Anarchistisch auf allen Ebenen
Aufgeblättert: »Die Unverschämte« herausgegeben von Guillaume Gamblin
Repression, Folter, brutale Polizeigewalt, staatliche Willkür und seit 25 Jahren Exil. Dies beschreibt das Leben türkischen Soziologin, Schriftstellerin, antimilitaristischen Aktivistin, Feministin und Anarchistin Pınar Selek. Ebenso aber auch ihre Kämpfe an der Seite jugendlicher Marginalisierter in Istanbul, ihre Unterstützung von Sexarbeiter*innen sowie ihre Parteinahme für die Kurd*innen und Armenier*innen in der Türkei. Ebenso war die 52-jährige Selek Aktivistin der antimilitaristischen Bewegung in der Türkei, beteiligte sich an einer »Werkstatt für Straßenkünstler*innen« und war an der Gründung einer feministischen Kooperative sowie einer Plattform für soziale Ökologie beteiligt. Das alles machte sie in der Türkei zur Staatsfeindin, weswegen sie nun im französischen Exil leben muss. Dort setzt sie ihre wissenschaftlichen Forschungen fort und ist weiterhin an sozialen Kämpfen beteiligt. All dies bietet genug Stoff für »Die Unverschämte«. Das Buch basiert auf längeren Gesprächen mit Selek und zeichnet ihre Biografie vor dem Hintergrund der politischen Entwicklung der Türkei nach. Leider wird der Text dem Inhalt nicht umfänglich gerecht. Durch die zahlreichen Zitate Seleks sowie die meist kurzen Einschübe, die zwar den Kontext abstecken sollen, dabei aber meist wenig erklären und die Lektüre zerstückeln. Ein richtiger Lesefluss mag nicht aufkommen. Das ist erstaunlich und auch schade bei den »tausend Leben der Pınar Selek« von denen Guillaume Gamblin im Vorwort des Buches spricht
Guillaume Gamblin (Hg.): Die Unverschämte. Gespräche mit Pınar Selek. Aus dem Französischen von Lou Marin. Verlag Graswurzelrevolution, Münster 2023. 228 Seiten, 20,90 EUR.