Immer durstig
Die Ausweitung eines wasserintensiven Tesla-Werks in Grünheide mobilisiert Umweltgruppen aus Brandenburg und Berlin
Ein paar Mal reißt es und muss wieder verknotet werden, aber dann hält es doch: Das blaue Band, das rund 250 Menschen an einem Samstag im Dezember entlang des Waldstücks im brandenburgischen Grünheide spannen, das für die Erweiterung des dortigen Tesla-Werks gerodet werden soll. Das Bündnis »Tesla den Hahn Abdrehen« hatte zu der Aktion eingeladen, die in ihrer Symbolik an die »Roten Linien« erinnert, mit denen im Rheinland gegen den Kohleabbau demonstriert wurde.
Hier ist das Band blau, weil das zentrale Thema die Folgen der Tesla-Erweiterung für die Wasserversorgung in der Region sind. Für den Anbau der E-Autofabrik sollen weitere 500.000 Quadratmeter versiegelt werden. Zudem soll der Grundwasserspiegel abgesenkt werden. Der größte Teil des Fabrikgeländes befindet sich im Trinkwasserschutzgebiet, mit der steigenden Produktionskapazität steigt auch die Gefahr, dass Schadstoffe ins Grundwasser gelangen.
Dazu kommt der bereits jetzt sehr hohe Wasserverbrauch des Werks. Die sogenannte Gigafactory verbraucht rund 1,8 Millionen Kubikmeter Wasser im Jahr. Das ist in etwa der Wasserverbrauch einer Stadt mit 40.000 Einwohner*innen und rund ein Fünftel der Wassermenge, die der Wasserverband Strausberg-Erkner insgesamt im Jahr der Region zur Verfügung stellt. Schon jetzt kommt der Wasserverband nach eigenen Angaben an seine Grenzen, neue Schulen oder Kitas können nicht gebaut werden, weil die Wasserversorgung nicht gewährleistet werden kann. Für Neukund*innen rund um das Tesla-Werk ist der Wasserverbrauch bereits gedeckelt, ab 2025 soll das für alle privaten Haushalte gelten.
Ein erster Erfolg der Proteste ist, dass nun die Anwohner*innen befragt werden sollen, ob sie der Erweiterung zustimmen.
Die Region Berlin-Brandenburg gehört zu den trockensten in ganz Deutschland, zu wenig Niederschläge und ein sandiger Boden, der das Wasser nicht halten kann. Die Klimakrise verschärft das Problem schon jetzt, und die Wasserversorgung der Hauptstadt ist auf das Umland angewiesen. Angesichts dieser Lage schlossen sich im letzten Jahr Umweltgruppen aus Brandenburg, die Bürgerinitiative Grünheide und Klimaaktivist*innen aus Berlin zum Bündnis Tesla den Hahn Abdrehen zusammen.
Während die Eröffnung der Fabrik im März 2022 zwar von Kritik, aber nur wenig Protest begleitet wurde, wächst nun der Widerstand gegen die Erweiterung. Statt 500.000 Autos pro Jahr will Tesla in Grünheide künftig eine Million bauen, dafür sollen weitere 170 Hektar Wald gerodet werden. Ein erster Erfolg der Proteste ist, dass nun die Anwohner*innen der Gemeinde Grünheide bis Mitte Februar befragt werden sollen, ob sie der Erweiterung zustimmen. Das Votum ist zwar für die Gemeindevertretung nicht bindend, doch die im Sommer anstehenden Kommunalwahlen könnten für die Lokalpolitik ein Grund sein, sich nicht einfach darüber hinweg zu setzen.
Tesla steht dabei längst nicht nur aufgrund der Folgen für die Wasserversorgung in der Kritik. Die Arbeitsbedingungen der rund 12.0000 Beschäftigten in Grünheide sind katastrophal. Sie berichten von einem Klima der Angst, in dem ehemalige Soldaten, die von Tesla bevorzugt eingestellt werden, für militärischen Drill und Einschüchterung sorgen. Arbeitsunfälle sind an der Tagesordnung. Bei vielen der überwiegend migrantischen Beschäftigten ist der Arbeitsvertrag an den Aufenthaltsstatus geknüpft, was es noch schwerer macht, gegen die Bedingungen vorzugehen. Dennoch haben sich im Herbst rund 1.000 mutige Beschäftigte in einer gemeinsamen Aktion zu ihrer Organisierung in der IG Metall bekannt. Nachrichten von Streiks bei Tesla in Skandinavien (ak 699) lassen hoffen, dass auch auf dieser Ebene der Widerstand gegen den Konzern wächst.
Mehrere Kämpfe vereint
Der Widerstand gegen die Werkserweiterung kann zum Kristallisationspunkt mehrerer Kämpfe werden: Gegen die falschen Alternativen des grünen Kapitalismus, für die Priorisierung des Gemeinwohls über Profitinteressen, und für solidarische, statt spaltende Antworten auf die Krise.
Das Tesla-Werk steht für das Festhalten am motorisierten Individualverkehr, der vorsieht, angesichts des Klimawandels lediglich die Antriebsart zu wechseln und somit am deutschen Lebensstil so wenig wie möglich zu ändern. Die Kosten dafür sollen wiederum andere tragen. Der Kampf gegen das Tesla-Werk richtet sich gegen ebendiese falschen Alternativen des grünen Kapitalismus.
