Der Traum ist aus
Mit Schwarz-Rot in Berlin ist die Vergesellschaftung der Wohnungskonzerne erstmal vom Tisch – wie kann die Bewegung weitermachen?
Von Philipp Möller
Ordnung herrscht in Berlin«, schrieb Rosa Luxemburg nach der Niederschlagung des Spartakus-Aufstands 1919 in der Roten Fahne. Zwar wurden mit der Berliner Wiederholungswahl im Februar weder Räterepublik noch bewaffnete Arbeiter*innenbataillone niedergeschlagen, dennoch hoffen konservativ-bürgerliche Kreise auf die Wiederherstellung von Ordnung, Sicherheit und Sauberkeit sowie auf das Ende der »linken Enteignungsfantasien« durch den sich abzeichnenden Machtwechsel in der Hauptstadt. Tatsächlich ist der Traum von einer Vergesellschaftung der großen Wohnungskonzerne über den parlamentarischen Weg für die verbleibenden dreieinhalb Jahre der Legislatur ausgeträumt. Zwar wollen CDU und SPD laut Sondierungspapier ein »Vergesellschaftungsrahmengesetz« erarbeiten. Doch auch ohne die konkreten Inhalte dieses Rahmengesetzes zu kennen, dürfte klar sein, dass mit dieser Koalition keine Enteignung zu machen ist. Schlimmstenfalls könnte ein Rahmengesetz die Latte für eine Vergesellschaftung in unerreichbare Höhen hängen, um der Enteignung die Zähne zu ziehen.
Doch ist mit dem parlamentarischen Weg auch Deutsche Wohnen & Co enteignen (DWE) gescheitert? Verschwindet die lila Weste im Schrank? Aus Initiativkreisen wird über eine unerwartet gute und kämpferische Stimmung auf dem ersten Treffen nach den angekündigten schwarz-roten Koalitionsverhandlungen berichtet. Man bewege sich zwischen Wut, Resignation und dem unbedingten Willen, schnell wieder eine Perspektive zu bekommen. Der parlamentarische Weg sei nur eine von verschiedenen Säulen, aus denen DWE besteht. Diese umfassen lokale Kiezteams, die in den Stadtteilen aktiv sind und die AG Starthilfe, die Mieter*innen organisiert. Andere Teile erarbeiteten sich juristische Expertise oder lobbyierten in Parteien.
In der öffentlichen Wahrnehmung von DWE war der parlamentarische Weg durch die Begleitung der Expert*innenkommission und des Wahlkampfs präsenter gewesen als die Arbeit an der Basis. Viele Aktive in der Kampagne hätten jedoch ohnehin kaum daran geglaubt, dass die Mitte-links-Koalition eine mietsenkende Vergesellschaftung mit einer Entschädigung unter Marktwert umsetzen würde. Wenn der parlamentarische Weg nun scheitere, müsse man sich nicht länger an den parlamentarischen Prozessen orientieren, sondern könne sich künftig etwa wieder verstärkt dem Organizing von Mieter*innen zuwenden.
Tatsächlich war der in den vergangenen fünf Jahren eingeschlagene Weg immer eine kühne Wette darauf, dass die Politik ein Votum der Berliner*innen pro Vergesellschaftung nicht einfach ignorieren könne. Mit dem Beschlussvolksentscheid stand kein Gesetz, sondern ein Appell zur Abstimmung, wonach der Senat alle Maßnahmen einzuleiten habe, um den Zielen des Volksentscheids nachzukommen.
Damit band DWE sein Schicksal an die politische Konstellation im Senat und war dazu verdonnert, in den senatstragenden Parteien um Mehrheiten für die Vergesellschaftung zu lobbyieren. Das war nicht ohne Erfolg, wie etwa der Beschluss des Landesparteitags der SPD für eine Umsetzung des Volksentscheids im Herbst des letzten Jahres zeigte. Dennoch tat sich die rot-grün-rote Koalition schwer bei der Umsetzung und verlagerte ihre Entscheidung in den vermeintlich vorpolitischen Raum einer Expert*innenkommission. Ob es bei einer Neuauflage von R2G und einem positiven Votum der Kommission tatsächlich zu einer Umsetzung in der Legislatur gekommen wäre, steht in den Sternen. Franziska Giffey machte als Regierende Bürgermeisterin nie einen Hehl daraus, dass Enteignungen mit ihr nicht zu haben wären.
Es macht Hoffnung, dass sich die Resignation unter den Aktiven einer der erfolgreichsten linken Kampagnen der vergangenen Jahre nun in Grenzen hält. Dennoch steht DWE vor großen Herausforderungen. Die Erarbeitung des Vergesellschaftungsrahmengesetzes durch Schwarz-Rot dürfte sich lange ziehen, währenddessen könnten die Initiative, Linke und Teile der Grünen an eigenen Gesetzesentwürfen arbeiten. Vergesellschaftung wird also weiter Thema bleiben, jedoch auf absehbare Zeit lediglich auf der diskursiven Ebene und ohne dadurch materielle Verbesserungen für die Mieter*innen zu erreichen.
Die Umsetzungsperspektive für eine radikale Forderung war bislang eine große Stärke von DWE und unterschied die Kampagne von anderen linken, verbalradikalen Initiativen. Der Weg zu einem möglichen Gesetzesvolksentscheid ist steinig und dürfte über Karlsruhe führen. Die Aktivist*innen müssen also einen langen Atem beweisen, während das Vertrauen in die Wirksamkeit von Volksentscheiden durch die Spielchen der Parteien gelitten hat. Umso wichtiger wird die Verankerung der Kampagne bei den betroffenen Mieter*innen als vertrauensbildende Maßnahme sein. Auf dem weiteren Weg kann DWE auf den reichen Erfahrungsschatz und die hohe Professionalität aufbauen, durch die es bereits einmal gelang, Mehrheiten für die Vergesellschaftung zu organisieren. Schließlich verlangt die anhaltende Krise auf dem Wohnungsmarkt weiter nach radikalen Lösungen.