Die verratene Revolution Irans
Huschang Dinarvand schreibt mit seinem Buch über die Volksfedayin ein wichtiges Kapitel der linken Geschichte des Landes
Von Bernard Schmid
In diesen Wochen gibt die Erwähnung des Iran weltweit Anlass für Hoffnungen, solche, die mit Sehnsüchten nach tiefgreifender Veränderung verbunden sind. Schon einmal war dies der Fall, als eine spektakuläre Massenbewegung dieses Land in den Jahren 1977 bis 1979 erfasst hatte.
Iranische Linke in Deutschland haben im vergangenen Jahr eine Monografie zu einer Bewegung der revolutionären Linken in dem Land, zur Guerillaorganisation der Volksfedayin Irans (im Buch oft OIPFG abgekürzt) publiziert. Sie beruht auf der Diplomarbeit ihres Genossen Huschang (Karim) Dinarvand, die er bereits 1989 vorgelegt hatte. Herausgegeben wurde sie nun durch den Prison’s Dialogue im Exil lebender ehemaliger politischer Gefangener aus Iran.
Höchste Zeit war es, dass eine ausführlichere Darstellung zur iranischen Linken und ihrer Geschichte auch in Buchform vorliegt. Zumal sich in Teilen der europäischen Linken hartnäckig Vorstellungen halten wie jene, dass die derzeit regierende islamistische Fraktion des Ayatollah Ruhollah Khomeini (verstorben 1989) und seiner Nachfolger irgendwie legitimer Erbe der Revolution von 1978/79 sei; die Gegnerschaft zu ihr sei deswegen wesensmäßig konterrevolutionär. Eine grundfalsche Annahme, die verkennt, dass ab März 1979 die innenpolitische Entwicklung in Iran – nach dem revolutionären Sturz des Schah-Regimes – schnell in einen konterrevolutionären Prozess umkippte. In dessen Verlauf wurde nicht allein die politische Linke, sondern die gesamte Bevölkerung mit Staatsterror und Repression überzogen.
Die Volksfedayin, die 1971 als bewaffnet kämpfende Organisation gegründet wurden, bildeten eine der wichtigsten Organisationen der Linken. Ihre ab 1963 existierenden Vorläufergruppen, deren Entstehung und Strategiediskussion der Autor ausführlich darlegt, hatten sich vor dem Hintergrund der sogenannten Weißen Revolution gebildet, einer von oben durchgeführten Landreform, die die feudal geprägten und vom Klerus dominierten Sozialbeziehungen auf dem Land aufbrach, um Iran stärker für das internationalisierte Kapital und den Warenverkehr zu öffnen. Die iranische Gesellschaft erfuhr dadurch eine gesellschaftliche Umwälzung.
Die Volksfedayin gründeten sich auch in Auseinandersetzung mit der Passivität der pro-sowjetischen Tudeh-Partei.
Die Volksfedayin, deren Name nur ungefähr mit Kämpfende des Volkes zu übersetzen ist, gründeten sich auch in Auseinandersetzung mit der Passivität der Tudeh-Partei genannten pro-sowjetischen Kommunistischen Partei, wie Dinarvand darlegt. Letztere setzte eher auf die Entwicklung der Produktivkräfte, und nach Beginn der islamistisch geführten Konterrevolution 1979 versuchte sie noch jahrelang, die vermeintlich positiven antiimperialistischen Tendenzen innerhalb des Regimes zu stützen und dieses im Sinne außenpolitischer Interessen der UdSSR zu beeinflussen.
Aber auch die Volksfedayin selbst spalteten sich 1979 auf, im Kontext einer kontroversen Diskussion darüber, wie die Spannungen zwischen dem neuen Regime und den USA einzuschätzen und welche Widersprüche – die zu den imperialistischen Mächten oder die zum Kurs der neuen Führung – vorrangig zuzuspitzen seien. Die Spannbreite der Positionen reichte von der Wiederaufnahme des bewaffneten Kampfes, für die früh die innerorganisatorische Dissidentin Aschraf Deghani eintrat, über die ebenfalls frühzeitig oppositionelle Fedayin-Minderheit bis zur zunächst mit der Tudeh-Partei zusammenarbeitenden Fedayin-Mehrheit.
Zu den Stärken des Buches zählt, dass es die Errungenschaften der Massenbewegung wie der Linken in den ersten Monaten der Revolution und die Verankerung der Volksfedayin in der Bewegung darstellt: Die Bewegung der nationalen Minderheiten in den turkmenischen Gebieten und in Kurdistan, die Studierenden- sowie die Frauenbewegung werden ebenso ausführlich beleuchtet wie die sprunghaft zunehmende Repression des neuen Regimes. Hier wird deutlich, welche Widerstände der Übergang von der Revolution zur Konterrevolution brechen musste.
Nun zu der wichtigsten Schwäche: Die Darstellung bleibt 1988/ 89 stehen, zu der Zeit, als Dinarvand seine Doktorarbeit abschloss. Innerhalb Irans konnte die linke Opposition ihre Strukturen von vor 1979 aufgrund brachialer Repression seit jener Zeit nicht wieder aufbauen. Doch im Ausland führten ihre Mitglieder zahlreiche Diskussionen, zogen Bilanz, schlossen Bündnisse mit Kräften in ihren Exil-Ländern und gewannen neue Erkenntnisse. Hier müsste eine Analyse der Jetztzeit ansetzen. Das Buch verteidigt die unter anderem auf dem Imperialismusbegriff fußenden Analysen der iranischen Linken in der beobachteten Zeit – und dies zu Recht. Aber in Zeiten, in denen von links wie von rechts weltweit oft behauptet wird, das bestehende iranische Regime verkörpere eine Form von Antiimperialismus, wäre es unabdingbar, hier scharf Bilanz zu ziehen: Welcher Imperialismusbegriff ist richtig, welcher vielleicht falsch? Inwiefern hatten damalige Analysen einen Zeitkern, oder sind sie unverändert richtig?
Die Diskussion fängt erst an. Dinarvand hat mit seiner Arbeit einen Beitrag dazu geleistet und an ein wichtiges Kapital der iranischen Geschichte – wie der internationalen Linken – erinnert. Nur darf dieses nicht als abgeschlossen dastehen. Die Lektüre seines Buches sei nachdrücklich empfohlen. Wünschenswert wäre, dass eine nächste Auflage auch darüber berichtet, welche Bündnisse die Exilmitglieder der Volksfedayin in jüngerer und jüngster Zeit knüpften. Und wie sie, wenn es dazu kommt, wie wir nachdrücklich hoffen sollten, in die weitere Geschichte Irans – die heute beginnt – eingriffen.
Huschang (Karim) Dinarvand: Geschichte, Struktur und Politik der Guerillaorganisation Volksfedayin Irans. Selbstverlag, 2021. 205 Seiten, 15 EUR. Bestellbar unter: book@dialogt.info