufgeblättert: »Mein Onkel, den der Wind mitnahm« von Bachtyar Ali
Von İbrahim Bulak
Der Schriftsteller Bachtyar Ali lebt mittlerweile in Deutschland, seine Romane spielen jedoch in der Autonomen Region Kurdistan (Irak) oder, wie politische Kurd*innen es nennen, Südkurdistan. Im deutschsprachigen Raum wurde er mit dem Roman »Der letzte Granatapfel« (2016) bekannt. Alis Werke durchzieht das Fliegen als ein gemeinsames Motiv. Während die meisten Menschen dies nur in ihren Träumen tun, ist es für den Protagonisten seines zuletzt auf Deutsch erschienenen Romans Realität: Der papierdünne Kurde Djamschid Khan droht ständig, vom Wind verweht zu werden. Da dem ehemaligen Kommunisten in den 1970er Jahren dazu noch die Verfolgung durch das Baath-Regime droht, werden seine Neffen Salar und Smail kurzerhand vom Großvater für die Betreuung des Onkels abgestellt. Dies ist der Beginn einer durch Salar erzählten gemeinsamen Reise, in der sich Djamschid Khan als Kriegswaffe, Prophet, Schmuggler und vieles mehr betätigt. Immer, wenn der Wind ihn mitnimmt und er irgendwann an einem anderen Ort landet, verliert der Onkel das Gedächtnis und beginnt ein neues Leben. Der ursprünglich 2010 erschienene Roman ist das vierte ins Deutsche übersetzte Werk des Autors. Das Fliegen steht in diesem für den Versuch, der Unsicherheit, Gewalt und Unterdrückung zu entkommen. Dabei schwingt stets die Bedeutung einer kurdischen Identität im Irak mit: »Denn das war, was Djamschid nie vergaß.«
Bachtyar Ali: Mein Onkel, den der Wind mitnahm. Unionsverlag, Zürich 2021. 160 Seiten, 20 EUR.