Taktieren gegen die Macht von unten
Die Prüfung des Volksbegehrens der Initiative »Deutsche Wohnen und Co enteignen« wird durch den Berliner Senat verschleppt
Von Stefan Alt und Frida Vogel
Im Sommer 2019 haben wir als Stadt-AG der Interventionistischen Linken gemeinsam mit der Initiative »Deutsche Wohnen und Co enteignen« in Berlin ein Volksbegehren gestartet und in der ersten Stufe über 77.000 Unterschriften dafür gesammelt, also dreimal so viele wie gesetzlich erforderlich sind. Diese Unterschriften wurden im Juni 2019 der Berliner Senatsverwaltung übergeben. Seitdem liegt das Volksbegehren dort zur Prüfung. Folglich hat sich seit zehn Monaten kaum etwas getan.
Denn »Deutsche Wohnen und Co enteignen« ist für die rot-rot-grüne Landesregierung zum Problem geworden. Während die Linkspartei das Anliegen unterstützt, ist die SPD mehrheitlich dagegen, die Grünen sind gespalten. Daran wird eine tieferliegende Zerrissenheit der Regierungskoalition sichtbar, die sie nun auf den Gegenstand unseres Volksbegehrens abzuwälzen versucht. Dabei bedient sie sich, wie es inzwischen zur Tradition geworden ist, des Mittels der Verzögerung – inklusive Gesprächsangeboten, deren Inhalt noch völlig unklar ist. Dieses Schicksal teilen wir im übrigen mit vielen, in der Vergangenheit verschleppten, Volksbegehren. Dabei könnte die Prüfung längst abgeschlossen sein: Die Unterschriften sind schon lange abgegeben und es liegen mittlerweile sechs Gutachten vor, die eine Vergesellschaftung der Wohnungsunternehmen für rechtlich möglich halten. Dennoch herrscht seit mittlerweile über einem Monat völliger Stillstand. Selbst wann und wie die angebotenen Gespräche stattfinden können, ist unklar.
Die Verzögerungstaktik des Senats
Ende vergangenen Jahres gab es Gerüchte, die Prüfung werde zeitnah abgeschlossen sein und für uns positiv ausgehen. Von einzelnen Personen aus den Parteien wurde uns darum geraten, mit einer Kampagne gegen die Verzögerung noch zu warten. Wir beschlossen deshalb, die Kampagne zu verschieben und stattdessen die Vorbereitung der nächsten Sammelphase zu intensivieren.
Anfang des Jahres gab es dann neue Informationen: Der Koalitionsausschuss würde unsere Sache beraten. Also entschieden wir, unsere Kampagne erneut zu verschieben. Aus der Presse erfuhren wir, dass es das Angebot zu Gesprächen gebe. Die Grünen, so hieß es, versuchten sich in einer vermittelnden Rolle und wollten allgemeine Gespräche mit allen Seiten, also auch der Immobilienlobby. Für die Linkspartei ginge es nur noch um die Beseitigung letzter formaler Mängel. Und der Sprecher der Senatsinnenverwaltung habe mitgeteilt, die Prüfung sei abgeschlossen. Diese Pressemeldung wurde mittlerweile durch die Senatsinnenverwaltung dementiert. Mit uns gab es jedoch immer noch keine Kontaktaufnahme.
Wir sind enttäuscht, besonders von Linkspartei und Grünen.
Wir sind enttäuscht, besonders von Linkspartei und Grünen. Auch Gespräche dienen, so unsere Einschätzung, vor allem der Koalition: Die SPD möchte eine möglichst lange Verzögerung, die Linke Konflikte vermeiden und die Grünen können eine vermittelnde Rolle einnehmen. So bekommen alle einen gesichtswahrenden Kompromiss. Nur die direkte Demokratie bleibt auf der Strecke, denn »Deutsche Wohnen und Co Enteignen« braucht keine Gespräche, sondern endlich eine positiv abgeschlossene Rechtsprüfung.
Organisationsmacht von unten aufbauen
Wir hingegen waren in den vergangenen Monaten nicht untätig und haben die Zeit genutzt, um uns auf die zweite Stufe des Volksbegehrens vorzubereiten. Wir haben dezentral und in allen Stadtteilen begonnen, Kiezgruppen und eine allgemeine Sammelstruktur aufzubauen. Die ersten beiden Treffen waren gut besucht, es kamen jeweils 50 Menschen stellvertretend für alle Bezirke. Damit möglichst viele Menschen für uns sammeln gehen können, haben wir angefangen Informations-Kits zusammenzustellen. Dazu gehören Argumentationshilfen genauso wie kurze Filme, die häufig gestellte Fragen knapp beantworten. Außerdem werden wir für die zweite Phase eine App haben, über die sich Sammler*innen zusammenfinden und austauschen können.
Neben dieser nach innen gerichteten Arbeit haben wir eine Kampagne gegen die Verzögerungstaktik der Regierung in petto. So haben wir eine allgemeine Leistungsklage vorbereitet, das heißt, wir werden wenn nötig eine Reaktion der Regierung auf unser Volksbegehren einklagen. Zudem wollen wir die Abgeordneten persönlich an uns erinnern – mit abgestimmten Anruf- und Mailaktionen, Aktionen bei Parteiveranstaltungen und in Parteizentralen. Wann sich das in Anbetracht der Corona-Krise umsetzen lässt, ist noch unklar. Fest steht aber: Wir werden keine Ruhe geben.
Wir fordern: Die Prüfung muss endlich positiv abgeschlossen werden. An der rechtlichen Legitimität besteht kein Zweifel. Wir fordern die Zusage, nach Beendigung des Kontaktverbots mit der Unterschriftensammlung beginnen zu können. Wir fordern eine klare Stellungnahme von Linkspartei und Grünen. Die politischen Spielchen mit der Prüfung, die konstruierten Hinderungsgründe und das unzumutbare Zeit-Schinden müssen ein Ende haben.