Fridays for Past, Present and Future
Abena Kennedy-Asante erklärt, warum die Klimakrise jetzt schon vor allem Schwarze, Indigene und Menschen of Colour trifft
Interview: Paul Dziedzic
Wie global denkt die Umweltbewegung? Im Gespräch mit Rebecca Abena Kennedy-Asante vom BPoC Environmental Climate Justice Kollektiv Berlin geht es um die soziale Krise hinter der Klimakrise.
Ihr wart beim Klimastreik am 20. September 2019 mit einem eigenen Block und du hast auf der Bühne gesprochen. Würdest du jetzt sagen, dass ihr Teil von Fridays for Future (FFF) seid?
Abeni: Die einleitenden Worte des Redebeitrags waren »Für uns heißt diese Veranstaltung nicht Fridays for Future. Für uns heißt diese Veranstaltung Fridays for Past, Present and Future, weil der Globale Norden uns und unseren Familien die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft klaut.« Bei Fridays for Future gehen mehrheitlich weiße, privilegierte junge Menschen auf die Straße und demonstrieren für ihre Lebensgrundlagen in der Zukunft. Das ist nur ein Teil der Perspektive von Schwarzen Menschen und People of Colour. Denn die Lebensgrundlagen von Menschen im Globalen Süden werden einfach schon seit Jahrhunderten zerstört. Unser Haus brennt schon seit 500 Jahren, denn Versklavung und Kolonialismus gehen mit der Zerstörung der Umwelt und dem Raubbau an Ressourcen einher. Auch in der Gegenwart brennen Häuser und Wälder in Angola und dem Amazonas. Deshalb ist es für uns nicht nur Fridays for Future.
Rebecca Abena Kennedy-Asante (Abeni)
studierte Naturheilverfahren, Naturschutz und Ökologie in Berlin und Potsdam. Abeni interessiert sich für Bewegungen, die antirassistisch, queer*feministisch und ökologisch handeln und ist Teil des BPoC Environmental and Climate Justice Kollektivs Berlin. Es beschäftigt sich unter anderem mit Nachhaltigkeit, Veganismus, Umwelt- und Klimagerechtigkeit aus Schwarzen Perspektiven.
Aus der Perspektive von FFF könnte es heißen, am Ende sind wir alle von Klimawandel und Umweltzerstörung betroffen. Wie siehst du das?
Ich frage mich dann, was »am Ende« bedeutet, wer »alle« sind und in welchem Ausmaß wer leidet. In Klimadebatten wird über Schwellenwerte wie 2°C Lufterwärmung gesprochen, das sind jedoch globale Durchschnittswerte. In Mali beispielsweise bedeutet dieser Wert eine Lufterwärmung von 3°C, welche zu einer Halbierung der Maisernten und einer Reduktion der Grundwasseranreicherung um 60 Prozent führt. Weltkarten über die Verwundbarkeit zeigen, dass Länder im Globalen Süden am stärksten von Klimawandelfolgen betroffen sind. Beispielsweise gibt es in Trockengebieten spezialisierte Ökosysteme, die an hohe Temperaturen und geringe Niederschlagsmengen angepasst sind. Aber wenn sich das verstärkt, kollabieren die Systeme, und Individuen und Arten sterben. Veränderte Lufttemperaturen können Zyklone verstärken, wie dieses Jahr in Mosambik und Zimbabwe. Außerdem schmelzen Pole, Meeresspiegel steigen, Trinkwässer auf pazifischen Inseln versalzen, und Küstenregionen werden überflutet. So werden aus ökologischen Krisen soziale Krisen.
Die Probleme sind vor allem nicht dort verursacht.
Ja, ein großer Teil geht von Industrien im Globalen Norden aus. Deutschland produziert jährlich 400-mal so viel CO2 wie ein Land wie Mali. Und das beinhaltet nicht einmal die historischen Emissionen und die Emissionen durch Importprodukte, zum Beispiel aus Indien und China. Das größte Braunkohleabbaugebiet Europas ist in Deutschland, und die Freisetzung von CO2 ist in keinem europäischen Land größer. Nicht nur CO2-Emissionen spiegeln die neokolonialen Strukturen wider. Plastikmüll wird im großen Stil von Deutschland nach Indonesien und Malaysia exportiert. Elektroschrott geht von Deutschland nach Agbogbloshie in Ghana, eine der größten Elektroschrottmüllhalden weltweit. All das hat negative Einflüsse auf die Ökosysteme und die Gesundheit der Menschen vor Ort.
