Ein vietnamesischer Kommunist in Paris
Aufgeblättert: »Die Idealisten« von Viet Thanh Nguyen
Von Hannah Eberle
Auch ich glaubte an alles, was er sagte, aber anders als der promovierte Maoist hatte ich eine Revolution und ihre Folgen miterlebt. Nicht nur im Kapitalismus wurden Fantasiegebilde durch ideologische Staatsapparate erschaffen – und von repressiven Staatsapparaten durchgesetzt – der Kommunismus tat dies ebenfalls«. »Die Idealisten« ist kein anti-kommunistischer, sondern ein brutaler Roman.
Der Protagonist, ein namenloser kommunistischer Spion aus Vietnam, hat mit seinem besten Freund, der jeden Kommunisten töten will und von der Gesinnung des Freundes nichts weiß, das Umerziehungslager überstanden. Zusammen gelingt ihnen 1981 die Flucht nach Paris, wo sie Gesellschaft und Arbeit im Drogengeschäft finden. »Wir sind nichts, lasst uns alles sein!«, ruft die Hauptfigur im Gemetzel mit dem algerischen Drogendealer. »Habt ihr … nie gelesen, was Ho Chi Minh über die französische Kolonialherrschaft geschrieben hat? Wir sollten einander nicht bekämpfen … Lasst uns stattdessen die ›Internationale‹ singen.«
Beim Lesen verlieren sich Haltepunkte, und von den vielen Whiskeys zur Bekämpfung der physischen wie psychischen Schmerzen, ist es kaum möglich, nicht selbst ein Glas zu trinken. Der Protagonist dealt vor allem in den feinen Wohnungen französischer Kommunisten. Er drückt die Stiefel mit der Hundescheiße tief in den Teppich des Maoisten, während dieser ihm jovial einen Kognak in die Hand drückt und erklärt, man müsse den Flüchtlingen helfen und immer auf der Seite der Revolution stehen. Dieser feine »Idealist«, der noch nie handeln musste.
Viet Thanh Nguyen: Die Idealisten. Roman. Karl Blessing Verlag, München 2021. 496 Seiten, 24 EUR.