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|Thema in ak 702: Bombenstimmung

Im Westen geht die Sonne unter

Zum Desaster der Zeitenwende und dem Krieg in der Ukraine

Von Diskussionsgruppe Frieden Hannover

eine stilisierte untergehende Sonne vor Tarnfarbenmuster, aus der Sonne regnen Bomben
Grafik: Melanie Nehls

Der Angriffskrieg auf die Ukraine ist Teil eines imperialistischen Krieges um globale Einflussgebiete. Vordergründig erscheint er als Aufbegehren der einstigen Weltmacht Russland gegen den eigenen Statusverlust. Doch bei genauerem Hinsehen trifft das auch auf den globalen Westen zu, der nach der Ära des Neoliberalismus seine bis dahin unangefochtene Vormachtstellung einbüßt.

Weltmacht China

Welche Konkurrenz mit dem neuen Machtzentrum China in der Indopazifik-Region erwächst, wurde im Westen offenbar erst in den letzten Jahren zur Kenntnis genommen. China hat die USA laut Daten des internationalen Vergleichsprogramms der Weltbank 2017 als größte Volkswirtschaft überholt. Es hat mit der RCEP (ak 666) die weltgrößte Freihandelszone geschaffen und verfolgt mit der »Belt-and-Road-Initiative« eine weltweite Expansionsstrategie. In ihrem Rahmen hatten bis 2022 75 Prozent aller Staaten der Welt 147 jeweils ein sogenanntes Memorandums of Understanding, also eine handelspolitische Kooperationserklärung mit China unterzeichnet. Als Führungsmacht der erweiterten BRICS-Gruppe, bestehend aus China selbst, den Schwellenländern Brasilien, Russland, Indien, Südafrika und seit 2024 auch Ägypten, Äthiopien, Iran und den Vereinigten Arabischen Emiraten, setzt das Land längst auch geopolitische Akzente und soll 50 strategische Partnerschaften mit Staaten abgeschlossen haben.

Dieser Aufstieg wirkt sich auf die Weltwirtschaft aus. Von dem weltweiten Wirtschaftswachstum, das der IWF für 2023 und 2024 prognostizierte, werden 50 Prozent in China und Indien und nur zehn Prozent in den USA und der EU erwartet.

Damit erweist sich die Losung einer kapitalistischen Oneworld als überlebt. Erstmals seit Jahrhunderten, in denen die Länder der alten und neuen westlichen Welt mit wechselnden hegemonialen Zentren fast uneingeschränkt auf Rohstoffe, Handelswege, Märkte und Arbeitskräfte des Globalen Südens zugreifen konnten, sind mit der kapitalistischen Planwirtschaft Chinas und in anderer Weise auch Indiens erfolgreichere Alternativen entstanden. Deren staatseigene Banken und Schlüsselindustrien ermöglichen die gesteuerte Entwicklung einer sozialen und technischen Infrastruktur, die dem westlichen Neoliberalismus überlegen ist. Dabei handelt es sich um zunehmend autoritäre Staaten mit immens polarisierter Vermögens- und Einkommensverteilung. Und auch wenn China nun selbst eine strukturelle Krise erlebt, stellt sich die Frage, mit welchen Mitteln der Westen auf den Verlust seiner Vormachtstellung antworten will.

Ökonomische Selbstzerstörung Europas

Ein Teil der westlichen Gegenstrategie besteht im Versuch, ökonomische Antworten auf den Niedergang der westlichen Staaten und ihrer Ökonomien zu finden. Nach Jahrzehnten neoliberalen Umbaus haben Umverteilung und Austeritätspolitik zum Einbruch der Kaufkraft geführt. Langsam, aber stetig verliert der europäische Binnenmarkt vor allem zugunsten Chinas und den USA an Bedeutung. Bemessen in US-Dollar stagniert das Wirtschaftswachstum in der EU seit der Finanzkrise. Das Handelsbilanzdefizit der USA wächst derweil exponentiell. Der anhaltende Sparkurs hat überall die öffentliche Infrastruktur verschlissen. Gewerkschaften, Parteien und Kirchen haben jeweils bis an die Hälfte ihrer Mitglieder verloren. Da darin kaum noch jüngere Menschen partizipieren, erleben wir das Ende eines auf Aushandlungen gründenden Politikstils. Die westlichen Gesellschaften können aufgrund ihrer zerfallenen Infrastrukturen kaum noch den institutionellen Regelbetrieb aufrechterhalten. Bereits vor fünf Jahren wurde ein nachholender Investitionsbedarf von mindestens 450 Mrd. EUR für Bildung, Verkehr, Kommunikationsnetze und Dekarbonisierung bis 2023 beziffert. Der fortschreitende Legitimationsverlust hat allerorts zu erdrutschartigen Wahlerfolgen rechtsextremer Parteien geführt.

