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»Es ging nicht um Schuld oder Unschuld«

Bei Deutsche Wohnen & Co enteignen gab es Streit um einen möglichen sexuellen Übergriff. Ein Gespräch mit Aktiven aus der Interventionistischen Linken über den Umgang damit

Interview: Jan Ole Arps

Verschwommenes Foto einer Menge junger Leute mit den lila Westen der Kampagne Deutsche Wohnen & Co enteignen
Wo Menschen zusammen kommen, kann es auch zu sexuellen Übergriffen kommen. In der Kampagne Deutsche Wohnen & Co enteignen wurde im Sommer intensiv über den Umgang mit so einem Vorwurf gerungen. Foto: ak

Die Kampagne Deutsche Wohnen und Co enteignen ist eine der erfolgreichsten Mobilisierungs- und Organisierungskampagnen der letzten Jahre. Am 26. September erreichte ihr Volksentscheid zur Enteignung und Vergesellschaftung großer Wohnungskonzerne in Berlin beinah 60 Prozent Zustimmung. Mehr als eine Million Berliner*innen stimmten für die Forderung. Doch intern gab es in den Monaten vor der Abstimmung viel Streit – um einen Vorwurf sexueller Belästigung gegen Michael Prütz, einen langjährigen prominenten Sprecher der Kampagne. Eine Mitstreiterin hatte Prütz beschuldigt, sie nach einer Veranstaltung der Kampagne im Juni sexuell genötigt zu haben. Die Mehrheit der Aktiven beschloss daraufhin, dass der Beschuldigte sich fürs erste aus der Kampagne zurückziehen sollte.

Prütz, der die Vorwürfe als »frei erfunden« bezeichnet, sprach von Vorverurteilung und erklärte, Anzeige wegen Verleumdung gestellt zu haben. In einer Mail an die Kampagne beklagte er, das Vorgehen falle hinter die Werte der Aufklärung zurück und erinnere ans 15. Jahrhundert, »wo Fürsten, Adlige und Gutsherren über Recht und Gesetz befunden haben«, und sprach von »sektenhaftem« und »dschihadistischem« Verhalten. Im Sommer verknüpften Artikel auf Telepolis und den Nachdenkseiten Berichte über die Auseinandersetzung mit dem Vorwurf, die Interventionistische Linke (IL) habe die Macht innerhalb der Kampagne an sich gerissen und unter Berufung auf feministische Definitionsmachtkonzepte den Ausschluss von Prütz durchgesetzt. Der Tagesspiegel griff diese Erzählung gern auf, reicherte sie mit anonymen Zitaten an und veröffentlichte zwischenzeitlich im Wochentakt Variationen der Geschichte vom Putsch der »Polit-Sekte« bei Deutsche Wohnen & Co enteignen.

ak hat daher zur Abwechslung zwei Mitglieder der Interventionistischen Linken, die in der Kampagne aktiv sind, zu ihrer Sicht auf den Konflikt befragt. Kerrin ist seit Beginn bei Deutsche Wohnen & Co enteignen dabei, sie ist in der Aktions-AG und im Kiezteam Friedrichshain. Sie ist außerdem im Unterstützungskreis der Frau, die den Vorwurf erhebt, und hat sie in mehreren Sitzungen im Koordinierungskreis (Ko-Kreis), dem Leitungsgremium der Kampagne, vertreten. Jonathan ist Mitglied in der AG Starthilfe und arbeitet in der Öffentlichkeitsarbeit der Kampagne mit.*

Ende Juli, gut zwei Monate vor dem Volksentscheid zur Enteignung der Wohnungskonzerne in Berlin, wurde die Nachricht öffentlich, dass Michael Prütz, ein prominenter Sprecher von Deutsche Wohnen & Co enteignen, sich aus der Kampagne zurückziehen musste, weil ihm eine Mitstreiterin sexuell übergriffiges Verhalten vorgeworfen hatte. Von der Kampagne selbst war öffentlich nichts zu den Vorwürfen zu hören. Warum nicht?

