Kasachstan nach dem Aufstand
Einschätzungen und Berichte von Anarchist*innen aus Russland und Almaty
Von CrimethInc.
Seit Beginn des Aufstands in Kasachstan veröffentlicht die anarchistische Plattform CrimethInc. Berichte und Einschätzungen von russischen Anarchist*innen und Anarchist*innen vor Ort. Am 12. Januar erschien bei CrimethInc. neben mehreren ausführlichen Kommentaren ein Interview mit zwei anonymen Anarcha-Feministinnen aus Almaty. Wir geben Auszüge in deutscher Übersetzung wieder.
Denjenigen, die Verschwörungstheorien darüber verbreiten, dass die USA versuchen, eine »Farbenrevolution« in Kasachstan zu inszenieren, sei gesagt, dass die Proteste als Reaktion auf die Streichung der Subventionen für Gas durch die Regierung begannen, das in Kasachstan im Rahmen eines profitablen Staatsmonopols gefördert wird. Diejenigen, die die Regierungen Kasachstans und Russlands verteidigen, verteidigen die repressiven Kräfte, die den Arbeiter*innen neoliberale Sparmaßnahmen aufzwingen.
Das soll nicht heißen, dass die Zusammenstöße in Kasachstan einen einheitlichen antikapitalistischen Kampf darstellen. In den glaubwürdigsten Berichten über die Zusammensetzung der Proteste wird eingeräumt, dass es ein breites Spektrum an Teilnehmer*innen gab, die unterschiedliche Taktiken einsetzten, um unterschiedliche Ziele zu erreichen. Eine Krise wie der Aufstand in Kasachstan legt alle Verwerfungen innerhalb einer Gesellschaft offen. Jeder bestehende Konflikt wird auf die Spitze getrieben: ethnische und religiöse Spannungen, Rivalitäten zwischen den herrschenden Eliten, geopolitische Kämpfe um Einfluss und Macht. In Kasachstan wird wegen der verfestigten autoritären Machtstruktur zudem jeder Kampf sofort zu einem Alles-oder-Nichts-Unterfangen.
Was am 1. Januar als Protest gegen die steigenden Lebenshaltungskosten begann, eskalierte daher schnell zu einem landesweiten Aufstand, der mit einer Kombination aus in- und ausländischer Militärgewalt brutal niedergeschlagen wurde. Den Demonstrant*innen gelang es zwischenzeitlich, der Polizei Waffen abzunehmen und sich zu wehren, Geschäfte zu plündern und städtische Gebäude niederzubrennen oder zu besetzen.
Von Beginn der Kämpfe an stellten sowohl kasachische als auch ausländische Medien Behauptungen über die Identität der Demonstrant*innen auf. Die Beschreibungen reichten von »Demonstranten«, »aggressiven Jugendlichen« und »Marodeuren« bis hin zu »nationalistischen Banden«, »20.000 Banditen, die Almaty angreifen« und »islamischen Terroristen«. Es stimmt, dass eine Vielzahl von Gruppierungen an dem Aufstand beteiligt war – eine ganze Gesellschaft war dort vertreten, mit all ihren Unterschieden und Widersprüchen.
Anarchist Fighter, eine anarchistische Plattform, die von Russland aus die Ereignisse beobachtet, schreibt auf ihrem Telegram-Kanal: »Der Journalist Maksim Kurnikov sagte in der Morgensendung von Echo Moskwy, dass der Plan, ›Waffen aus Waffenlagern zu nehmen und dann Sicherheitskräfte anzugreifen‹, in Kasachstan nicht neu sei. Genau dasselbe geschah im Juni 2016 in der Stadt Aktobe: Mehrere Dutzend junge Männer erbeuteten Waffen aus zwei Waffenläden, beschlagnahmten Fahrzeuge und griffen damit die Nationalgarde an, von der sie besiegt wurden. Kurnikov sprach auch von paramilitärischen Wachmannschaften bei illegalen Ölraffinerien in Westkasachstan, die sich aus Dorfbewohnern zusammensetzen, die von den kasachischen Städter*innen abschätzig ›Mambets‹ (Kolchosebauern) genannt werden. Diese Gruppen hätten sich gelegentlich auch bewaffnete Auseinandersetzungen mit Polizeibeamten geliefert.