Zur Bewältigung dieser Krise gehen USA und EU unterschiedliche Wege: Die USA haben unter der Biden-Administration zumindest Konturen konzeptioneller Vorstellungen entwickelt. Die als »Bidenomics« betitelte Strategie bezeichnet den offenen Bruch mit dem Neoliberalismus. Die USA erkennen die Überlegenheit des chinesischen Modells an. Um die Innovationsfähigkeit, die beschädigte Demokratie, die zerfallende Infrastruktur und die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts wiederherzustellen, werden vier parallele Strategien verfolgt:

Erstens haben die USA seit 2021 vier Programme zur Wirtschaftsankurbelung, zur Eindämmung der Folgen der Corona-Krise, zur Förderung der Herstellung von Halbleitern und Computer-Chips und für Investitionen in den Klimaschutz insgesamt 3,749 Billionen US-Dollar an frischen öffentlichen Geldern auf den Weg gebracht. Zweitens führen sie einen abgestuften Wirtschaftskrieg gegen Russland, China und zunehmend auch gegen die EU. Sie verhängen Sanktionen, diversifizieren ihren Außenhandel und benachteiligen nicht-amerikanische Unternehmen bei der Vergabe von Subventionen. Dabei ist vor allem der Kampf um die Vorreiterschaft bei der Entwicklung digitaler Technologien, insbesondere von Halbleitern, zentral. Drittens weiten die USA ihre Rüstungsausgaben auf den Rekordwert von 842 Milliarden US-Dollar aus. Viertens sind sie durch den Einsatz von Fracking zum weltweit größten Ölproduzenten und damit unabhängiger von internationalen Energiepreisen geworden.

Demgegenüber lässt sich in der EU keine konsistente Strategie nachvollziehen. Zwar wurden mit dem Green Deal und dem Chip Act vergleichbare Programme aufgelegt. Dabei wird jedoch kein frisches Geld zur Verfügung gestellt. Vielmehr werden bestehende Fördertöpfe umgewidmet und die Kosten auf die Mitgliedsländer verteilt. Weiterhin verhängt auch die EU Sanktionen gegen Russland und will den Handel mit China diversifizieren. Aber sowohl für die EU als auch insbesondere für Deutschland, wo die Exportquoten auf jeweils rasant mehr als 50 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) gewachsen sind, stellt sich die Frage, auf welchen Märkten deren Produkte und Dienstleistungen überhaupt noch im bisherigen Umfang verkauft werden sollen. Ein Ausweg könnte auch hier ein Konjunkturprogramm zur Ankurbelung der Binnennachfrage sein. Doch die europäischen Regierungen machen das Gegenteil. Das Festhalten an der Schuldenbremse, die Weigerung, Vermögens-, Unternehmens- und Spitzensteuersätze zu erhöhen und das Ausbleiben öffentlicher Investitionen haben bei rückläufigen Realeinkommen insgesamt selbstzerstörerischen Charakter. Im Zusammenspiel mit Inflation und Energiepreisteuerung geraten vor allem die westeuropäischen Länder in eine strukturelle Rezession. Die Exporte brechen ein und die Deindustrialisierung schreitet voran. Für Deutschland wird unter den wirtschaftsstärksten Ländern das schwächste Wachstum prognostiziert. Gleichzeitig verzeichnet es den höchsten bisher verzeichneten Nettoabfluss an Direktinvestitionen. Dabei wird auch der »schmutzige Keynesianismus« ausufernder Rüstungsausgaben kaum Wirkung zeigen. Teile der gerade aus dem deutschen Sondervermögen finanzierten Waffen werden aus den USA geliefert werden.

Neue Blockkonfrontation?