Jonathan: Das hat zwei Gründe: Einmal hat der Vorfall zu einer intensiven Auseinandersetzung innerhalb der Kampagne geführt. Die Aktiven wollten sich zunächst intern darüber verständigen, wie mit solchen Vorfällen und diesem konkreten Fall umzugehen ist. Und auch die Betroffene wollte nicht, dass der Vorwurf öffentlich wird.

Was ist genau passiert, als der Vorwurf bekannt wurde?

Kerrin: Nachdem die Betroffene einzelnen Leuten aus der Kampagne von dem Übergriff erzählt hatte, wurde mit Michael Prütz vereinbart, dass er am folgenden Wochenende nicht zu Veranstaltungen der Kampagne kommt. Dann hat eine Person aus der Stadt-AG der Interventionistischen Linken in Absprache mit der Betroffenen eine Unterstützungsgruppe initiiert, um sie im weiteren Vorgehen zu begleiten und ihre Wünsche in die Kampagne zu vermitteln. Schon kurz, nachdem der Vorwurf bekannt wurde, begann Prütz, anderen Aktiven zu erzählen, dass die Betroffene unhaltbare Anschuldigungen gegen ihn erhebe und ihn aus der Kampagne werfen wolle. Aus seinem Umfeld wurde diese Geschichte ebenfalls verbreitet mit der Unterstellung, dies sei ein Manöver der IL, um den Ausschluss von Prütz zu erreichen.

Nach diesen ersten Tagen ging der Aushandlungsprozess in den formalen Strukturen der Kampagne über den Umgang mit dem Vorfall los. Der Ko-Kreis wurde über den Vorwurf informiert. Daraufhin ist er in einen intensiven Prozess mit mehreren Treffen pro Woche gegangen und hat mit klarer Mehrheit Michael Prütz aufgefordert, sich bis zur Klärung eines Prozederes aus allen Strukturen zurückzuziehen. Da Prütz nicht damit einverstanden war, seinen Rückzug unerklärt zu lassen, beschloss der Ko-Kreis, die Gesamtkampagne bei der kommenden Vollversammlung, etwa zwei Wochen nach dem Vorfall, in Kenntnis zu setzen. Bereits auf diesem Plenum gab es heftige Diskussionen. Im Anschluss hat der Ko-Kreis mit Unterstützung von zwei externen Beratungsinstitutionen begonnen, einen Verfahrensvorschlag über den Umgang mit den Vorwürfen zu erarbeiten. Als klar wurde, dass sich diese Verständigung länger hinzieht, wurde eine Gruppe eingesetzt, die mit Prütz Kontakt aufnehmen und ihn zu einem Gespräch einladen sollte. Dieses Gespräch hat Michael Prütz abgelehnt mit der Begründung, dass er erst wissen will, wie die Diskussion um das Verfahren ausgeht.

Jonathan: In der Kampagne gab es mehrere größere Versammlungen zum Thema. Mitte August wurde dann über den Verfahrensvorschlag des Ko-Kreises abgestimmt. Dieses Plenum hat sehr lang gedauert, hier wurde das Verfahren in mehreren Abstimmungen mit diversen Ergänzungsvorschlägen durchgestimmt. Zur Eskalation hat hier auch beigetragen, dass zuvor Verschwörungstheorien, dass die Betroffene bestimmt von der CDU oder der Immobilienlobby gekauft sei, über den Kampagnenverteiler verschickt wurden und diverse weitere Mails die Glaubwürdigkeit der Betroffenen in Frage stellten. Am Ende haben mehr als zwei Drittel der etwa 150 Anwesenden für den Verfahrensvorschlag in seiner jetzigen Form gestimmt.

Es ging nie darum, in eine Art Ermittlungsverfahren einzusteigen. Das Anliegen war, der Betroffenen zu ermöglichen, sich weiter an der Kampagne zu beteiligen.

Kerrin

Was wurde beschlossen?

