Auf die Barrikaden oder doch zur Grünen Jugend?
Vor einigen Wochen warnten Springer & Co. erneut vor einer »Klima-RAF«. Schaut man sich die Politik der Herrschenden an, wären ein paar gesprengte SUVs oder entführte Konzernbosse sicherlich keine tiefgreifende Lösung der globalen Probleme, die schlechteste Option wäre es aber nicht.
Ein internationales Forschungsteam hat ein neues Modell zu den planetaren Grenzen entwickelt und dabei neue Kriterien aufgestellt. Der Klimawandel ist in diesem Modell nur einer von neun Faktoren, die das Überleben der Menschheit gefährden. Weitere Kriterien sind: biogeochemische Kreisläufe (insbesondere von Stickstoff und Phosphor), Veränderungen im Land-System, Wasserverbrauch, Aerosolbelastung, Ozonabbau, Ozeanversauerung, Verlust der Biosphärenintegrität einschließlich der Artenvielfalt sowie die Einführung neuer Elemente wie giftige Chemikalien und Kunststoffe. Sechs der Belastungsgrenzen wurden bereits überschritten.
War die Überschwemmung Pakistans vor einem Jahr deutschen Medien noch Meldungen wert, so werden die Folgen der Flut kaum thematisiert: 71 Prozent der pakistanischen Haushalte sind von Ernährungsunsicherheit betroffen, Prognosen zufolge könnten weitere Überschwemmungen allein in Pakistan neun Millionen Menschen in Armut treiben. Die Waldbrände in Kanada wurden erst relevant, als New York in Rauch gehüllt war. Das Dystopische an der Situation, dass Menschen weiter durch giftigen Rauch zur Lohnarbeit marschierten, als ob nichts wäre, wurde nicht mal thematisiert. Die Katastrophe wird zur neuen Normalität.
Auch im kriegszerrütteten Libyen kam es im September zu einer verheerenden Überschwemmung. Allein in der Hafenstadt Darna wird von über 30.000 Menschen ausgegangen, die durch die Wassermassen obdachlos wurden, über 5.000 Menschen sind gestorben, mehr als 10.000 Menschen werden vermisst.
Die Katastrophen sind auch in Deutschland längst angekommen. Von der Überflutung des Ahrtals bis hin zur Dürre, die dank Tesla und trotz verregnetem Sommer zumindest in Brandenburg weiter anhält, ist auch hier die Bevölkerung längst vom Klimawandel betroffen.
Angesichts der vielfältigen Krisen stellen sich viele Menschen die Frage: »Was tun?« Große Entscheidungsmöglichkeiten bleiben dem Individuum nicht, ob es sich an Wahlen beteiligt oder ohnehin der Überzeugung ist, dass durch Wahlen nichts veränderbar sei. Schaut man sich die Politik an, kann nur resigniert zugestimmt werden. Die herrschende Klasse führt die Menschheit mit wehenden Fahnen und im vollen Bewusstsein lachend in den Untergang.
Offensichtlich sind große Massenproteste wie Fridays-for-Future-Demonstrationen, Proteste der Letzten Generation, Blockaden in Lützerath oder Bewegungen wie Ende Gelände realpolitisch nicht so wirksam, wie es nötig wäre: Weder motivieren sie die Herrschenden zu einer Änderung ihrer profitgetriebenen Lebens- und Regierungsweise noch konnten sie langfristig ausreichend Menschen mobilisieren, um überhaupt von etwas wie Selbstverwaltung, Autonomie oder gar dem Umsturz der herrschenden Ordnung zu träumen.
Nimmt man Marx Prämisse »Die Geschichte der Menschheit ist eine Geschichte des Klassenkampfs« ernst, wird deutlich: Trotz aller Unterdrückung und Krisen gab es immer auch Widerstand – und wird es auch künftig geben.
Dies haben auch einige der Klimaaktivist*innen aufgegeben: Die Letzte Generation wendet sich mit Bitten an den bürgerlichen Staat, die Grüne Jugend fordert in einem Positionspapier sichere Arbeitsplätze nach der Verkehrswende statt der Überwindung des Kapitalismus und auch Fridays for Future bleiben im Korsett von Kapital- und Staatsglaube gefangen und versuchen, den Politiker*innen nur das richtige Bewusstsein aufzuschwatzen.
Stattdessen ist zu beobachten, wie die zahllosen Katastrophen an einem vorbeiziehen, zu kaum noch erinnerbaren Ereignissen im Wust von Zerstörung und Leid werden. Um all das zu ertragen, wird sich von politischer Arbeit ab- und religiös-spirituellen Erzählungen zugewandt. Immer mehr stellen das Private in den Mittelpunkt, verdrängen das Elend und stumpfen ab.
Nimmt man Marx Prämisse »Die Geschichte der Menschheit ist eine Geschichte des Klassenkampfs« ernst, wird deutlich: Trotz aller Unterdrückung und Krisen gab es immer auch Widerstand – und wird es auch künftig geben.
Da kämen ein paar militante Aktionen ganz recht. Einerseits als Erinnerung an Chefs und Politiker*innen (die Grenzen sind bekanntlich fließend), dass sie ihre Schweinereien nicht ohne Konsequenzen durchziehen können. Andererseits als Motivationsschub und Erinnerung für Linke, das Widerstand und Kämpfe für ein besseres Morgen möglich sind.