Wenn die Mobilitätswendebewegung hingegen weniger motorisierten Individualverkehr und mehr ÖPNV fordert, fordert sie, dass Mobilität als soziale, öffentliche Infrastruktur verwirklicht wird, statt von den Profitinteressen der Autoindustrie bestimmt zu werden. Weil in der Autonation Deutschland die Konflikte um das Thema Verkehr äußerst zugespitzt geführt werden, spielt es dabei allerdings nicht nur eine Rolle, welche Forderungen erhoben werden, sondern auch, wer sie erhebt. Wenn Anwohner*innen in einer ländlichen Region in Ostdeutschland einen besseren ÖPNV statt einer größere Autofabrik fordern, ist es deswegen eine wichtige Aufgabe, sie zu unterstützen und ihre Stimme zu verstärken.
Beim Konflikt um die Frage, wer wie viel Wasser verbraucht, handelt es sich beim Kampf gegen die Erweiterung auch um die Priorisierung des Gemeinwohls gegenüber Profitinteressen privater Konzerne. Und fast von selbst sind wir über diesen Kampf mit weltweiten Kämpfen um Wasser verbunden. Denn der Bergbau für die E-Auto-Batterien raubt an Orten wie der chilenischen Atacama-Wüste Mensch und Natur kostbares Wasser. Als das Bündnis im September ein Wald- und Wasserfest gegen die Erweiterung veranstaltete, war die Rede einer Aktivistin der chilenischen Wasserschutz-Gruppe Modatima, die sie »eine Botschaft aus der Zukunft« nannte, dort der Beitrag, der viele der Besucher*innen am stärksten berührte.
Die Verschiebung weg von einem Fokus gegen Autos hin zu einem Fokus für das Recht auf Wasser ist auch deswegen richtig, weil sie den Kampf gegen die Tesla-Erweiterung so vom Feld des Kulturkampfs um das Auto herunterholt. Statt einen Konflikt zwischen Innenstadtberliner*innen ohne Auto und Brandenburger*innen mit Auto zu führen, kämpfen Stadt- und Landbewohner*innen gemeinsam dafür, dass das Wasser in der Region an die Menschen statt an die Konzerne geht.
In den kommenden Jahren werden Menschen auch in Deutschland mehr und mehr von den Folgen der Klimakrise betroffen sein. Wenn wir verhindern wollen, dass die immer knapper werdende Ressource für private Profitinteressen und die Freizeitvergnügungen von Reichen verbraucht wird, müssen wir jetzt die Grundlagen für eine Wassergerechtigkeitsbewegung legen.
Die Region Berlin-Brandenburg ist dafür ein guter Ort, denn die Kämpfe um Wasser haben hier bereits begonnen. Der Braunkohlekonzern LEAG in der Lausitz, der mit Abstand größte Wasserverbraucher der Region, untersagt den betroffenen Kommunen per Schweigeklausel, über die von der LEAG ausgehenden Gefahren für die Trinkwasserversorgung in Berlin, Brandenburg und Sachsen auch nur zu sprechen. Die Wassergerechtigkeitsbewegung wird sich nicht den Mund verbieten lassen.
In der Region Berlin-Brandenburg haben die Kämpfe ums Wasser bereits begonnen.
Da auch Menschen in Deutschland die Dürren, Waldbrände, Fluten und Stürme nicht länger verdrängen können, ist der Kampf gegen die Tesla-Erweiterung auch einer solidarischer statt spaltender Antworten auf die multiplen Krisen. Denn hier wird erprobt, was die Rolle von Klimagerechtigkeitsbewegten in einer durch die Klimakrise geprägten Welt sein kann. Immer stärkere Abschottung, die Verteidigung des eigenen Wohlstands mit immer härteren Mitteln ist eine Antwort. Eine andere ist der Kampf um soziale Infrastruktur und der Aufbau solidarischer Netzwerke vor Ort.
Radikale Linke müssen dort, wo die Menschen die Krise spüren, präsent sein, und Vertrauen in sich und die Kraft einer solidarischen Antwort aufbauen. Das bedeutet, zum Beispiel in Grünheide Kundgebungen vor Gemeinderatssitzungen zu organisieren und in die Tiefen der Lokalpolitik einzutauchen. Und gerade weil vor Ort auch die AfD gegen Tesla mobilisiert, ist es wichtig, dass es Linke sind, die mit den Tesla-kritischen Anwohner*innen auf der Basis einer klaren Abgrenzung nach rechts zusammenarbeiten. Der Kampf für solidarische, statt spaltende Antworten ist auch ein Kampf gegen den Faschismus.
Tesla ist ein mächtiger Gegner: Das Unternehmen ist nicht nur ein börsennotierter Großkonzern, sondern genießt auch Unterstützung, die von der brandenburgischen Landesregierung über verschiedene kommunalpolitische Kräfte bis hin zur lokalen Linkspartei reicht. Bei weitem nicht alle Anwohner*innen unterstützen den Kampf gegen die Werkserweiterung, viele erhoffen sich von Tesla nach wie vor positive Effekte für die Region. Die Haltung gegenüber E-Mobilität ist längst nicht in allen Teilen der Klimabewegung so ablehnend wie bei der radikalen Linken, und der Verkehrssektor ist einer der Bereiche, in dem die Klimabewegung bisher am wenigsten Erfolge verzeichnen konnte.
Mit der geplanten Erweiterung gibt es einen konkreten Anlass, der eine Zuspitzung ermöglicht. Nicht nur die Interventionistische Linke, sondern auch das Bündnis Tesla den Hahn Abdrehen will den Wald von Grünheide zu einem Ort des Widerstands und des Kampfs um Wasser machen.