Kerrin: Es wurde entschieden, eine Kommission einzusetzen. Ihre Aufgabe sollte nicht sein, die Wahrheit über das, was geschehen ist, zu ermitteln. Sie sollte auf der Grundlage arbeiten, dass die Schilderung der Betroffenen prinzipiell glaubhaft ist. Die Kommission sollte unter anderem prüfen, ob ein gemeinsames Verbleiben in der Kampagne möglich ist – oder ob Michael Prütz die Kampagne verlassen muss. Über den Vorschlag der Kommission sollte dann auf einem weiteren Plenum abgestimmt werden. Die Kommission sollte außerdem erarbeiten, was begünstigende Faktoren für Übergriffe sind und wie die Kampagne diese zukünftig verhindern kann.

Jonathan: Die Kommission sollte aus sieben Personen aus der Kampagne plus zwei externen Berater*innen bestehen: Zwei Personen sollte Michael Prütz benennen, zwei Personen sollte die Betroffene benennen, zwei »neutrale« Personen sollten von der Kampagne benannt werden, und schließlich sollte noch eine Person in die Kommission, die gewürfelt wird. Plus die beiden Berater*innen. Das wären schwierige Diskussionen geworden. Man kann das aus feministischer Sicht sehr kritisch sehen, aber das war die Struktur, für die sich die Kampagne entschieden hat.

Zu dieser Kommission ist es aber nicht gekommen?

Jonathan: Nein, Michael Prütz war nicht bereit dabei mitzuarbeiten.

Prütz sagt, ihm sei keine Chance eingeräumt worden, seine Sicht darzustellen, man habe ihn vorverurteilt.

Kerrin: Bei dem Verfahren ging es nie darum, in eine Art Ermittlungsverfahren einzusteigen. Das Anliegen war in erster Linie, der Betroffenen zu ermöglichen, sich weiter an der Kampagne zu beteiligen, ohne ihm begegnen zu müssen. Der vorübergehende Ausschluss ist kein Urteil über Schuld oder Unschuld. Es ging darum, einen Raum für die Betroffene zu schaffen, in dem sie den Übergriff thematisieren kann.

Das haben aber nicht alle so gesehen?

Kerrin: Darüber, was die Kommission tun sollte, gab es unterschiedliche Vorstellungen. Die Kampagne hat ja entschieden, dass sie nicht über die Glaubwürdigkeit der Darstellung urteilt. Es gab in den Diskussionen aber auch Leute, die genau das wollten: dass sie Zeugenaussagen und Indizien herbeiholt und der Vollversammlung eine Analyse unterbreitet, auf deren Grundlage dann 150 Menschen darüber urteilen, ob die Darstellung der Betroffenen glaubwürdig ist.

Wenn man sich wie im Strafrecht verhalten würde, könnte man nur sagen: Wir wissen nicht genau, was passiert ist, also können die Vorwürfe keine Konsequenzen haben – mit der Folge, dass die Betroffene die Kampagne verlässt.

Jonathan

Diejenigen, die euer Vorgehen kritisieren, argumentieren, dass die Kampagne rechtsstaatliche Grundsätze wie die Unschuldsvermutung außer Kraft gesetzt habe.

Jonathan: Im Strafrecht geht es um das Recht des Staates zu strafen. Da ist die Unschuldsvermutung ein sehr hohes Gut. Wir reden hier aber über den Umgang in einer Initiative, die maximal sagen kann, dass jemand nicht mehr mitmachen darf. Das Problem, vor dem man steht, wenn solche Vorwürfe erhoben werden, ist ja: Es gibt meistens keine objektiven Beweise. Damit steht Aussage gegen Aussage. Im Strafrecht hat das zur Folge, dass 90 Prozent der Anzeigen von sexuellen Übergriffen zu keiner Verurteilung führen. Bei einer gleichzeitigen Quote von nur rund drei Prozent Falschbeschuldigungen, wenn wir uns entsprechende Studien anschauen. Wenn man sich wie im Strafrecht verhalten würde, könnte man als Kampagne nur sagen: Wir wissen nicht genau, was passiert ist, also können die Vorwürfe keine Konsequenzen haben. Das hat unter den bestehenden Machtverhältnissen die Folge, dass Betroffene unsere Strukturen verlassen.

