Grünes Licht für ein schmutziges Projekt
Kritiker*innen der Lithium-Mine im serbischen Jadar-Tal müssen mit Repression rechnen – die EU drängt dennoch auf den Abbau des begehrten Rohstoffs
Von Tatjana Mladjen
Das Jadar-Tal im Westen Serbiens ist eines der fruchtbarsten und am dichtesten besiedelten Täler des Landes – und hier lagern große Mengen des für die Energiewende so wichtigen Rohstoffs Lithium. Die Lithiumvorkommen sind seit Jahren ein Zankapfel zwischen der serbischen Regierung und den Bürger*innen des Landes (ak 680). Bereits 2002 unterzeichnete die serbische Regierung Verträge mit dem australischen Bergbaugiganten Rio Tinto, die jedoch nicht öffentlich zugänglich waren. Vor zwei Jahren kam es zu Massenprotesten gegen die Eröffnung der Lithium-Mine, die Wirkung zeigten: Die Regierung musste das Jadar-Projekt 2022 per Dekret stoppen.
Doch inzwischen wurde dieses von der Regierung wieder aufgehoben – und der serbische Präsident Aleksandar Vučić, Sieger der umstrittenen Wahlen im Dezember und Mai, treibt das Projekt seit Juni voran – mit Unterstützung der EU. Mitte Juli reisten Bundeskanzler Olaf Scholz und EU-Kommissionsvizepräsident Maros Sefcovic nach Belgrad, um mit Vučić eine Absichtserklärung zu unterzeichnen, die den umweltverträglichen Abbau des knappen und weltweit begehrten Leichtmetalls im westserbischen Jadartal ermöglichen soll.
Die serbische Regierung verspricht sich davon eine Wertschöpfungskette für Elektromobilität im eigenen Land – vom Rohstoffabbau bis zur Batteriefertigung. Das bedeutet Staatseinnahmen, Arbeitsplätze und Investitionen in Milliardenhöhe. Die Regierung erwartet, dass die Mine jährlich zwischen zehn und zwölf Milliarden Euro zum Bruttoinlandsprodukt beiträgt. Scholz sicherte Vučić unter anderem zu, dass in Serbien auch eine Batteriefabrik entstehen werde.
Bei vielen serbischen Bürger*innen rief der Besuch Empörung hervor. Obwohl das unterzeichnete Dokument nicht bindend ist, herrscht in Serbien Misstrauen. Es wird befürchtet, dass die Unterzeichnung weiterer Dokumente für Serbien nachteilig sein und Rio Tinto weitergehende Rechte zur ungehinderten Fortsetzung des Projekts erhalten könnte.
Mobilisierungen im ganzen Land
Umweltschützer*innen und Umweltorganisationen mobilisierten im ganzen Land zu Protesten – auch weil eine Forderung der Allianz der Umweltorganisationen Serbiens (SEOS) nach einem dauerhaften Verbot des Abbaus von Lithium (und Bor) von der Regierung ignoriert worden war. In mehr als dreißig Städten und Gemeinden kam es zu Protesten, die am 10. August in einer von SEOS und zahlreichen anderen Umweltorganisationen organisierten Kundgebung in Belgrad gipfelten. Unzufriedene Bürger*innen aus verschiedenen Gesellschaftsschichten und mit unterschiedlichen politischen Ansichten kamen in diesem spektakulären und gewaltfreien Massenprotest zusammen. Die Organisatoren des Protests riefen dazu auf, nach der Demonstration zwei Bahnhöfe in Belgrad als Akt des zivilen Ungehorsams zu blockieren. Die Blockaden dauerten bis zum Morgengrauen an, bis sie durch das Eintreffen einer Anti-Terror-Spezialeinheit und der Gendarmerie aufgelöst wurden. Schätzungen zufolge nahmen mehr als 40.000 Menschen an den Protesten teil.
Im Tal zeigt sich die Verschmelzung von grünem Wandel und Autoritarismus, die neue Türen zum Neokolonialismus öffnet.
Große Unterstützung erhalten die Proteste von Vertreter*innen der Fachöffentlichkeit, die das Jadar-Projekt als äußerst umweltschädlich ablehnen. So müsse Schwefelsäure eingesetzt werden, um das Lithium aus dem Gestein zu lösen. Dabei entstünden Rückstände, die noch 60 Jahre und länger nach Schließung der Mine die Umwelt belasten würden. Schon die Probebohrungen haben den Boden so verseucht, dass der Mais keine drei Zentimeter mehr wächst. Auch das Trinkwasser ist gefährdet.
Die Reaktion des Staates auf die Proteste ließ nicht lange auf sich warten: Präsident Vučić beschuldigte die Organisator*innen der Proteste, einen Staatsstreich vorzubereiten. Er stützt seine Behauptungen auf unbewiesene Informationen, die sowohl von inländischen Quellen als auch vom russischen Geheimdienst stammen sollen. Was folgte, waren Festnahmen, Verhaftungen, Verhöre, Wohnungsdurchsuchungen und sogar die Inhaftierung der Organisator*innen der Proteste. Damit verstößt der Präsident gegen die Verfassung, die den Bürger*innen das Recht einräumt, sich mit Methoden des zivilen Ungehorsams aufzulehnen.
Verunglimpfungen, Verdrehungen und Täuschungen
Bemerkenswert ist auch, dass nach Angaben der Regierung eine Liste mit 38.000 Unterschriften für ein Verbot des Lithium- und Borabbaus verschwunden sein soll. Diese waren von SEOS und der Bewegung »Move-Change« im Rahmen einer Volksinitiative gesammelt worden, über die die serbische Nationalversammlung hätte entscheiden müssen.
Präsident Aleksandar Vučić weiß, dass sogar ein Teil der Wähler*innen seiner Serbischen Fortschrittspartei die Eröffnung der Mine nicht unterstützt. Um insbesondere sie von der Solidität des Jadar-Projekts zu überzeugen, schreckt er nicht davor zurück, Unwahrheiten, Verdrehungen und Täuschungen zu verbreiten: Angeblich rücke mit dem Projekt der EU-Beitritt näher, angeblich hätten sich westliche Länder in die Proteste eingemischt und natürlich müsse man den Zusicherungen von EU und Rio Tinto glauben, dass der Lithiumabbau im Jadar-Tal ökologisch unbedenklich sei.
In der Zwischenzeit war Rio Tinto intensiv damit beschäftigt, alle Behauptungen gegen das Unternehmen und die Lithium-Mine zu widerlegen. So ging der Konzern im Juli gegen einen Artikel des Magazins »Nature« vor, in dem Wissenschaftler*innen gezeigt hatten, wie schädlich die Mine für die Umwelt ist. Vučićs rechte Hand, die Parlamentspräsidentin Ana Brnabic, sekundierte und verunglimpfte den Text des Magazins per Tweet. Ein anderer Wissenschaftler, der Ökonom Aleksandar Matković, erhielt sogar Morddrohungen. Er hatte in einem Essay geschrieben: »Vučić sieht Elektrofahrzeuge wahrscheinlich als Voraussetzung für die Fortsetzung seines autoritären Regimes. Hier haben wir eine Verschmelzung von grünem Wandel und Autoritarismus …, die neue Türen zum Neokolonialismus öffnet.«
Die Kritiker*innen lassen sich dadurch nicht einschüchtern. Am 1. September hatte es in Belgrad erneut Demonstrationen gegeben, weitere sind geplant.