Schuldfragen
Aufgeblättert: »Das Schloss der Schriftsteller« von Uwe Neumahr
Von Johannes Tesfai
Uwe Neumahr hat eine außergewöhnliche Geschichte der Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse vorgelegt. Gegenstand seines Buches ist nicht das Verfahren an sich, sondern der Aufenthalt vieler namhafter Schriftsteller*innen. Sie waren auf dem Schloss von Bleistift-Millionär Faber-Castell einquartiert und berichteten für unterschiedliche Medien über den Prozess. Der bekannte Romanautor John Dos Passos kam ebenso nach Nürnberg wie die berühmte Reporterin Janet Flanner. Neumahr liefert gleichzeitig eine Zeitgeschichte des modernen Journalismus dieser Zeit. Unter seinen Protagonist*innen finden sich einige der experimentierfreudigsten Reporter*innen der 1940er Jahre.
Die Kapitel sind nach den prominenten Schreiber*innen aufgeteilt. Zu ihnen zählten auch der ins Exil gezwungene Alfred Döblin oder die Tochter von Thomas Mann, Erika. Aber auch eine Figur der sogenannten inneren Emigration wie Erich Kästner findet ihren Platz im Buch, jener Teil der deutschen Kulturschaffenden, der sich ab 1933 mit dem NS-Staat arrangierte. Bei genauer Lektüre entpuppt sich Neumahrs Buch als Abhandlung über die Schuldfrage an den nationalsozialistischen Verbrechen. Und die verhandelt er äußerst konservativ. Der jüdischen Kommunistin und Schriftstellerin Elsa Triolet wirft er ihr Rachebedürfnis vor. Am Ende des Buches spricht Neumahr sogar davon, dass die 1968er ihre Elterngeneration mit »gnadenloser Radikalität« für die Vergangenheit zur Rechenschaft zogen.
Uwe Neumahr: Das Schloss der Schriftsteller. Nürnberg `46. C.H. Beck, München 2023. 304 Seiten, 26 EUR.