Unser Versprechen
Der 8. Mai soll Tag des antirassistischen Widerstands werden
Von Ceren Türkmen
Wissen wir heute, wie wir demnächst leben werden? Die Corona-Pandemie lähmt nicht nur das öffentliche Leben, sondern auch Grundrechte. Die seit 2015 durch antirassistische Kämpfe und Selbstorganisierungen von Migrant*innen und Geflüchteten in den Fokus der Auseinandersetzung gerückte Rassismus-Pandemie verliert die notwendige Aufmerksamkeit. Das Stillschweigen um Rassismus ist ein Problem, da die Krise des Grenzregimes und die rassistisch-rechtsterroristische Gefahr für das Leben von Migrant*innen, Schwarzen Deutschen, Jüdinnen und Juden, Sinti und Roma, Muslim*innen und anderen marginalisierten Gruppen weiter existieren und die Dringlichkeit antirassistischer Solidarität während der Corona-Pandemie noch steigt.
So wie Corona unsere antifaschistischen Kämpfe bedroht, so ist auch unser Versprechen an die Angehörigen der Opfer von Hanau bedroht. Nach dem rassistischen Anschlag vom 19. Februar 2020, als ein Mann neun junge Hanauer*innen, Brüder und Schwestern, Freund*innen, Kinder und Geliebte, junge Menschen mit Hoffnungen und Träumen ermordete, haben sich einzelne Angehörige an die Öffentlichkeit gewandt, darunter Serpil Temiz, die Mutter von Ferhat Unvar, Çetin Gültekin, der Bruder von Gökhan Gültekin, oder Ajla Kurtovic, die Schwester von Hamza Kurtovic. Sie fordern unter anderem die lückenlose Aufklärung des Attentats in Hanau und jeder Gewalt mit Verdacht auf ein rassistisch-rechtes Tatmotiv, ein würdiges Gedenken und eine staatlich geförderte Stiftung für und von Betroffenen rechter Gewalt, in der sie sich für Antirassismusarbeit einsetzen können.
Trotz widriger Bedingungen können wir dafür sorgen, dass der 8. Mai – der Tag der Befreiung vom Faschismus – aus migrantischer Perspektive auch eine Mahnung für die Jetztzeit beinhaltet.
Für den 8. Mai war ein Tag des Streiks geplant, so wurde es seit Ende Februar in antirassistischen und neuen Migrantifa-Zusammenhängen diskutiert. Ein Streik aller von Rassismus betroffenen Menschen sollte den bundesdeutschen Alltag stören und nicht nur die empfundene Trauer ausdrücken, sondern auch Wut, ja Widerstand auf die Tagesordnung setzen. Nun haben die Corona-Beschränkungen die Pläne durchkreuzt, vorerst. Trotzdem werden wir am 8. Mai Gesicht zeigen und unsere Stimmen gegen Rassismus erheben. In Hanau, Hamburg und Berlin planen neue Zusammenschlüsse bereits Proteste. Auch digital werden wir protestieren.
Trotz widriger Bedingungen können wir dafür sorgen, dass der 8. Mai – der historische Tag der Befreiung vom Faschismus – aus migrantischer Perspektive auch eine Mahnung für die Jetztzeit beinhaltet. Gesundheitsversorgung sicherstellen! Lager auflösen! Menschen und ihre Rechte schützen! Abschiebestopp und die pauschale Verlängerung aller Aufenthaltstitel! Wer sich momentan an der griechisch-türkischen Grenze und in den Lagern auf den griechischen Inseln befindet, ist hygienischen Zuständen und psychischen Belastungen fern jeglicher Standards ausgesetzt. Wir fordern, die Menschen aus Griechenland sofort zu evakuieren!
Wir haben Hoffnung, Mut und Geduld, gegen die Entmenschlichung und für Grundrechte sowie Gesundheitsversorgung für Alle, für gesellschaftliche Solidarität während der Pandemie zu kämpfen, Faschismus und Rassismus zu bekämpfen und unsere Brüder und Schwestern auf ihrem Weg zu unterstützen.