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Ukraine: Der Nationalismus und sein linker Flügel

Von Ewgeniy Kasakow

Die Ukraine und ihr Verhältnis zu Russland sorgten schon immer für Konflikte. Illustration: Donata Kindesperk

In der heutigen Ukraine existieren keine relevanten politischen Kräfte, die für sich die Bezeichnung »links« reklamieren. Die offizielle Version der Nationalgeschichte wird als Kampf für die als »westlich« und »europäisch« gelabelte Freiheit gegen das als »wild« und »barbarisch«, nicht selten offen als »asiatisch« oder »orientalisch« gelabelte Russland dargestellt. Im gleichen Atemzug bedient sich die ukrainische Propaganda auch des Vokabulars der postkolonialen Theorie. So spricht Tamila Tasheva, die ständige Vertreterin des Präsidenten der Ukraine in der Autonomen Republik Krim, die 2014 von Russland annektiert wurde, immer wieder von »Siedlerkolonialismus« in Bezug auf die russische Bevölkerung der Halbinsel. Die sowjetische Vergangenheit wird in dieser Erzählung als Fortsetzung der zaristischen Unterdrückungspolitik und als unmittelbare Vorgängerin von Putins Krieg gesehen. Dass der erste Versuch, einen ukrainischen Nationalstaat zu gründen, wesentlich von sozialistischen Kräften ausging, gerät dabei in Vergessenheit.

Die linke Schlagseite des frühen ukrainischen Nationalismus rührte unter anderem von den sozialen Bedingungen her, auf die er im 19. Jahrhundert traf. Die adligen Grundbesitzer sprachen Polnisch oder Russisch, Ukrainisch galt als »grobe« Sprache der Bäuer*innen. Die Forderungen der jungen Unabhängigkeitsbewegung waren eng mit der Lage der Landbevölkerung verbunden. Den ukrainischen Sozialist*innen fiel es relativ schwer, Verbindungen zur internationalen Bewegung aufzubauen. In der auf das Industrieproletariat orientierten Sozialdemokratie waren die von der Urbanisierung wesentlich weniger erfassten Ukrainer*innen deutlich gegenüber Russ*innen, Pol*innen, Jüdinnen und Juden sowie Deutsch-Österreicher*innen unterrepräsentiert. Von den russischen Sozialrevolutionär*innen unterschieden sich die ukrainischen vor allem dadurch, dass in der Ukraine die »Obschina«-Dorfgemeinschaft nicht verankert war. Die Agrarsozialist*innen Russlands setzten große Hoffnung in diese kollektive Lebensform.

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