Nostalgie und Nonsense
Die Serie »And just like that …« geizt nicht mit Fremdscham-Momenten – wer das aushält, darf sich auf solide Unterhaltung freuen
Von Nadia Shehadeh
Ja, man kann auf »And just like that …«, der Neuauflage und Weitererzählung der erfolgreichen 90er/00er-Jahre-Serie »Sex and the City«, herumhacken. Man kann sich aber auch einfach an der Berieselungsmasse aus Nostalgie und Nonsense erfreuen, die die Serie bietet – auch wenn man dafür großzügig über einige grobe Peinlichkeiten in den neuen Folgen hinwegsehen können muss.
Bis Ende Januar werden Woche für Woche insgesamt zehn neue Folgen von »And just like that …« ausgestrahlt, und ich kann aufgrund eines Selbsttests sagen: Man kann sich die Serie gut komplett am Stück reinzwirbeln, weil sie – wie gewohnt – unterhaltsam und schön anzusehen ist.
Wir alle hatten die DVD-Box – heimlich
Auch ich habe vor zehn, 15 Jahren den Fehler gemacht und oft auf »Sex and the City« herumgehackt, weil mir alles an der Serie zu stylish, zu oberflächlich, zu heterosexistisch, zu posh war. Es deckte sich auch gut mit meinem damaligen Feminismus-Verständnis – damals war es sehr in Mode, gegen vieles anzustänkern, das vor allem Frauen konsumierten und geil fanden. Und gleichzeitig lebte ich mit dem Widerspruch, alle Folgen gesehen zu haben, sogar eine DVD-Box mit allen Staffeln zu besitzen und Samantha und Miranda abgöttisch zu verehren. »Sex and the City« war mein »Seinfeld«, und ich hielt es für mein »guilty pleasure«, obwohl es die meiste Zeit eigentlich mein »pure pleasure« war.
Denn obschon sich das meiste des Storytellings von »Sex and the City« darum dreht, dass galante, reiche, weiße Frauen einen galanten, weißen, reichen Mann suchen, um mit ihm ein schnuckeliges und teuer eingerichtetes Heim zu bewirtschaften, hatte die Serie immer auch einen subversiven Anstrich: Zum Beispiel die lesbischen Untertöne, mit denen Miranda unterwegs war – und die sich interessanterweise auch immer schon in ihrer Beziehung zu Steve widerspiegelten (und die sich, Spoiler, im Reboot nochmal ausweiten). Der Sachverhalt, dass die rumpolternde Samantha, die – teilweise auch gegen die eigene Eitelkeit – immer so lebte wie sie wollte und Bullshit benennen konnte, wie keine zweite. Und überhaupt, der Umstand, dass trotz allem Hetero-Sex-Gedöns und Mr.-Big-Theater das eigentliche zentrale Thema der Serie immer schon Freundinnenschaft gewesen ist.
Für einen unverfänglichen Spaßabend auf dem Sofa reicht es allemal.
Die Neuauflage enttäuscht nicht, auch wenn natürlich schon wieder aus allen Ecken die Kritik laut schreit. Zum einen fehle mit Samantha Jones (gespielt von Kim Catrall) eine zentrale Figur (ja, das stimmt). Zum anderen sei es schlecht, dass Schauspieler Chris Noth, der Mr. Big (den Ehemann von Carrie, der Hauptfigur) spielt, wieder eine Bühne geboten wurde (das stimmt auch). Vor allem, da kürzlich bekannt wurde, dass er anscheinend in der Vergangenheit sexualisiert übergriffig gegenüber verschiedenen Frauen war. Die gute Nachricht (und ein Spoiler, der aber schon eine Weile durch die Medien ging): Er stirbt in der ersten Folge und ist damit in allen danach kommenden Folgen – wenn auch unabsichtlich – gecancelt.
Und auch an Miranda, die in der Neuauflage eine Mischung aus weißer Retterin und peinlich-selbstgerechter linksliberaler Anwältin-Mutter spielt und in ihrem Zweitstudium ständig sehr peinsame Situationen mit ihrer Schwarzen Jura-Professorin heraufbeschwört, musste in der Rezeption ordentlich Federn lassen.
Alles beim Alten irgendwie
Dass sich die Welt in den letzten 15 Jahren weitergedreht hat, lässt das Drehbuch der Neuauflage stets raushängen – leider manchmal auf sehr aufdringliche Weise, die boomermäßig und kleinkariert statt emanzipiert wirkt. Aber das kennt man, wenn man ehrlich ist, ja schon.
»Wir können doch nicht ewig das sein, was wir waren«, lamentiert Miranda zu Beginn der Staffel – und danach werden einem fast schon verzweifelt alle politischen und popkulturellen Phänomene der Neuzeit aufs Brot geschmiert: Lockdown, Podcasts, Gender-Themen, soziale Medien und als Grabrede getarnte Poetry-Slam-Anwandlungen inklusive. Es gibt viele Fremdschäm-Szenen, und auch richtig unlogische Momente (in eine davon ist Carrie involviert, die es als technisch versierte Ikone der Neuzeit in einer sehr wichtigen Szene nicht hinbekommt, nach ihrem Handy zu greifen – obwohl sie es sonst immer in der Hand hat).
Trotzdem, »And just like that …« bietet solide Unterhaltung – vielleicht in weniger ikonischem Ausmaß als die Originalserie, aber für einen unverfänglichen Spaßabend auf dem Sofa reicht es allemal. Und wer bei den Szenen, in denen Botschaften aus der Ferne von Samantha eingespielt werden, kein Pipi in den Augen hat – der hat meiner Meinung nach einfach kein Herz!