Wenn Verschwörungstheorien die Teilnehmer*innen des Aufstands so sehr in Zweifel ziehen, dass sie Menschen davon abhalten, die Demonstrant*innen zu unterstützen, dann haben sie ihr Ziel erreicht.
Es gibt in der kasachischen Gesellschaft also grundsätzlich organisierte Gruppen, die zu aktivem bewaffneten Widerstand fähig sind. Es ist wahrscheinlich, dass es sich bei den Personen, die sich auf eine direkte Konfrontation mit den Sicherheitskräften einließen, zum Teil um Angehörige solcher Gruppen und zum Teil um spontane, selbst organisierte Demonstranten handelte. Es besteht eine Analogie zum Maidan 2014 in Kiew, wo die Verteidigung sowohl spontan von der Menge als auch unter Beteiligung radikaler Gruppen, die sich anschlossen, organisiert wurde.«
Die Gerüchte über Konflikte innerhalb des Machtblocks in Kasachstan und die Spekulationen über geopolitische Pläne, die beim Aufstand im Spiel sind, könnten alle wahr sein. Aber diese Gerüchte und Spekulationen in den Mittelpunkt der Erzählung über die Geschehnisse zu stellen, ist eine Entscheidung, den zahllosen einfachen Menschen, die aus ihren eigenen Gründen am Aufstand teilgenommen haben, ihre Handlungsfähigkeit abzusprechen. Wie alle Verschwörungstheorien geht auch diese davon aus, dass die einzigen Menschen, die etwas mit der Situation zu tun haben, schattenhafte globale Mächte sind. Solche Erzählungen dienen dazu, die Ereignisse zu beeinflussen – und die Art und Weise, wie andere sich mit ihnen auseinandersetzen. Wenn diese Verschwörungstheorien die Teilnehmer*innen des Aufstands so sehr in Zweifel ziehen, dass sie Menschen davon abhalten, die Demonstrant*innen zu unterstützen, die sich gegen wirtschaftliche Ausbeutung und politische Herrschaft zur Wehr setzen, dann haben sie ihr Ziel erreicht.
Wie haben Augenzeug*innen in Almaty den Aufstand erlebt?
Um mehr über die Ereignisse in Kasachstan zu erfahren, haben wir uns an zwei Anarcha-Feministinnen aus Almaty gewandt, die einige Situationen des Aufstands miterlebt haben. Sie waren nicht bei den Zusammenstößen dabei, aber beteiligen sich seit Jahren an den linken feministischen Aktivitäten in der Stadt, früher bei Kazfem, der wohl ersten feministischen Bewegung in Kasachstan seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion – sie gibt die feministische Zeitschrift Yudolʼ heraus und organisiert Demonstrationen, zum Beispiel zum 8. März. Sie vertreten, nach allem, was wir finden konnten, am ehesten einen »neutralen« Standpunkt zu den Ereignissen.
Stellt euch und die Situation, aus der ihr sprecht, bitte kurz vor.
Antwort: Wir sind zwei Anarchistinnen aus Kasachstan. Wir haben in den letzten elf Jahren an vielen linken Anarcha-Fem-Öko-, Tierbefreiungs- und Vegan-Aktivitäten in Almaty teilgenommen, aber im Moment sind wir nicht so aktiv. Mir ist keine anarchistische Bewegung in Kasachstan im 21. Jahrhundert bekannt. In den 1990ern gab es einige Aktivitäten im Untergrund, aber aktuell gibt es nichts dergleichen. Ich habe früher an einer linken marxistischen Gruppe teilgenommen: Treffen, ein Lesekreis, einige öffentliche Vorträge. Ich weiß nicht, was die Ex-Mitglieder jetzt machen. Ich höre nichts von irgendwelchen »linken« Gruppen hier. Ich war eine der Organisatorinnen einer der ersten feministischen Bewegungen in Kasachstan – Kazfem. Wir haben öffentliche Aktionen und Performances, zum Beispiel zum 8. März, organisiert und die feministische Zeitschrift Yudolʼ herausgegeben.
Es gibt hier eine liberale Jugendbewegung namens Oyan Kazakhstan (»Wach auf, Kasachstan«), die jetzt aktiv ist. Sie organisiert Versammlungen, Performances und Demos und wird oft von der Polizei schikaniert. Sie entstand nach der Banneraktion, die Beibarys Tolymbekov und Asya Tulesova beim Stadtmarathon 2019 durchführten. Sie hatten entlang der Marathonstrecke in Almaty ein Transparent mit der Aufschrift »Du kannst nicht vor der Wahrheit davonlaufen« aufgehängt – ein Kommentar zu den Präsidentschaftswahlen – und wurden dafür 15 Tage ins Gefängnis gesteckt, was vor allem in den sozialen Medien große Aufmerksamkeit auslöste.
