Wer aufmuckt, wird gekündigt?
Über die Entlassung einer Hamburger Krankenpflegerin, Solidarität und die Kämpfe im Gesundheitswesen
Mitten in der zweiten Welle der Pandemie kündigten die Asklepios Kliniken Hamburg der Krankenpflegerin und Betriebsrätin Romana Knezevic, als Reaktion auf ein Interview Mitte Dezember. Es folgte nicht nur ein juristischer Streit, sondern auch eine öffentliche Auseinandersetzung über den Umgang mit Krankenhausbeschäftigten.
Bereits im November hatte die Hamburger Krankenhausbewegung Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) und Politiker*innen des rot-grünen Senats eingeladen, sich die Probleme anzuhören – Tschentschers Büro hatte mit einer einzeiligen Absage reagiert. Daraufhin ging der Zusammenschluss von Beschäftigten an die Öffentlichkeit: Im Hamburg Journal des NDR verwies Knezevic als Sprecherin der Krankenhausbewegung auf den seit Jahren bestehenden Personalmangel, der sich nun weiter zugespitzt hat, sowie die daraus resultierende Unterversorgung von Patient*innen. Konkret sprach sie von zeitraubenden Reinigungsarbeiten, fehlender Sterbebegleitung und Betreuungsschlüsseln, bei denen mitunter eine Pflegekraft für bis zu fünf Patient*innen zuständig ist. Die Antwort erfolgte prompt. Zunächst durfte ein Chefarzt im Hamburg Journal die Lage schönreden und Knezevic der Lüge bezichtigen. Dann stellte sich die Sozialbehörde hinter das Unternehmen (der Stadt gehören seit der Privatisierung von 2007 noch 25 Prozent der Anteile). Und schließlich folgte die Kündigung.
Einschüchterungsversuche gegenüber kritischen Beschäftigten durch Asklepios sind nichts Neues. Die Kündigung trieb dies auf die Spitze: Wer den Mund aufmacht, wird entlassen. Die Unverfrorenheit, einer Pflegerin mitten auf dem Höhepunkt einer Pandemie zu kündigen, stieß aber auf breite Empörung. Kolleg*innen von Romana solidarisierten sich vor laufender Kamera, über 40 Organisationen und Prominente unterschrieben einen Appell des Hamburger Bündnisses für mehr Personal im Krankenhaus, und über 10.000 Menschen unterzeichneten bislang die Petition »Krankenhausbeschäftigte fordern Mitsprache und Entlastung – Schluss mit Einschüchterungen«. Den Januar über organisierte die Krankenhausbewegung eine Mahnwache vor der Asklepios Klinik St. Georg, die zur Anlaufstelle zahlreicher Solidaritätsbekundungen, zum Teil sogar aus anderen Städten, wurde. Aktuell wird der Fall vor dem Arbeitsgericht verhandelt.
Das alles sind starke Zeichen, dass Pfleger*innen und Krankenhausbeschäftigte nicht mehr allein dastehen in ihrem Kampf für bessere Arbeitsbedingungen und eine solidarische Gesundheitsversorgung. Dieser Kampf hat sich in den letzten Jahren intensiviert – zum einen in der Form von Tarifauseinandersetzungen, zum anderen in Form politischer Proteste, von symbolischen Aktionen bis zu Volksinitiativen. Dabei ging es vor allem um die Forderung nach mehr Personal, aber auch um die Abschaffung des 2003 eingeführten Finanzierungssystems der Fallpauschalen (DRGs), das die Ökonomisierung und damit einhergehenden Stellenabbau in den Kliniken massiv vorangetrieben hat.
Im Rahmen der Pandemie hat sich dieser Kampf vor allem auf Fragen des unmittelbaren Gesundheitsschutzes, etwa die mangelhafte Ausstattung mit Schutzkleidung, konzentriert. Ein durchgängiges Thema ist weiterhin die Überlastung vieler Beschäftigter, die sich mit der Pandemie etwa durch Zwölf-Stunden-Schichten oder die Aussetzung der Personaluntergrenzen noch verschärft hat. Laut einer aktuellen Studie der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) sehen 71 Prozent der befragten Pfleger*innen die Versorgungsqualität aufgrund der erhöhten Arbeitsbelastung beeinträchtigt. Eine Folge ist der »Pflexit«, der Ausstieg aus dem Beruf. Einerseits individueller Ausdruck von Verweigerung unzumutbarer Arbeitsbedingungen, führt er doch gleichzeitig dazu, dass Druck abgelassen wird, ohne dass es zu Veränderungen kommt. Dennoch ist es in den letzten Jahren in vielen Kliniken zu Entlastungsstreiks für mehr Personal gekommen, und auch 2021 könnten Streiks bevorstehen. Als Linke, Feminist*innen und Gewerkschafter*innen sollten wir solche Kämpfe aktiv und über die Grenzen unserer jeweiligen politischen Arbeitsfelder hinweg unterstützen.
Noch ist es nicht gelungen, eine breite soziale Bewegung auf die Beine zu stellen, so wie es etwa in antirassistischen oder Klima-Kämpfen der Fall ist. Die Empörung über die Kündigung von Romana und die aktuelle Aufmerksamkeit für die Lage in den Krankenhäusern bieten eine Gelegenheit, das von Privatisierung, Profitorientierung und der Marginalisierung weiblicher* Beschäftigter geprägte Gesundheitssystem als Ganzes infrage zu stellen. Was nötig ist, ist ein Gewinnverbot im Gesundheitswesen und die Vergesellschaftung von Krankenhäusern. Eine solche Perspektive ermöglicht es auch, die Brücke zu anderen Kämpfen, etwa um Wohnraum, zu schlagen. Wenn es gelingt, das aktuelle Aufmerksamkeitsfenster in diesem Sinne zu nutzen, könnte sich der Kündigungsversuch gegen Romana als Bumerang für die Klinikkonzerne erweisen.