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Eine andere Produktion wagen

Ein Zurück zum Verbrenner wird es nicht geben – VW und Co. müssen auch Busse und Züge bauen

Von Klaus Meier

Im Vordergrund ein Bahnhofsschild mit der Aufschrift "Wolfsburg Hbf", im Hintergrund das VW-Werk.
Viele europäische Autohersteller werden bald nur noch ein Schatten ihrer einstigen Größe sein. Foto: Flickr/Linus Follert, CC BY-SA 2.0

Die europäischen Automobilhersteller haben heute ein katastrophales Defizit bei allen zentralen E-Auto-Technologien. VW zum Beispiel hat bis heute eine völlig veraltete Software-Architektur mit verstreuten Steuergeräten im Fahrzeug. Eine Bürde für die Zukunft. Alle Bemühungen, aus eigener Kraft eine neue Steuerung zu entwickeln, scheiterten. Am Ende wusste sich VW nur dadurch zu helfen, dass man demütig auf die Hilfe chinesischer und amerikanischer Start-ups setzte. Noch dramatischer sieht es bei der Batterietechnik aus. Batterien sind der Teil des Elektroautos mit dem höchsten Wertschöpfungsanteil von rund 40 Prozent. Ohne diese Technologie sinkt die Gewinnmarge für Elektroautos. 

Eigentlich wollte VW auf die Schnelle eine eigene Batteriefabrik in Salzgitter bauen. Das gelang nur mit einer 1:1-Kopie einer Anlage des chinesischen Unternehmens Gotion und mit Maschinen des ebenfalls chinesischen Weltmarktführers Wuxi Lead. Doch selbst beim Hochfahren der Anlagen kam VW nicht weiter. Schließlich mussten die Wolfsburger für viel Geld Hunderte chinesische Spezialisten einfliegen, um die Maschinen mit ihren Hunderten elektrischen, chemischen und mechanischen Parametern einzustellen. Ein VW-Manager sagte dem Manager-Magazin, dass »ohne Chinesen (…) heute kein Werk in Europa mehr hochgefahren werden kann«. Eine Bankrotterklärung. 

Vorübergehend schien es für VW Hoffnung zu geben. Der Chef und Gründer der schwedischen Batteriefirma Nortvolt, Peter Carlsson, versprach allen, die es hören wollten, eine Batterietechnologie auf höchstem Niveau in Europa zu etablieren. VW stieg mit 21 Prozent Kapitalanteil und 1,4 Milliarden Euro ein. Die Wolfsburger maßen dem Unternehmen eine enorme Bedeutung bei. Das Manager-Magazin zitierte einen VW-Manager: »Wir brauchen Northvolt schon deshalb, um eine starke Autoindustrie in Deutschland zu halten«. Doch die Batterien, die die Schweden produzierten, waren zum großen Teil Ausschuss. Selbst ein Northvolt-Manager räumte ein, dass das Unternehmen technologisch mindestens ein Jahrzehnt hinter der chinesischen Konkurrenz liege. Ende November meldete Northvolt Insolvenz an. Damit war auch die Hoffnung der VW-Bosse auf ein Batteriewunder geplatzt. 

Profite statt langfristigem Technologieaufbau

Der Witz ist, dass bereits 2006 in Deutschland die Batteriezellenfabrik Li-Tec Battery in Kamenz existierte. Die verwendete Technologie war aus einem Forschungsprojekt mehrerer Universitäten und der Degussa hervorgegangen. Li-Tec wurde sogar für den Deutschen Zukunftspreis 2007 nominiert. Daimler-Benz übernahm das Unternehmen, doch als 2014 die Batteriepreise auf dem Weltmarkt vorübergehend einbrachen, sank auch die Gewinnmarge. Daimler schloss daraufhin kurzerhand das Unternehmen.

Ein Sonderfonds von 100 bis 200 Milliarden Euro könnte einen Beitrag zur Sicherung von Arbeitsplätzen und zum ökologischen Umbau leisten.

Der Batterieexperte Maximilian Fichtner, Sprecher des deutschen Batterie-Exzellenzclusters, sagt, mit etwas mehr Geduld und Aufwand hätte auf Basis von Li-Tec auch in Deutschland eine eigene Batterietechnologie entstehen können. Das Problem: Kapitalistische Konzerne wollen kurzfristige Profite aus der Produktion ziehen. Die Entwicklung einer neuen Technologie dauert jedoch oft sehr lange. In der Praxis überlassen die Konzerne die mühsame und langwierige Entwicklungsarbeit gerne den staatlichen Forschungsinstituten. Die Ergebnisse lassen sie sich dann von den Steuerzahler*innen schenken. Aber selbst mundgerecht servierte Lösungen, wie im Fall Li-Tec, werden dann oft aus Ignoranz und kurzfristigem Profitdenken verworfen.