Vor zehn oder sogar fünf Jahren waren mehr Menschen dem Präsidenten gegenüber loyal. Damals gab es die Hoffnung, dass Kasachstan sich »entwickeln« würde, dass es bald besser werden würden. Selbst bei den Ereignissen in Zhanaozen im Jahr 2011, als protestierende Arbeiter erschossen wurden, gab es nur sehr wenig Unterstützung aus Almaty. Viele Menschen waren der Meinung, dass das, was dort geschah, richtig war. Wenn es früher Proteste gab, wurden sie von der älteren Generation, von Arbeiter*innen und Menschen aus den Regionen, den Auls (Dörfern), organisiert und unterstützt, in der Regel angeführt vom zwielichtigen Oppositionsführer Muchtar Obljasow. Doch in den letzten drei Jahren sind junge Menschen aus der städtischen Mittelschicht zu politischen Aktivisten geworden. Übrigens glaube ich, dass die ökologischen Probleme in Almaty – die Umweltverschmutzung ist extrem und wird von Jahr zu Jahr schlimmer – neben den sozialen Medien der Hauptgrund für die Jugendproteste hier sind.
Erzählt uns, was ihr in der ersten Januarwoche in Almaty erlebt habt.
Kurz nach Neujahr erreichten uns Nachrichten über einen Arbeiteraufstand in Zhanaozen. Der Protest war friedlich, aber die Forderungen waren ziemlich radikal – von niedrigeren Gaspreisen bis zum Rücktritt der Regierung. Auch in anderen Städten begannen Proteste. Es wurde bekannt, dass es am 4. Januar Solidaritätsaktionen in Almaty geben würde, aber ich hatte keine genauen Informationen. Auf dem Heimweg erfuhr ich von Protesten in verschiedenen Teilen der Stadt und von der Verhaftung von Aktivist*innen von Oyan Kazakhstan. Am Abend gingen alle Internetverbindungen offline.
Die ganze Nacht über hörte man von Explosionen. Ich weigerte mich erst, das zu glauben. Ich rief einen halben Tag lang alle an, hörte von Opfern. Das Akimat (Rathaus) wurde besetzt. Alle versuchten, uns zu überreden, zu Hause zu bleiben. In der Annahme, dass die Proteste einen nationalistischen Charakter haben könnten, begannen einige Leute, Angst zu bekommen (ich bin ethnische Russin in Kasachstan). Es gab keine Informationen darüber, wer sich zu diesem Zeitpunkt auf dem Platz oder in der Stadt aufhielt. Meine Freundin und ich beschlossen, uns selbst ein Bild zu machen.
Am Denkmal für die Ereignisse von 1986, dem Aufstand gegen das Sowjetregime, trafen wir auf Demonstrierende mit Polizeischilden. Es war kein einziger Polizist oder Soldat zu sehen. Dann sahen wir das Akimat brennen.
Anarchistin aus Almaty
Die Stadt war halb leer. Autos mit kasachischen Fahnen fuhren durch die Straßen, fröhliches Rufen, alles war geschlossen. An den Türen hingen Schilder mit der Aufschrift »Wir sind mit dem Volk«. Eine Atmosphäre der Aufregung. Als wir uns dem Platz näherten, sahen wir Gruppen junger Männer, manche hatten Stöcke in der Hand. Ich sah einen Schulterriemen der Polizei auf der Straße liegen. Es war ein bisschen unheimlich, aber niemand war aggressiv. Am Denkmal für die Ereignisse von 1986, dem Aufstand gegen das Sowjetregime, trafen wir auf Demonstrierende mit Polizeischilden. Es war kein einziger Polizist oder Soldat zu sehen. Dann sahen wir das Akimat brennen. Wir trauten unseren Augen nicht. Jemand schlug die Türen des Gebäudes gegenüber des Akimat ein. Dort befinden sich Fernsehsender und andere staatliche Einrichtungen. Wieder kamen Männer auf uns zu: »Warum seid ihr hier?« (Sie meinten: Warum seid ihr gekommen, wo ihr doch russisch seid?) »Das ist meine Stadt und mein Land und auch Ihres«, antwortete ich. Sie begrüßten uns fröhlich.
