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Im Rechtsstaats-TÜV durchgefallen

Das Bundesverfassungsgericht hat die Auslieferung von Maja T. für unzulässig erklärt

Von Carina Book

Die Richter in Karlsruhe erklärten die Auslieferung von Maja T. für unzulässig. Foto: Benutzer:Evilboy - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0 de, Link

Es ist einer der größten Justizskandale der jüngeren Geschichte: Im Juni vergangenen Jahres wurde die nicht-binäre Person Maja T. entgegen einer Eilentscheidung des Bundesverfassungsgerichts von einem Nacht-und-Nebel-Kommando ins queerfeindliche Ungarn ausgeliefert. Nun entschied das Bundesverfassungsgericht in der Grundsache: Unter Bezugnahme auf Artikel 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, der das Verbot der Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung regelt, erklärte das Bundesverfassungsgericht die Auslieferung für unzulässig.

Heißt das nun Aufatmen für Maja T.? Nein, denn die in der Nacht-und-Nebel-Auslieferung geschaffenen Fakten kann auch das höchste deutsche Gericht nicht rückgängig machen. Die Karlsruher Richter stellten fest, dass die »für zulässig erklärte Überstellung nach Ungarn« stelle »einen tiefgreifenden Grundrechtseingriff dar, der weiterhin fortwirkt.« Denn Maja T. befindet sich in ungarischer Isolationshaft.

Statt vor einer Rückkehr nach Deutschland steht Maja T. vor einem zynischen »Angebot«: Mit einem Geständnis würde Maja T. eine Haftstrafe von 14 Jahren unter verschärften Haftbedingungen akzeptieren und auf die Durchführung des Gerichtsverfahrens verzichten; verweigert Maja ein Geständnis, drohen 24 Jahre. Laut Sven Richwin, Strafverteidiger von Maja T., hat das Gericht nun einen ersten Anhörungstermin auf den 21. Februar 2025 festgesetzt.

Das Auswärtige Amt, das bisher keinerlei Anstrengungen unternommen hat, Maja T. zurückzuholen, muss das Urteil des Bundesverfassungsgerichts nun als Arbeitsauftrag verstehen. Die Bundesregierung muss gegenüber Ungarn unmissverständlich klarstellen, dass die fortgesetzte Inhaftierung von Maja T. auf einem eklatanten Rechtsbruch basiert. Die diplomatischen Kanäle müssen endlich genutzt werden, um eine sofortige Rückkehr nach Deutschland zu erwirken.

Die systematischen Rechtsverstöße in Ungarn sind hinreichend dokumentiert, ebenso wie die gezielte Verfolgung von politischen Gegner*innen und queeren Menschen unter der Regierung Orbán. Dass das Berliner Kammergericht, die Soko Linx dies völlig ignorierte und den unbedingten Willen hatte, Menschen an ein autoritäres Regime auszuliefern, ist ein Skandal, der politische Konsequenzen haben muss.

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist nicht nur eine späte Korrektur, sondern auch eine unmissverständliche Mahnung hinsichtlich weiterer noch laufender Auslieferungsverfahren im Budapest-Komplex: Deutschland darf sich nicht weiter zum Erfüllungsgehilfen eines autoritären Staates machen. Es ist höchste Zeit, dass Maja T. in Sicherheit gebracht wird – alles andere wäre ein weiterer Akt des institutionellen Versagens.

Carina Book

ist Redakteurin bei ak.