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|Thema in ak 714: Rohstoffe

Ein schrottreifes System

Wie der Ressourcenhunger in Industriestaaten immer mehr Konflikte auslöst und anheizt

Von Michael Reckordt

Bild von Förderbänder einer Mine, die kreuz- und quer an einem Berghang verlaufen.
Auch im Namen der »Grünen Transformation«: Wo ohne Rücksicht auf Natur und Mensch abgebaut wird, entstehen Konflikte. Foto: picture alliance / Dorling Kindersley /Nigel Hicks

Metallische Rohstoffe stehen aktuell im Zentrum der internationalen Geopolitik. Wurde im letzten Jahrzehnt die Notwendigkeit des Wachstums des Bergbausektors mit der »grünen Transformation« gerechtfertigt, kommen nun Rüstung und Verteidigung dazu. So beklagt die NATO in einem Strategieplan vom Juli 2024, dass die Versorgung mit Seltenen Erden unter hohem Sicherheitsrisiko stünde. Die Rohstoffe würden laut NATO dringend für Luftwaffe, Panzer, Raketen, Artillerie und U-Boote benötigt.

Diese Entwicklung hat sich seit der Amtsübernahme von Donald Trump verstärkt, der aufgrund vermuteter Vorkommen von Seltenen Erden nicht nur Grönland mit einer Annexion droht, sondern auch die Ukraine erpresst. Auch Russland ist an den Rohstoffen interessiert: So kündigte der Leiter des Russian Direct Investment Fund, Kirill Dmitrijew, in einer kremlnahen russischen Zeitung eine geplante Zusammenarbeit zwischen Russland und den USA: »Seltene Erden sind ein wichtiger Bereich der Zusammenarbeit, und natürlich haben wir Gespräche über verschiedene Seltene Erden und Projekte in Russland aufgenommen«, wird er auf Mining.com zitiert.

Auch die EU stuft die Versorgung mit Seltenen Erden als kritisch ein. Schon im Juli 2021 hat sie mit der Ukraine eine Absichtserklärung für eine gemeinsame Rohstoffpartnerschaft unterzeichnet, lange vor der erneuten Wahl Trumps.

Die Debatte um die Ukraine weist gewisse Parallelen zum Fall Afghanistan auf: Hier gab es auf Seiten der deutschen Bundesregierung die Hoffnung, der Bundeswehr-Einsatz ließe sich durch Rohstoffabbau in dem Land refinanzieren. Seit mehr als zehn Jahren kursieren Zahlen, dass Afghanistan angeblich auf metallischen Rohstoffen im Wert von mehr als einer Billion (im Englischen: »one trillion«) US-Dollar säße. Der damalige Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) sprach sich 2013 für eine Rohstoffpartnerschaft mit Afghanistan aus: »Es gibt unterschiedliche Stoffe wie etwa Lithium und Seltene Erden, die für einen Industriestandort wie Deutschland relevant sind«, sagte er der Neuen Osnabrücker Zeitung.

Das Modell der Rohstoffpartnerschaften wurde im Rahmen der ersten Rohstoffstrategie der Bundesregierung im Jahr 2010 entwickelt. Wie die gesamte Strategie sollten sie die »langfristige Versorgungssicherheit« der deutschen Industrie mit Metallen garantieren. Vorausgegangen waren Preisanstiege auf den Rohstoffmärkten und die Ankündigung Chinas, Exporte von Rohstoffen aus der Gruppe der Seltenen Erden zu drosseln. China begründete dies damit, dass der Abbau der Seltenen Erden zu großen ökologischen Auswirkungen und sozialen Protesten geführt habe.

Die Rohstoffpartnerschaft Deutschlands mit Afghanistan ist nie zu Stande gekommen, dafür aber mit der Mongolei, Kasachstan, Peru und Chile.