Die zweite Gegenstrategie fällt in den Kontext weltweiter Aufrüstung. Laut dem Stockholmer Friedensinstitut SIPRI wurde 2022 mit weltweiten Rüstungsausgaben von 2.240 Milliarden US-Dollar ein historischer Rekord aufgestellt. Dies betrifft nicht nur die USA, China, Russland, Indien, Saudi-Arabien, Großbritannien und Deutschland. In den meisten Ländern der Welt wurden die Militärausgaben bereits Jahre vor 2022 hochgefahren. Besonders die atomare Aufrüstung ist besorgniserregend, zumal nach der Aufkündigung des ABM- und des INF-Vertrags durch die USA und der Aussetzung von NEW-START und CTBT durch Russland gar kein Kontrollabkommen mehr existiert.

Diese Aufrüstung ist unmissverständlich konfrontativ. In dem 2022 beschlossenen Strategischen Konzept der Nato erklären die Mitgliedsstaaten, ihre »Reichweite vergrößern« zu wollen, um »in allen Dimensionen und Richtungen abschrecken, verteidigen, umkämpfen und die Nutzung verwehren zu können«.

Dabei bedeutet der sogenannte 360-Grad-Ansatz eine Frontstellung in alle Himmelsrichtungen. Besonders im Fokus stehen dabei Russland, China, Nordkorea, Syrien, der Iran, der Nahe Osten und Afrika. Die Nato will u.a. ihre innerhalb eines Monats einsetzbaren Truppen von 40.000 auf 200.000 Soldat*innen erhöhen, ihre Präsenz im Indopazifik ausweiten und modernisierte Atomwaffen (ohne Verzicht auf einen Erstschlag) in Deutschland, Belgien, Italien, den Niederlanden und der Türkei stationieren.

Im Erlebnis der eigenen Ohnmacht scheint der globale Westen darauf zu setzen, verlorenes Terrain mit militärischen Mitteln zurückerobern zu wollen. Bislang hat China seine Weltmarktposition noch ohne Kriege vorangetrieben und seine militärische Aktivität auf die Regionen rund um seine Landesgrenzen beschränkt. Denn trotz drastischer Aufrüstung liegt China weit hinter den militärischen Fähigkeiten Russlands und der USA zurück. Angesichts der aggressiveren Militärstrategie der USA und der Nato und dem eigenen Weltmachtanspruch aber wird es an dem Konzept eines gewaltfreieren Imperialismus kaum festhalten. Um dabei der militärischen Übermacht der USA und der Nato standhalten zu können, braucht es (noch) Russland als geostrategischen Partner.

Inwieweit daraus eine neue Blockbildung resultiert, lässt sich schwer abschätzen. Die Situation unterscheidet sich dadurch vom Kalten Krieg, dass die Rivalen im globalen Kapitalismus voneinander abhängig sind. Eine abrupte Auflösung der Handelsbeziehungen hätte katastrophale Folgen. Für beide Seiten kann es also nur darum gehen, Abhängigkeiten abzubauen, Vorsprünge in zentralen Technologien zu erringen und Handelspartner, Rohstoffressourcen und Arbeitsmärkte für sich zu gewinnen. Andererseits sind die Zuordnungen auch aller übrigen Staaten flüssiger geworden. Der Großteil versucht, in beiden Konstellationen die jeweils für ihn günstigsten Bedingungen zu erwirken. Doch das Eingehen wirtschaftlicher Kooperationen kann militärische Gegenschläge auslösen und betroffene Länder zu Austragungsorten von Stellvertreterkriegen machen. Viele bislang noch blockfreie Staaten werden darum vielleicht nicht nur aufrüsten, sondern sich auch militärisch zuordnen müssen.

Ukraine-Krieg: Selbstüberschätzung des Westens

In dieser Situation bringt der Krieg in der Ukraine ein verändertes Kräfteverhältnis und die Beschädigung der westlichen Vormachtstellung zum Ausdruck. Zugleich bildet sich darin auch die Krise des Neoliberalismus ab.