Unter Kriminolog*innen und eigentlich allen, die sich mit dem Thema beschäftigen, ist anerkannt, dass das strafrechtliche Prozedere bei sexuellen Übergriffen seine Schutzfunktion gegenüber der Betroffenen nicht erfüllt. Denn wenn es keine zweifelsfreien Beweise gibt, kann es nur darum gehen, die Glaubwürdigkeit zu verhandeln: »Sie war ja noch so gut gelaunt, nachdem ihr angeblich so etwas Schlimmes passiert ist« – solche Argumente kommen dann. Die Angriffe auf die Glaubwürdigkeit der Betroffenen zogen sich auch durch die Presseberichterstattung. Hier muss man sich als Kampagne entscheiden: Macht man ein Verfahren, in dem es mangels Beweisen vor allem um die Glaubwürdigkeit der Betroffenen geht? Oder stellen wir in den Mittelpunkt, dass Betroffene die Möglichkeit haben müssen, weiter bei uns aktiv bleiben zu können – zumal es bis auf krude Verschwörungstheorien keine Anhaltspunkte dafür gibt, warum sie sich das ausdenken und sich diesem Stress aussetzen sollte.

In mehreren Artikeln heißt es, der Ko-Kreis habe sich unter Berufung auf das Definitionsmachtkonzept entschieden, der Schilderung der Frau uneingeschränkt zu glauben, und die IL habe dieses Vorgehen innerhalb der Kampagne durchgedrückt.

Kerrin: Das Problem ist aus meiner Sicht, dass die Kampagne kein Konzept zum Umgang mit sexualisierter Gewalt hatte. In der IL haben wir das. Aus der Erfahrung heraus, dass es in Gruppen, wo Menschen zusammenkommen, auch zu sexualisierter Gewalt kommen kann, haben wir als IL ein internes Verfahren erarbeitet. Deshalb waren wir IL-Mitglieder uns relativ einig, wie wir uns zum Umgang mit dem Vorwurf positionieren – auch wenn wir das, anders als dauernd behauptet wird, nicht mit Definitionsmacht begründen, sondern damit, dass wir mit dem geschilderten Wahrheitsdilemma im Sinne einer solidarischen Parteilichkeit mit Betroffenen sexualisierter Übergriffe umgehen wollen. Vor dem Hintergrund dieses Konzeptes haben wir Vorschläge zum Verfahren gemacht und die auch offensiv in der Diskussion vertreten. Das IL-Konzept sieht aber keine Einrichtung einer quasi-paritätischen Kommission vor. Das ist aber der Kern des von der Kampagne beschlossenen Verfahrens. Insofern stimmt es nicht, dass wir unseren Vorschlag einfach durchgedrückt haben. Zumal die Vorstellung, die IL könnte über 100 Leute auf einem Plenum steuern, aberwitzig ist und die Aktiven der Kampagne entmündigt.

Jonathan: Mit dem ideologisch aufgeladenen Begriff der Definitionsmacht, wonach die Betroffene selbst definiere, was ein Übergriff sei und was nicht, war es einfach, sich der Frage zu entledigen: Was machen wir, wenn ein Vorwurf nicht bewiesen werden kann? Diejenigen, die Michael Prütz unbedingt in der Kampagne halten wollten, haben daraus eine Diskussion um angebliche rechtsstaatliche Grundsätze gemacht mit dem Subtext, die Kampagne würde dann ihre Glaubwürdigkeit verlieren. Das wurde aber nicht als Befürchtung formuliert, worüber man ja hätte reden können, sondern als unterschwellige Drohung, genau mit dieser Erzählung an die Presse zu gehen.

Ein Prütz nahestehender Journalist sowie der Tagesspiegel haben, gefüttert mit Zitaten von Prütz und anonymen Zitatgeber*innen, die Geschichte von einer extremistischen Unterwanderung der Kampagne konstruiert.

Kerrin

Was dann auch geschehen ist.

Jonathan: In dem Moment, wo sich andeutete, dass wir nicht einfach weitermachen, weil man die Wahrheit eben nicht herausfinden kann, erschienen die ersten entsprechenden Artikel bei Telepolis. Nachdem es nicht geklappt hat, das Thema in linken Medien zu setzen, geschah das über konservative Journalist*innen, bei denen klar war, dass es ihnen darum gehen wird, der Kampagne zu schaden.