An der Marktmacht Chinas bei vielen Rohstoffen, darunter Magnesium oder Seltene Erden, hat sich in den letzten anderthalb Jahrzehnten trotzdem wenig geändert. Kaum fingen die Rohstoffpreise ab 2012 an zu fallen, sank auch das Interesse der europäischen Politik an dem Thema. Die EU versuchte halbherzig, das deutsche Konzept der Rohstoffpartnerschaften zu übernehmen, ohne dass jemals der eigentliche Beitrag zur Rohstoffversorgung evaluiert wurde. 2024 trat der EU Critical Raw Materials Act (CRMA) in Kraft, der die Importabhängigkeiten reduzieren und neue Bezugsquellen sichern soll. Der CRMA untermauert, was wenig später der ehemalige EZB-Chef Mario Draghi in seinem Report für die EU ebenfalls betont: Wettbewerbsfähigkeit und Versorgungssicherheit mit Rohstoffen seien bedeutende Faktoren für den Wohlstand Europas.

Konflikte um den Abbau

Vergessen wird bei solchen Argumentationsmustern, dass der Abbau von metallischen und mineralischen Rohstoffen zum einen weder sonderlich ökologisch ist und zum anderen immer wieder lokale Konflikte auslöst oder anheizt. Eines der bekanntesten Beispiele für solche Konfliktfinanzierung ist der Bergbau im Osten der Demokratischen Republik Kongo (DRK). Dort liegen Rohstoffe wie Kupfer, Kobalt oder Tantal. Diese sind sowohl für die Elektromobilität als auch für Smartphones nahezu unverzichtbar. Der Rohstoffabbau und -handel wird allerdings von illegal bewaffneten Gruppen besteuert, die dadurch Soldaten und Waffen finanzieren. Einige der so gewonnenem Rohstoffe gelten deshalb als Konfliktmineralien.

Auf EU-Ebene gibt es seit 2017 eine Sorgfaltspflichten-Verordnung, um diese Konfliktfinanzierung zu durchbrechen. Diese Verordnung alleine erreicht ihr Ziel aber nicht, wie jüngst die schweren Kämpfe im Osten Kongos zeigen. Im Februar 2025 brachten die M23-Rebellen große Teile der rohstoffreichen Region unter ihre Kontrolle. Sie gelten als von Ruanda unterstützt, das erst im letzten Jahr eine Rohstoffpartnerschaft mit der EU unterzeichnet hat. Diese soll nun so lange ausgesetzt werden, »bis Ruanda nachweist, dass es seine Einmischung und seine Ausfuhr von Mineralien, die in den von der M23 kontrollierten Gebieten abgebaut werden, einstellt«, heißt es in einer Resolution des EU-Parlaments vom 11. Februar 2025.

Ob diese Resolution wirklich Beachtung findet, wird sich wohl erst bewerten lassen, wenn die EU-Kommission eine Liste mit strategisch bedeutsamen Rohstoffprojekten außerhalb der EU veröffentlicht. Immerhin zwei Projekte in Ruanda sollen sich beworben haben. Aus der DRK gibt es Stimmen, die vor allem die Sanktionen gegen gezielte Gewaltakteur*innen und politisch Verantwortliche unterstützen. Auch mit der anderen Konfliktpartei, der Demokratischen Republik Kongo, unterhält die EU eine Rohstoffpartnerschaft. Ähnlich sieht es in Myanmar aus, einem Land, wo ein Bürgerkrieg herrscht und aus dem China seit Jahren große Mengen Seltener Erden bezieht und somit Bürgerkriegsparteien finanzieren soll.

Doch es sind nicht nur kriegerische Konflikte, die durch Bergbau angeheizt werden. So sorgt der Bauxitabbau in Guinea oder Brasilien für die Zerstörung von Regenwald und Artenvielfalt. In Indonesien zerstört der Nickelabbau ganze Inseln und Fischgründe, während in der Weiterverarbeitung vor Ort zum Teil sklavenähnliche Zustände für chinesische Arbeiter*innen dokumentiert sind.

Die Rechte indigener Gemeinschaften werden nicht nur beim Kupferabbau in Peru verletzt, sondern unter Umständen auch beim zukünftigen Abbau Seltener Erden in Schweden. Ein Massaker gegen die Minenarbeiter*innen von Marikana 2012, die gegen Arbeitsrechtsverletzungen im Platinabbau demonstrierten, ist bis heute nicht aufgearbeitet. Es gilt als das schwerste Massaker im Post-Apartheids-Südafrika.

Die Beispiele des Lithiumabbaus in Serbien und Portugal unterstreichen die deutsche Rolle im Rohstoffsektor.