Der autoritäre Charakter des russischen Staats und die Bildung einer Klasse von Oligarchen geht nicht erst auf Putin, sondern auf die 1990er Jahre zurück. Unter der Anleitung von Weltbank und IWF wurde in Russland wie in allen Ländern des vormaligen Ostblocks eine neoliberale Schocktherapie eingeleitet und im Ergebnis öffentliches Eigentum späteren Oligarchen übereignet. Die folgende Rezession soll in Russland schlimmer als während des Zweiten Weltkriegs gewesen sein. Bemessen in aktuellen US-Dollar brach das BIP bis 1999 auf 35,3 Prozent des Wertes von 1988 ein. 53 Prozent der Bevölkerung lebten unter der Armutsgrenze. Das Vermögen der reichsten gegenüber den ärmsten Bürger*innen stieg vom sechs- auf das 250.000-fache. Dies traf auf heftigen Widerstand, bis der damalige Präsident Boris Jelzin die Armee auf das Parlament schießen ließ. Das Ergebnis war ein Referendum über eine Verfassung, die die Macht des Präsidenten gegenüber dem Parlament ausweitete. Dieser vom Westen goutierte Prozess ist die Grundlage des heutigen Systems Putin.

Dessen Präsidentschaft begann 1999 mit den Zielen, die Wirtschaft zu konsolidieren und weltpolitische Bedeutung zurückzugewinnen. Ersteres gelang immerhin zwischenzeitlich: Der Staat wurde wieder zentraler Wirtschaftsakteur und hegte die politische Macht der Oligarchie ein, ließ die generellen Besitzverhältnisse aber unangetastet. Bis 2013 hatte sich das BIP in US-Dollar daraufhin mehr als verzehnfacht. Die Realeinkommen wurden verdoppelt. Anschließend ging das Wachstum in geringeren Umfängen wieder zurück.

Das zweite Ziel sollte zunächst im Kontext einer europäischen Anbindung umgesetzt werden (2001 und 2010 war eine Nato-Mitgliedschaft im Gespräch). Die jetzige Konfrontation stellte demgegenüber eine wechselseitige Eskalationsentwicklung dar. Sie begann auf Seiten des Westens mit unterschiedlich interpretierten mündlichen Zusicherungen, die Nato nicht über die vormals innerdeutsche Grenze hinaus auszudehnen. Darauf folgte die Osterweiterung der Nato und die Inaussichtstellung eines Nato-Beitritts für Georgien und die Ukraine. Hinzu kamen u.a. die Stationierung rotierender Truppen in Bulgarien und Rumänien und aus russischer Sicht atomwaffenfähiger Raketenabwehrsysteme in Rumänien. Die Ukraine wurde schon vor 2022 vor allem durch westliche Staaten aufgerüstet. Auf der russischen Seite folgten ab 2008 eine intensivierte Aufrüstung und eine aggressivere Außenpolitik u.a. in Georgien, Syrien und Mali. Sie gipfelte in der Annexion der Krim, den Interventionen im Donbas und schließlich in dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg auf die Ukraine.

Dabei wurde erst Russlands Fehleinschätzung im zurückgeschlagenen Vormarsch auf Kiew und im Nordosten der Ukraine sichtbar. Zwei Jahren später zeigte sich dann auch die Überheblichkeit des Westens. Erst scheiterte der Versuch, Russland durch ökonomischen Druck zur Aufgabe zu zwingen. Denn die Glaubwürdigkeit der USA und der Nato war spätestens seit den völkerrechtswidrigen Angriffskriegen im Irak und in Afghanistan aufgebraucht. Schon 2022 beteiligte sich – außer den Staaten der Nato und ihrer unmittelbaren – Verbündeten gerade im Globalen Süden kein Land an den verhängten Sanktionen. Die Länder der OPEC weigerten sich, ihre Förderkapazitäten nennenswert zu erhöhen, und hielten an der Kartellbildung mit Russland (OPEC+) fest. Russland gelang es, den Export von Energieträgern in den Westen u.a. durch Verkäufe nach China und Indien, die Umstellung des Zahlungsverkehrs auf Yuan und Rubel und gestiegene Weltmarktpreise auszugleichen. Die russische Konjunktur wird außerdem durch steigende Löhne und Rüstungsausgaben angekurbelt. Die Folgen der Sanktionen schlagen auf den Westen, insbesondere Westeuropa zurück. Die Wachstumsprognosen von IWF und OECD gehen von einem höheren Wachstum in Russland als in den USA, der Eurozone und dem Konjunktur-Schlusslicht Deutschland aus.

