Autobiografie einer Designerin und Bühnbildnerin
Aufgeblättert: »Eine europäische Frau« von Gunilla Palmstierna-Weiss
Von Malte Meyer
In ihrer Autobiografie erzählt Gunilla Palmstierna-Weiss das Leben einer politisch engagierten und weit über Schweden hinaus bekannten Künstlerin. Die aus großbürgerlichen Verhältnissen stammende Designerin, Bühnen- und Kostümbildnerin kämpfte als – selbst für schwedische Verhältnisse – frühe feministische Intellektuelle unter anderem für eine frauenfreundliche Reformierung des Abtreibungs- und Scheidungsrechts, engagierte sich im Russell-Tribunal gegen den Vietnamkrieg und machte sich nicht zuletzt auch für die soziale Absicherung von Kulturschaffenden stark. Nach dem Tod ihres langjährigen Lebensgefährten, des Schriftstellers Peter Weiss, kümmerte sie sich intensiv um dessen Nachlass und half bei der Archivierung und Edition seiner Werke. Über etliche prominente Linke und Künstler*innen in Ost und West kann Palmstierna-Weiss selbst erlebte und stets sehr unterhaltsame Anekdoten erzählen. An vielen Stellen wird aber auch anschaulich gemacht, wie stark patriarchale Sitten unterschiedlicher Länder selbst Frauen aus privilegierten Milieus die längst fällige gesellschaftliche Anerkennung vorzuenthalten versuchten. Die Autobiografie kann als kulturelles Epochenbild, aber auch als Reflexion eines lebenslangen Emanzipationsprozesses gelesen werden. Wenige Wochen nach dem Erscheinen der deutschsprachigen Ausgabe ihrer sehr lesenswerten Erinnerungen ist Gunilla Palmstierna-Weiss am 22. November 2022 im Alter von 94 Jahren in Stockholm gestorben.
Gunilla Palmstierna-Weiss: Eine europäische Frau. Aus dem Schwedischen von Jana Hallberg. Verbrecher Verlag, Berlin 2022. 599 Seiten, 39 EUR.