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Radikal ratlos

Der Dokumentarfilm »Bis hierhin und wie weiter?« zeigt die Suche von fünf Aktivist*innen nach einem revolutionären Weg für die Klimabewegung

Von Yaro Allisat

Man sieht mehrere Personen, die auf einem Feld stehen und in die Ferne blicken.
Der Höhepunkt der Klimabewegung ist vorbei, die Lage erstaunlich beschissen. Und jetzt? Foto: W-Film Distributions

Wir kennen unsere Seite der Barrikade: die Hoffnung bei der Rettung des Hambacher Forsts, die Hoffnungslosigkeit, die sich mit dem Niedergang von Fridays for Future während der Corona-Pandemie einstellte, die langen, matschigen und eisigen Winter in Lützerath. Die Gespräche darüber, ob wir nicht übergehen müssten zu Sabotage. Die Hilflosigkeit in dem Wunsch, Druck aufzubauen und tatsächlich etwas verändern zu können. Die Angst vor immer stärkeren Repressionen, die besonders die Letzte Generation getroffen haben und treffen. Wie also weiter, wenn die Bewegung am Boden ist? 

Diese Frage stellt der Film »Bis hierhin und wie weiter?« des Schweizer Dokumentarfilmers Felix Maria Bühler, der seit kurzem im Kino läuft. Bühler war selbst einige Zeit in Lützerath. Er begleitet in dem Film über ein Jahr lang die fünf Aktivist*innen Lina, Taura, Guerrero, Charly und Fuchs, die mit der Letzten Generation, auf Klimastreiks und in Lützerath unterwegs und auf der Suche danach sind, wie es weitergehen kann. Alle haben sich mit dem Großteil ihrer Zeit der Bewegung verschrieben. Der Höhepunkt der Klimabewegung in Deutschland ist da allerdings schon vorbei, und die realpolitischen Ergebnisse sind erstaunlich beschissen.

Wie weiter, wenn die Bewegung am Boden ist?

Das bringt nicht wenige dazu, bis an ihre körperlichen Grenzen zu gehen. Wir sehen, wie Lina nach mehreren Tagen Hungerstreik kaum noch sprechen und reagieren kann. Wir begleiten, wie sie nach einer Straßenblockade der Letzten Generation in einen Gefängniswagen der Polizei gesperrt wird. Gegen diese dunkle Seite des Aktivismus stehen die kraftgebenden Momente: Das gegenseitige Umsorgen und Füreinander da sein. Das Licht, das am Morgen in der Waldbesetzung durch die Wipfel scheint. Das Einhaken mit den Genoss*innen, Seite an Seite, um die Polizei zurückzudrängen. Die Wärme des Feuers im kalten Winter Lützeraths.

Wer die Diskurse der Klima(gerechtigkeits)bewegung in Deutschland kennt, für den wird vieles von dem, was gezeigt wird im Film, nicht neu sein. Er begleitet, aber er sucht nicht eigenständig nach Antworten. Die Ratlosigkeit der Aktivist*innen färbt auf den Film ab. Da ist er radikal ehrlich.

Was der Film jedoch schafft, ist es, die sinnliche und emotionale Ebene des Aktivismus von Menschen, die bei Regen, Schnee und Hagel auf Bäume klettern, herauszustellen. Themen wie Privatinsolvenz, finanzielle Nöte, ob man eigentlich noch irgendetwas andere machen darf außer politischen Aktivismus oder ob alles andere seine Bedeutung verliert, werden angeschnitten. Dabei spielt auch das Unverständnis über die Gleichgültigkeit der Mehrheit gegenüber der Klima-Katastrophe, die uns droht, eine große Rolle. Eine politische Analyse bietet der Film dafür nicht – man mag es als charakteristisch für einige Teile der Klimabewegung sehen.

Gedreht wurde rund um die Räumung von Lützerath im Januar 2023. Damals steckte die öko-sozialistische Kampagne #WirFahrenZusammen noch in den Kinderschuhen, die mit ihrer Verbindung der Interessen von Arbeiter*innen im öffentlichen Nahverkehr und Klimaaktivist*innen einen Labour Turn in der Klimabewegung schaffen wollte. Auch andere Ansätze, die sich wahrscheinlich kurz nach dem Abdrehen der Dokumentation entwickelten, wie die Orientierung von Teilen der Bewegung auf eine Unterstützung der Linkspartei – sowohl mit der Europawahl-Kandidatur von Carola Rackete, als auch bei den Kommunalwahlen im Osten – sowie der Kampf gegen rechts und Bleiberechtskämpfe, die in der Bewegung Auftrieb haben, spielen entsprechend keine Rolle.

Beeindruckend ist, dass sich die fünf Aktivist*innen so detailliert porträtieren lassen in einer – um Repressionen zu verhindern – gut vermummten Bewegung. Das erklärte Ziel der Aktivist*innen: einen Kommunikationsfaden aufnehmen zu denen, die noch nicht auf unserer Seite der Barrikade stehen.

Yaro Allisat

ist freier Journalist und aktiv in der Klimagerechtigkeitsbewegung und bei der Refugee Law Clinic Leipzig als Berater im Asyl- und Aufenthaltsrecht.

Bis hierhin und wie weiter? Deutschland 2023. 91 Minuten. Regie: Felix Maria Bühler.