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Bruderland

Aufgeblättert: »Echos der Bruderländer« vom Haus der Kulturen der Welt

Von Paul Dziedzic

Echos der Bruderländer. Was ist der Preis der Erinnerung und wie hoch die Kosten der Amnesie? Oder: Visionen und Illusionen antiimperialistischer Solidarität«, heißt der etwas sperrige Titel eines neuen Readers, herausgegeben vom Haus der Kulturen der Welt in Berlin. Erschienen ist das Buch im Rahmen der gleichnamigen Ausstellung, die bis zum Mai diesen Jahres in Berlin zu sehen ist und die die Beziehungen sozialistischer Staaten zur DDR thematisiert. Der Reader steht jedoch für sich und beinhaltet überwiegend Interviews mit Aktivist*innen, Forscher*innen und Künstler*innen, viele von ihnen Zeitzeug*innen, die die internationalistische Politik der DDR und ihre Folgen bis in die Gegenwart kritisch unter die Lupe nehmen. Weil die Menschen aus unterschiedlichsten Gründen in die DDR kamen, greift der Reader dementsprechend thematisch diverse Themen auf – von der Ernüchterung der Vertragsarbeit bis hin zur Freiheit im politischen Exil. Was die unterschiedlichen Biografien verbindet, ist, dass die Protagonist*innen dem »Internationalismus von oben« (ak 685) einen eigenen, wenn auch fragmentierten Internationalismus »von unten« entgegenhalten. Denn um sich für ihre Belange im reglementierten Leben einzusetzen, mussten oftmals kreative Wege her, diese Regeln zu unterwandern. Zusammen mit den Bildern aus dem Alltag – von offiziell organisierten Begegnungen bis zu privaten Glücksmomenten, liefert der Reader einen guten Rundumblick über ein Stück DDR-Geschichte, das bis heute zu wenig Aufmerksamkeit bekommt.

Haus der Kulturen der Welt & Archive Books: Echos der Bruderländer – Reader. Berlin, 2023. 224 Seiten, 17 EUR.