Wir boten den Demonstrierenden heißen Tee an. Ein Mann erzählte uns, dass er von Anfang an bei den Protesten dabei war, dass alles friedlich begann, bis die Behörden anfingen, Blendgranaten zu zünden und Gewalt anzuwenden. Lediglich in der Nähe des Akimat-Gebäudes blieben Sicherheitskräfte. Er und andere Männer dort hatten gesehen, wie Menschen in den Kopf geschossen wurde. Sie riefen Taxis, um sie ins Krankenhaus zu bringen. Er erzählte uns, dass sie planten, den Flughafen zu besetzen, damit das russische Militär dort nicht landen könne. Viele hochrangige Regierungs- und Geschäftsleute hatten das Land bereits mit Privatflügen verlassen.
Keiner der Menschen, die wir auf dem Platz sahen, wirkte wie ein »Plünderer«. Sie wollten den Rücktritt der Regierung. Niemand hatte den Befehl dazu erteilt. Dies war ein landesweiter Arbeiter*innenaufstand. Niemand hatte Angst zu sterben, aber wir sahen auch keine Wut. Sie zeigten uns Verletzungen durch Gummigeschosse und warnten uns, dass es bald zu Schießereien kommen würde und dass es besser wäre, wenn wir gehen würden. Geräusche von Explosionen und Schüssen kam immer näher, also gingen wir. Ein Mann nahm uns in seinem Auto mit. An diesen Tagen zeigten sich die Menschen untereinander sehr solidarisch.
Meine Freund*innen und ich beschlossen, zusammen in meinem Haus außerhalb des Stadtzentrums zu bleiben. Wir waren alle aufgeregt. Um Mitternacht, zwischen dem 5. und 6. Januar, wurden alle Internetverbindungen gekappt. Vier Tage waren wir isoliert; wir konnten nur noch telefonieren, und auch das funktionierte nicht gut. In dieser Nacht verließen alle öffentlichen Dienste die Stadt, einschließlich der Feuerwehr und der medizinischen Versorgungsdienste. Freiwillige löschten die Brände. Außerdem versuchten einige Demonstrierende, »Räuber« zu stoppen.
Am 7. Januar funktionierten einige Geschäfte und Geldautomaten fernab des Stadtzentrums noch. In diesem Teil der Stadt war größtenteils alles ruhig und aufgeräumt, mit Ausnahme der ausgebrannten Regierungsgebäude. Am Vortag war es möglich gewesen, in die Gebäude zu gelangen, sie wurden nicht bewacht. Diesmal machten wir ein paar Fotos, dann war in der Nähe ein Schuss zu hören, und wir verließen den Ort. Am Abend des 9. Januar war es möglich, über Proxy-Dienste eine Internetverbindung herzustellen. Eine mobile Verbindung war immer noch nicht verfügbar. Am Morgen des 10. Januar funktionierte die Verbindung überall, allerdings nur bis 13 Uhr und dann von 17:30 bis 19:30 Uhr.
Was wisst ihr über die innere Dynamik des Aufstands?
Jeder außerhalb Kasachstans versucht zu analysieren, was vor sich geht. Ich denke, dass selbst wir, die Einwohner des Landes, noch lange nicht verstehen werden, was genau passiert ist. Abgesehen davon, dass es jetzt keine stabile Internetverbindung gibt, werden alle Nachrichtensender stark zensiert, und es wird noch schlimmer werden.
Wir können nichts mit Sicherheit sagen, außer einer Sache: Dieser Protest hatte keinen öffentlichen Anführer.
Anarchistin aus Almaty
Das Erschreckende an ist, dass Zehntausende Menschen beteiligt waren und ihre guten Absichten, die sozialen und politischen Verhältnisse zum Wohle aller zu verändern, nun von einigen wenigen dazu benutzt werden, die Ressourcen des Landes neu unter sich aufzuteilen. Wir können jetzt nichts mit Sicherheit sagen, außer einer Sache: Dieser Protest hatte keinen öffentlichen Anführer, und die Straßenunruhen und Besetzungen von Verwaltungsgebäuden hatten keine klaren Forderungen. Aber es gab Morde und viele Opfer in der Bevölkerung, erst in den Kämpfen mit der Polizei, dann, als die Polizei abgezogen war, untereinander auf den Straßen und schließlich durch die Erschießung von Zivilist*innen durch die Streitkräfte Kasachstans und der OVKS.