Die Fehleinschätzung des Westens betrifft auch den Kriegsverlauf, wo die russische Armee nach der gescheiterten Gegenoffensive der Ukraine wieder vorrückt. Dort fehlt es an Waffen, Munition und Soldat*innen. Die Strategie der Zermürbung des Westens scheint aufzugehen. In den USA stößt die Biden-Regierung schon jetzt auf Schwierigkeiten, weitere Kriegskredite zu mobilisieren. Die wahrscheinliche Wiederwahl von Donald Trump zum US-Präsidenten wird dann wohl das Ende des US-Engagements bedeuten. Wie die europäischen Nato-Staaten die weiteren Kriegskosten zuzüglich fast einer halben Billion US-Dollar für den Wiederaufbau aufbringen und politisch durchsetzen wollen, wird das Geheimnis dieser Regierungen bleiben. Bei aufrechterhaltener Schuldengrenze und ohne Steuererhöhungen können diese Summen nur durch ungekannte Kürzungen im Sozialetat und bei der Instandhaltung von Infrastruktur finanziert werden. Angesichts der längst ausufernden Wahlerfolge rechter Parteien käme das einer auch politischen Selbstzerstörung gleich. Es ist zu befürchten, dass künftigen Krisen autoritärer begegnet wird.

1914 revisited?

Der Krieg in der Ukraine wird oft mit dem Ersten Weltkrieg verglichen. Angesicht von seinerzeit 17 Millionen Toten ist das weit überzogen. Trotzdem lassen sich beunruhigende Parallelen ausmachen. Es ging damals wie heute um eine Neuaufteilung der Welt in imperiale Einflussgebiete. Die 1815 auf dem Wiener Kongress ausgehandelte Friedensordnung hatte über ein Jahrhundert lang gehalten. Dann kamen mit Japan und den USA, noch wesentlicher aber mit dem Deutschen Reich, aufstrebende Mächte hinzu, die ihrerseits imperiale Ansprüche erhoben.

Heute zerfällt die 1945 auf der Krimkonferenz in Jalta vereinbarte Weltordnung. Vor allem mit China ist eine weitere Großmacht entstanden, die die Hegemonie der USA herausfordert. Insofern macht es kaum Sinn, den Krieg in der Ukraine isoliert zu betrachten. Er ist Teil eines Kampfes um eine Neuaufteilung der Welt, bei dem es darum geht, wechselseitig militärische Fähigkeiten zu binden und zu verschleißen. Er wird darum wohl nur den Beginn einer globalen Eskalation markieren. Die Gefahr eines atomaren Weltkriegs bliebe auch nach seinem möglichen Einfrieren bestehen. Außerhalb von Europa wird längst mit einem Krieg zwischen China und den USA um Taiwan, als dem Land, das weltweit den absoluten Großteil an Halbleitern liefert, gerechnet.

Es ist gegenwärtig für Basisbewegungen äußerst schwierig, in diese Auseinandersetzung einzugreifen. Einerseits sind der wirtschaftliche Niedergang, die kulturelle und politische Zersetzung und die erratische Überforderung der Regierungen im Westen besorgniserregend. Andererseits sind China und Russland autoritäre und ebenfalls imperialistische Staaten, die oppositionellen Kräften kaum Spielraum lassen. Es wäre fatal, sich auf die Seite solcher Staaten zu stellen. Trotzdem kann eine neue internationale Ordnung nur zwischen den existierenden Großmächten China, den USA, Indien, Russland und mit abnehmender Relevanz auch der EU ausgehandelt werden. Es greift darum zu kurz, nur ein Ende des Kriegs in der Ukraine zu fordern. Eine zeitgenössische Friedensbewegung muss sich für eine globale Friedensordnung einsetzen und Bündnisse mit sozialen Bewegungen in allen anderen Ländern suchen. Dabei ist für Kriegsgegner*innen weltweit jeweils in dem Land, in dem sie leben, immer die eigene Regierung die erste Adresse.

Diskussionsgruppe Frieden Hannover

ist ein kleiner Kreis, der aus Leuten aus Wissenschaft und Gewerkschaften besteht. 2022 haben wir begonnen, den bisherigen politischen Austausch systematischer zu betreiben und Diskussionsbeiträge vorzubereiten.

 

Anmerkung:

Der vorliegende Text basiert auf einer Langfassung, die auf der Homepage des Friedensbüros Hannover e.V. unter https://frieden-hannover.de abrufbar ist. Diesem Text können auch umfangreiche Literaturangaben zu den hier verschriftlichten Thesen entnommen werden.

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