Kerrin: Genau, es ist ja nicht bei dem Konflikt um den Vorfall geblieben. Bewusst wurde von einem Prütz nahestehenden Journalisten sowie dem Tagesspiegel – gefüttert mit Zitaten von Prütz und anderen anonymen Zitatgeber*innen – eine Geschichte von einer vermeintlichen extremistischen Unterwanderung konstruiert. Das ist schon krass, dass Leute, die sich als Teil der gesellschaftlichen Linken betrachten, in dem Moment, wo es einen Konflikt gibt, diese Karte ziehen.

Seht ihr es eigentlich als Fortschritt, dass die Kampagne mehrheitlich gesagt hat: Wir wollen uns so verhalten, dass das mutmaßliche Opfer eines Übergriffs nicht die Kampagne verlassen muss?

Kerrin: Ich bin mir da nicht sicher, weil eigentlich ja eine Kultur etabliert werden müsste, die es Betroffenen ermöglicht, darüber zu reden, was ihnen widerfahren ist. Und daran ist die Kampagne vermutlich gescheitert. Ja, es hätte noch schlimmer kommen können. Die Kampagne wäre kaputt gegangen, wenn wir nicht gemeinsam entschieden hätten, dass eine Person, der ein sexualisierter Übergriff vorgeworfen wird, sich erstmal zurückziehen muss. Viele junge Frauen – gerade in den Kiezteams, aber nicht nur dort – wären dann einfach gegangen. Zugleich ist es durch die Art und Weise, wie dieser Konflikt eskaliert ist, nicht einfacher geworden, sich in der Kampagne mit ähnlichen Erfahrungen zu Wort zu melden.

Jonathan: Ich denke, es ist schon ein Fortschritt, dass es eine klare Mehrheit für so ein Verfahren gegeben hat. Aber dadurch, dass wir uns diese extreme Öffentlichkeitsdisziplin auferlegt und monatelang nicht in die Diskussion eingegriffen haben, war die Darstellung von Prütz und seinem Umfeld fast unwidersprochen in der Welt.

Die Erzählung, dass Deutsche Wohnen & Co enteignen in »Identitätspolitik« abdrifte und die Anbindung an »normale Menschen« verloren habe, macht inzwischen auch unabhängig vom Konflikt um Michael Prütz die Runde.

Jonathan: Ich würde sagen, das ist einfach Teil davon, wie die Auseinandersetzung um den Fall ideologisiert wurde. Weil es die klare Frage, was machst du mit der Wahrheitsproblematik, aufbläst zu einem Kulturkampf. Aber das Bild, dass sich an der Zusammensetzung der Kampagne in den letzten Monaten etwas grundlegendes geändert hätte, ist falsch.

Was ist eure Lehre aus der Auseinandersetzung? Wie kann eine Kampagne, die so breit angelegt ist wie Deutsche Wohnen & Co enteignen, mit solchen Situationen umgehen?

Kerrin: Es ist auf jeden Fall wichtig, im Vorfeld ein stärkeres Bewusstsein für die Problematik zu schaffen und Strukturen zu haben, in denen solche Vorfälle bearbeitet werden können. Es gibt jetzt zum Beispiel eine neue Ansprechgruppe, die sowohl ansprechbar ist für negative Erfahrungen beim Sammeln bzw. bei Haustürgesprächen, als auch bei schwierigen Situationen intern. Eine offene Debatte vorweg zu führen, ohne gleich unter großem Handlungsdruck einen Beschluss für einen Umgang herbeiführen zu müssen, hätte uns auch gut getan. Generell braucht es in Kampagnen einen bewussten Umgang mit den Machtpositionen einzelner Personen und den Mechanismen, die sie ermöglichen. Man kann viel darüber diskutieren, welche Rolle charismatische Personen in Kampagnen spielen. Es muss aber in jedem Fall verhindert werden, dass Machtpositionen ausgenutzt werden können. Das ist eine kollektive Aufgabe.

Jan Ole Arps

ist Redakteur bei ak.

* Angesichts der teils drastischen Berichterstattung über die IL möchten unsere Gesprächspartner*innen ihre Nachnamen nicht veröffentlichen, sie sind der Redaktion aber bekannt.