Das Privatrecht und die Umverteilung
Aufgeblättert: »Der Code des Kapitals« von Katharina Pistor
Von Lene Kempe
Nie gab es so viel geballtes Privatvermögen in den Händen weniger. Wie es soweit kommen konnte, erzählt Katharina Pistor. Sie legt geschichtlich dar, wie die Architektur des Privatrechts der staatlichen Einflusssphäre immer weiter entzogen und dessen Ausgestaltung sukzessive dem Wirkungsbereich privater Anwält*innen im Dienste des Kapitals überantwortet wurde. Das Privatrecht ist dabei nicht nur das wesentliche Instrument zur Verteilung, sondern auch zur Schaffung von Kapital: Erst indem gewöhnliche Güter in rechtliche Module wie Vertrags-, Eigentums- oder Gesellschaftsrecht gekleidet werden, sind private Ertragsforderungen durchsetzbar und werden Güter in Kapital verwandelt. Der Staat spielt eine wesentliche Rolle als Garant jener Privatrechtsinstitutionen, in denen das Kapital »codiert« ist. Das Buch ermöglicht einen fundierten Einstieg in ein spannendes und ohne Zweifel zentrales Feld machtvoller Strukturierungen des gegenwärtigen Kapitalismus. Ärgerlich ist, dass die Autorin sich an einem marxistischen Pappkameraden abarbeitet, der ein instrumentelles Staatsverständnis pflege und die Bedeutung des Rechts vernachlässige. Ersteres gilt in der marxistischen Staatstheorie als längst überwunden. Auch wird seit langem auf die Bedeutung von Rechtsnormen, insbesondere von internationalen Handels- und Investitionsverträgen im neoliberalen Finanzmarktkapitalismus hingewiesen (Stichwort »neuer Konstitutionalismus«).
Katharina Pistor: Der Code des Kapitals. Wie das Recht Reichtum und Ungleichheit schafft. Suhrkamp, Berlin 2020. 440 Seiten, 32 EUR.