Durch die Gitter
Aufgeblättert: Adnan Keskins »Unbedingt Blau«
Von Nelli Tügel
Das Gefängnis ist seit Bestehen der türkischen Republik ein wiederkehrendes Motiv der Literatur. Da ist der Dichter und Kommunist Nâzim Hikmet, der hinter Gittern in den 1930er und 1940er Jahren Weltliteratur schuf.
Jüngere Werke türkischer und kurdischer Gefängnisliteratur verarbeiten vor allem die Verfolgung politischer Oppositioneller in den 1970er, 1980er Jahren und 1990er Jahren, also noch lange bevor Recep Tayyip Erdoğan auf der Bühne der Geschichte erschien. Mit dem autobiografischen Roman »Unbedingt Blau« von Adnan Keskin, einst Aktivist der in den 1970er Jahren einflussreichen linken Strömung Dev-Yol, liegt seit kurzem eine weitere deutsche Übersetzung aus diesem Genre vor. Keskin, der vor knapp sechs Jahren starb, erzählt darin seine Geschichte als Geschichte des Protagonisten Sahin, der wegen seiner politischen Aktivitäten im Knast sitzt. Die von Sehnsüchten und Fluchtträumen geprägte Gefängnisgegenwart wechselt sich ab mit Rückblenden, Erinnerungen, bis es schließlich tatsächlich zur Flucht kommt: aus dem Knast und aus der Türkei.
Eindringlich schreibt Keskin über sein Leben, das auch exemplarisch für die Erfahrungen einer ganzen Generation von Linken steht, von denen Zehntausende im Knast landeten, Folter erlebten, über die Todesurteile verhängt wurden, von denen viele ihr Leben lassen mussten. Das macht das Buch zu einem wertvollen Dokument über die Zeit vor und nach dem Militärputsch vom 12. September 1980 und einen Teil der linken Geschichte des Landes.
Adnan Keskin: Unbedingt Blau. Übersetzt von Hülya Engin. bahoe books, Wien 2019. 371 Seiten, 18 EUR.