Medial präsent sind aktuell auch die vielen Konflikte um die Lithium-Gewinnung, sei es in Chile und Argentinien oder in Serbien und Portugal. In all diesen Konflikten geht es um Land- und Wassernutzung. Gerade die Beispiele des Lithiumabbaus in Serbien und Portugal unterstreichen die deutsche Rolle im Rohstoffsektor. Bei der Unterzeichnung der Rohstoffpartnerschaft zwischen der EU und Serbien waren Bundeskanzler Olaf Scholz und Mercedes-CEO Ola Källenius vor Ort. Mercedes gilt neben Stellantis als einer der potenziellen Abnehmer des Lithiums aus der Jadar-Mine, die von der lokalen Bevölkerung abgelehnt wird.

Auch im portugiesischen Barroso muss man nicht lange nach einer Beziehung zu Deutschland suchen. Im Juni 2024 kaufte ein Tochterunternehmen von AMG Critical Materials knapp 16 Prozent der Anteile an Savannah Resources, das in Portugal den Bergbau vorbereitet. AMG Critical Materials betreibt in Bitterfeld-Wolfen eine Lithium-Aufbereitungsanlage, die im letzten Jahr feierlich eröffnet wurde und laut Konzernangaben bisher Lithium aus Brasilien verarbeitet. »Wir sind erfreut, mit Savannah bei der Entwicklung des Barroso-Lithiumprojekts, dem größten Spodumenprojekt Europas, zusammenzuarbeiten«, wird Dr. Heinz Schimmelbusch, Vorsitzender und CEO von AMG, auf deren Website zitiert.

Weniger begeistert ist die örtliche Bevölkerung. »Der Abbau billiger Rohstoffe für die Autoindustrie in Deutschland und anderswo gefährdet unsere Lebensweise. Wir, die von nachhaltiger Viehzucht leben und auf saubere Flüsse und grüne Weiden angewiesen sind, würden nur Nachteile erfahren«, sagte Nelson Gomes, Mitglied einer örtlichen Bürgerinitiative im Tagesspiegel Background.

Imperialer Lebensstil

Was Gomes beschreibt, nennen Ulrich Brand und Markus Wissen unseren imperialen Lebensstil. Denn der Großteil der im Globalen Süden und der europäischen Peripherie gewonnenen Rohstoffe geht in den Globalen Norden. In Deutschland gehen zum Beispiel die meisten Metalle in die Mobilität, immer größere und schwerere Autos verbrauchen mittlerweile knapp ein Drittel der in Deutschland genutzten Metalle wie Eisen, Aluminium oder Kupfer. Aber auch größere Mengen an Spezialmetallen wie Seltene Erden oder Lithium gehen in den Sektor.

Statt also einer Rohstoffsicherungspolitik mit Verweis auf bestehende oder zukünftige, geostrategische Konflikte bräuchte es eine Rohstoffwende. Dies würde eine deutliche Reduzierung des Rohstoffverbrauchs bedeuten, beispielsweise durch den Stopp von metallischen Wegwerfprodukten wie E-Zigaretten, aber auch intelligente Mobilitätskonzepte jenseits der individuellen Automobilität.

Statt Menschen- und Arbeitsrechte sowie Umweltstandards unter der falschen Prämisse des Bürokratieabbaus zu opfern, wie es CDU, CSU und SPD gerade mit Blick auf das Lieferkettengesetz durchsetzen, sollten verpflichtende Standards im Sinne von globalen, gleichen Wettbewerbsbedingungen ausgebaut werden. Entscheidungen über Bergbauprojekte, selbst solche, die in Europa als »strategisch« gelten, erfordern einen integrativen, gerechten gesellschaftlichen Dialog, um sowohl technisch als auch sozial tragfähig zu sein. Deshalb müssen die Angriffe auf Wissenschaft, Medien und Zivilgesellschaft aufhören. Nur so können Konflikte verhindert werden.

Michael Reckordt

arbeitet seit mehr als zehn Jahren bei der Berliner NGO PowerShift zur europäischen und deutschen Rohstoffpolitik. Er setzt sich für eine sozial-ökologische Transformation in Form einer Rohstoffwende ein.

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