Eine Rückkehr zum Verbrennungsmotor wird es hingegen nicht geben. Die Batterietechnologie entwickelt sich rasant weiter. Schon heute liegen die Preise für Batteriezellen in China deutlich unter 100 US-Dollar pro Kilowattstunde. Dies gilt als die Grenze, ab der ein Elektroauto günstiger ist als ein Verbrennungsmotor. Technologisch ist das Elektroauto dem Verbrenner überlegen und wird sich durchsetzen. Deshalb ist es völlig wirr, wenn CSU-Chef Markus Söder die Schuld an der Autokrise im EU-Verbrennerverbot für Neuwagen ab 2035 sieht. Oder wenn AfD-Chefin Alice Weidel in einer Bundestagsrede von einer »E-Auto-Planwirtschaft« schwadroniert. Natürlich können sich die deutschen Hersteller weiter an ihre Verbrennungstechnologie klammern. Aber dann würden sie in der immer kleiner werdenden Nische des Verbrennungsmotors mitschrumpfen und irgendwann ganz verschwinden.

Deglobalisierung und verschärfte Konkurrenz

Die deutsche Autoproduktion ist gegenüber 2016 bereits um rund 1,5 Millionen Fahrzeuge zurückgegangen. Vor allem bei VW sind die Werke dadurch nicht mehr ausgelastet, was auf die Profitrate drückt. Der Wolfsburger Konzern versucht, dies durch Entlassungen, Lohndrückerei und Verlagerung der Produktion in Niedriglohnregionen zu kompensieren. Doch die fortschreitende Deglobalisierung wird die Situation weiter verschärfen. So plant Trump hohe Zölle auf deutsche Autoimporte. Nicht nur aus Deutschland, sondern auch aus den Produktionsstätten von VW und BMW in Mexiko. Gleichzeitig bricht VW in China der Absatz weg. Die Autos aus Wolfsburg gelten inzwischen als altmodisch und technologisch überholt. Ein Desaster, denn immerhin unterhält VW in China mehr als 30 Produktionsstätten. Rechnet man alles zusammen, ergibt sich der Schluss, dass viele europäische Hersteller bald nur noch ein Schatten ihrer einstigen Größe sein werden. 

All dies hat dramatische Folgen für die Arbeitsplätze. Ohne politische Antworten und erfolgreiche Abwehrkämpfe könnte die AfD deutlich gestärkt werden. Die Antworten der IG Metall sind jedoch unzureichend. Bei der Schließung von Ford Saarlouis und Opel Bochum wurden pflichtschuldigst ein paar Demos organisiert und neue »Investoren« gesucht. Die wurden nie gefunden. Linke Kräfte müssen dagegen ernsthafte Antworten formulieren, wie die Arbeitsplätze in den Werken gesichert werden können. 

Es gibt bereits Vorschläge für die Produktion von Eisen- und Straßenbahnen sowie von Elektrobussen. Die Zeit des 9-Euro-Tickets hat gezeigt, dass der gesellschaftliche Bedarf da ist. Und ökologisch sinnvoll ist es allemal. Zudem hat die derzeit kleine deutsche Bahnindustrie schon jetzt große Schwierigkeiten, die Ersatzinvestitionen für die Bahn aufzubringen. So liefert der Alstom-Konzern Züge teilweise mit jahrelanger Verspätung aus. Noch schlimmer sieht es im Straßenbahnbau aus. Aber können Autofabriken auch öffentliche Verkehrsmittel bauen? Eigentlich sind die Aufgaben sehr ähnlich, egal ob man Züge oder Autos baut. In beiden Fällen braucht man Know-how in der Blechbearbeitung, in der Schweiß- und Montagetechnik sowie in der elektrischen Antriebs- und Steuerungstechnik. Autofabriken können also auch Züge bauen. Nötig wäre allerdings eine Übernahme der Werke durch die Gesellschaft und eine Anschubfinanzierung. Ein Sonderfonds von 100 bis 200 Milliarden Euro könnte einen Beitrag zur Sicherung von Arbeitsplätzen und zum ökologischen Umbau leisten.

Klaus Meier

ist Ingenieur und Hochschuldozent und engagiert im Netzwerk Ökosozialismus.