Welche Rolle spielen Race und sozialer Hintergrund im Globalen Norden mit Bezug auf Umweltfragen?
Schwarze Menschen, Indigene Menschen und People of Colour sind auch im Globalen Norden stärker von Umweltzerstörung betroffen. Der Begriff Umweltrassismus verdeutlicht das. Er wurde in den 1980er Jahre in der Schwarzen Bürgerrechtsbewegung in den USA geprägt. Die Industrie hatte PCB, eine Chemikalie, die unter anderem in Farben benutzt wurde, in Schwarze Nachbarschaften geschüttet. Dadurch degradierte die Umwelt, und die Menschen wurden krank. Daraufhin sind Widerstandskämpfe entstanden, zum Beispiel von Schwarzen jungen Menschen, die auf die Straße gingen mit Plakaten, auf denen stand »Wir sorgen uns um unsere Zukunft – Schadet nicht dem Leben der kommenden Generationen«. Das kommt mir irgendwie bekannt vor… Hier in Berlin gibt es Feinstaubkarten, auf denen Neukölln und Kreuzberg schlecht abschneiden. Dann gibt es dort auch eine hohe Lärm- und Lichtbelastung. Das trifft Pflanzen, Tiere und Menschen. Außerdem sind Race und Class in Umweltkontexten schwierig zu trennen. Menschen unterschiedlicher Backgrounds mit wenig Zugang zu Bildung leben eher in belasteten Gegenden.
Was ist da dein Ansatz?
Um Lösungen zu finden, macht es Sinn, sich Mechanismen anzuschauen, die zur heutigen Situation geführt haben. Und die funktionieren immer gleich, ob wir jetzt von Rassismus, Sexismus, Umweltzerstörung oder anderen Unterdrückungsformen sprechen. Da hilft vor allem das »Othering« Konzept, das unter anderem Edward Said geprägt hat. Zunächst wird ein Dualismus erschaffen, Andere, also Schwarze Menschen, Frauen, oder eben auch die Natur wird zum Objekt gemacht. Dieses Objekt ist enthumanisiert, ihm haften negative Eigenschaften wie Unterlegenheit, Unwissenheit, Wildheit, Gefahr und so weiter an. Gleichzeitig scheint es eine bestimmte Faszination für die Schönheit und Fremdheit dieses Anderen zu geben. Das hilft aber nicht gegen Versklavung, Unterdrückung und Raubbau von Ressourcen, das Andere wird nämlich ausgebeutet. Das Gegenstück in diesem Dualismus ist der weiße hetero Cis-Mann. Für mich ist es kein Zufall, dass in allen Szenarien die gleiche Gruppe profitiert. Massive Umweltzerstörung und Kolonialismus sind hier eng verwoben. Der Ursprung muss dekonstruiert und zusammen gedacht werden, damit wir heute Lösungen finden können. Wenn die Mehrheit der Menschen und die Politik antikapitalistische, queer-feministische, anti-rassistische und Ökosystem-Perspektiven mitdenken würde, stünde es gar nicht erst zur Debatte, bis wann es einen Kohleausstieg geben soll, es hätte wahrscheinlich keinen Einstieg gegeben.
Welche Maßnahmen sollten getroffen werden?
Zum Beispiel, dass die Energie aus fossilen Brennstoffen nicht länger in die Rüstungs- und Autoindustrien fließen. Außerdem ist die industrielle Landwirtschaft für einen großen Teil der CO2-Emissionen verantwortlich – und wird subventioniert. Massentierhaltung unter anderem in Deutschland hat in anderen Teilen der Welt Entwaldung und Landraub zur Folge, weil dafür in Brasilien Soja-Futtermittel angebaut, das dann exportiert wird. Das verbraucht fossile Brennstoffe. Diese Wirtschaft hat wiederum einen immensen Methan-Ausstoß zur Folge, ein Treibhausgas, das vielfach klimaschädlicher als CO2 ist. Wenn diese ganzen Emissionen zusammen gezählt werden, soll dies rund die Hälfte aller Emissionen ausmachen! Ein kollektiver Lösungsansatz wäre daher der Wechsel zu einer überwiegend pflanzenbasierten und ökologischen Landwirtschaft und Ernährung.