Die Massenmedien, die weiter arbeiten durften, begannen, über Radikale und Islamisten zu berichten und dabei das Bild des Feindes von außen zu zeichnen. Davor, in den ersten Tagen der Proteste, gab es einen Diskurs, in dem zu einem »friedlichen Dialog mit den Demonstranten« aufgerufen wurde – und einen Tag später gab es bereits den Schießbefehl. Nach dem Einmarsch der OVKS-Truppen und zwei Tagen ständiger Schießereien auf den Straßen setzte Tokajew die Demonstranten mit Terroristen gleich, ebenso Aktivisten und Menschenrechtler, und unabhängige Medien wurden zu einer Bedrohung für die Stabilität erklärt. Im Zuge dieser Feindbildsuche ändert sich der staatliche Diskurs ständig: Gestern waren es angeblich Arbeitslose aus Kirgisistan, denen Geld geboten wurde, heute sind es Radikale aus Afghanistan.
Was könnt ihr uns über die Repressionen sagen?
Der kirgisische Musiker Vicram Ruzakhunov wurde von den kasachischen Behörden als »Terrorist« verhaftet, gefoltert und gezwungen, ein Video aufzunehmen und zu »gestehen«. Jetzt ist er wieder frei. Der unabhängige Lokaljournalist Lukpan Akhmediyarov wurde verhaftet. Ein anderer unabhängiger Journalist, Makhambet Abjan, teilte mit, dass am 5. Januar die Polizei in seiner Wohnung war; nun wird er vermisst. Meine Freund*innen und viele andere Menschen berichten, dass auch ihre Verwandten und Freund*innen vermisst werden. Die Behörden haben bereits den Tod hunderter Menschen bestätigt, darunter zweier Kinder. Gewerkschafter*innen werden vermisst, darunter Kuspan Kosshigulov, Takhir Erdanov und Amin Eleusinov und seine Angehörigen. In Almaty wurde auf Journalisten des Kanals Dozhdʼ, die versuchten, in der städtischen Leichenhalle zu filmen, geschossen (sie wurden nicht verletzt). Am 6. Januar waren auf dem Platz einige Aktivisten, die ein Transparent trugen mit der Aufschrift »Wir sind keine Terroristen«. Die Polizei schoss auf sie und tötete mindestens einen.
Jetzt ist es wichtig, dass der blutige Januar in Kasachstan nicht nur ein schönes revolutionäres Bild war, wie viele linke Publikationen schreiben, sondern auch, dass er nicht als ein terroristischer Akt von außen in Erinnerung bleibt.
Anarchistin aus Almaty
Was glaubt ihr, wird als Nächstes passieren?
Es ist noch zu früh, um sich in einer Situation von Informationskrieg, Propaganda und Isolation eine Vorstellung zu machen. Sicher wird die Repression zunehmen. Das Internet und alle Medien werden zensiert werden. Ich denke, dass es vorerst ruhig bleiben wird. Die Menschen sind verängstigt und schockiert.
Gibt es irgendetwas, was Leute außerhalb Kasachstans tun können, um euch oder andere dort zu unterstützen?
Informationen verbreiten. Vielleicht wird es bald mehr Repressionen geben, und einige Aktive werden Hilfe benötigen, um das Land zu verlassen. Aber das wichtigste ist die Informationsarbeit. Nach den Präsidentschaftswahlen 2019 wurden wir alle bei den Kundgebungen verhaftet, und die einzigen, die darüber berichteten, waren ausländische Medien und unabhängige kasachische Medien – von denen es nur sehr wenige gibt. Jetzt ist es sehr wichtig, dass der blutige Januar in Kasachstan nicht nur ein schönes revolutionäres Bild war, wie viele linke Publikationen schreiben, sondern auch, dass er nicht als ein terroristischer Akt von außen in Erinnerung bleibt, wie offizielle Stellen aus diversen Ländern Glauben machen wollen.
Die englische Langfassung des Artikels gibt es hier. Übersetzung: Jan Ole Arps
Inzwischen gibt es auch eine vollständige deutsche Übersetzung des Originaltextes.