Müssten sich die Leute das nicht leisten können?
Mit dieser Frage werde ich oft in BPoC Kreisen konfrontiert. Bio-, »fair« gehandeltes oder vegane Ernährung werden oft als etwas weißes und privilegiertes angesehen. Dabei ist Gemüse in der Regel günstiger als Fleisch. Manche Sachen sind im Unverpacktladen ebenfalls günstiger als verpackt. Das könnten wir mehr hinterfragen: Stimmt es überhaupt, dass Öko immer teuer ist? Dass manche Sachen teurer sind, ist ein strukturelles Problem, da die industrielle Landwirtschaft gefördert wird. Die Frage sollte aber auch sein: Was ist der wirkliche Preis? Denn den zahlen größtenteils Ökosysteme und Menschen im Globalen Süden. Deswegen denke ich, es ist auch über Konsum bzw. Nicht-Konsum bestimmter Sachen möglich, solidarisch zu sein.
Wo siehst du Vorbilder für Umweltkämpfe?
Wir haben ja vorhin über den Begriff Umweltrassismus gesprochen und darüber, dass er aus der Schwarzen Bürgerrechtsbewegung kommt. Aber das ist nur der Ursprung des Begriffs. Antikoloniale Kämpfe für Landrechte bedeuten oft Umweltschutzkämpfe. In Kenia zum Beispiel ging die Kolonialisierung mit großflächiger Entwaldung einher, weil die Kolonisatoren Platz für Teeplantagen schaffen wollten. Auch hier greift wieder der Dualismus von Natur und Mensch, von weißen und Schwarzen Menschen. Die natürlichen Wälder mussten »gebändigt« und entfernt werden, um ordentliche Monokulturen einzuführen, die Europa Profit bringen. Widerstände dagegen sind für mich Teil antikolonialer Kämpfe. Mein Lieblingsbeispiel für intersektionalen Aktivismus ist Wangari Maathai, weil sie sich mit direkten Aktionen gegen Rodungen in Kenia eingesetzt hat. Und das schon seit den 1970ern, lange bevor hier Aktivist*innen im Hambacher Wald bekannt wurden. Sie hat für die Befreiung politischer Gefangener und für Frauenrechte gekämpft, gegen koloniale Strukturen und Entwaldung und zwar auf akademischer, politischer und direkter Aktionsebene. Wangari Maathai ist Mitbegründerin des Green Belt Movements, einer Bewegung, die größtenteils aus Frauenkooperativen besteht und bis heute über 50 Millionen Bäume gepflanzt hat.
Eure Gruppe BPoC Environmental and Climate Justice Kollektiv Berlin hat dieses Jahr viel Resonanz erfahren. An welchen Aktionen habt ihr euch beteiligt und was ist bei euch der Fokus?
Dieses Jahr im Juni haben wir eine Veranstaltung zu Utopien über Klimagerechtigkeit in Berlin organisiert. Als Referentin haben wir dazu die wunderbare progressive Philosophin und Autor*in Syl Ko eingeladen. Beim Ende Gelände Camp im Rheinland haben Leute aus unserer Gruppe einen BPoC Safer Space organisiert. Anfang August haben wir bei der Floating Uni Berlin ein Screening über Wangari Maathais Aktivismus veranstaltet. Außerdem haben wir mehrere Workshops zu Klimagerechtigkeit aus Schwarzen Perspektiven gegeben. Wir sind noch im Aufbauprozess und haben ehrlich gesagt noch keinen festen Gruppennamen oder eine Webseite. Wir lernen viel, und es ist ein ständiger und langsamer Prozess, sich zu dekolonisieren und sich mit den vielfältigen Unterdrückungsformen auseinander zu setzen. Unsere Stärke liegt, glaube ich, in der Ähnlichkeit unserer Positionierungen, momentan ist das eine Schwarze nicht cis-männliche Mehrheit. So können wir uns gleich Inhalt und Orga widmen und müssen uns nicht erst mit Grundsatzdiskussionen über kulturelle Aneignung, Macker und Fleischkonsum herumschlagen, so wie ich es aus anderen Kontexten gewöhnt bin.