Kein Vertrauen in ein AfD-Verbot
Zur Debatte um eine linke AfD-Verbotskampagne
Von Ferat Koçak
Eine Welt ohne AfD? Eine wunderbare Vorstellung. Das finden auch 47 Prozent der Bundesbürger*innen, die laut Forsa-Umfrage ein Verbot der AfD begrüßen würden. Tut sich hier ein Fenster auf für ein verbindendes antifaschistisches Projekt mit Schlagkraft? Welche Hürden und Fallstricke gibt es? Wir haben drei Antifaschist*innen nach ihrer Meinung gefragt.
Zugegeben: Die Vorstellung, schon bei der nächsten Bundestagswahl keine Hetzplakate, Infostände oder Kandidierenden der AfD sehen zu müssen, ist verlockend. Trotzdem bleibt die »Verbots-Lösung« nur eine oberflächliche Symptombekämpfung und verkennt die fatale Rolle, die Staat und Justiz im Kampf gegen rechts in den vergangenen Jahren eingenommen haben.
Meine Familie und ich wurden zu Beginn des Jahres 2018 Opfer eines lebensgefährlichen Brandanschlags, der ohne Frage von Nazis ausgeübt wurde. Dieser Brandanschlag reihte sich in den Jahrzehnte andauernden rechten Terror ein, der bundesweit unter dem Begriff »Neukölln-Komplex« bekannt wurde. Der Komplex dient leider sehr gut als Folie für die Fragestellung nach einem AfD-Verbot. Einer der unverurteilten Hauptverdächtigen war zwar schon vor der Entstehung der AfD gewaltbereiter und organisierter Nazi, fand aber dann bei den Blauen eine politische Heimat. Er war dort nicht nur einfaches Mitglied, sondern längere Zeit im Bezirksvorstand der Partei in Neukölln.
Es ist kein Zufall, dass das dort für niemanden ein Problem darstellte. Die Verbindungen zwischen der extremen Rechten und der AfD sind nicht nur zahlreich dokumentiert, sie sind organischer Teil der Partei. Klar: Bekennende Nazis profitieren von dem scheinbar bürgerlichen Gewand, sie haben Zugriff auf Finanzen und Öffentlichkeit und legalisieren ein Stück weit ihre Umtriebe. Aber ebenso klar ist: Die extreme Rechte, ob im Anzug oder mit Glatze, verschwindet durch ein Verbot nicht einfach, ebenso wenig wie die Ursachen für ihren Aufschwung und Aufstieg einfach verschwinden.
Die Ursachen für den Aufstieg der Rechten werden nicht mitverboten. Es gibt keine Abkürzung im Kampf gegen Faschismus und Kapitalismus.
Der Neukölln-Komplex hat mir zudem extrem deutlich und plastisch gemacht: Der bürgerliche Staat und seine Institutionen, an welche wir mit einem Verbotsverfahren zwangsläufig appellieren, ist Komplize – mindestens in der Verschleierung des rechten Terrors. Dass auf ihn in dieser Frage kein Verlass ist, bekommen vor allem migrantisierte Opfer rechter Gewalt immer wieder schmerzhaft zu spüren. In meinem Fall reichte das von Cops, die mich nicht vor den akuten Anschlagsplänen warnten, über Kriminalpolizisten, die sich mit Verdächtigen in Kneipen trafen, und involvierte Staatsanwälte, die keinen Hehl aus ihrer AfD-Sympathie machten, bis hin zu einer Richterin, die meine psychische Betroffenheit anzweifelte und mich nicht als Nebenkläger zulassen wollte.
Aber auch jenseits der direkten persönlichen Erfahrung und Betroffenheit habe ich einen ganz grundlegenden politischen Widerspruch zum AfD-Verbot. Wir sollten uns in der Analyse der Ursachen für das Erstarken der AfD soweit einig sein, dass die soziale Ungleichheit in diesem Land zwar kein Automatismus für einen Rechtsruck, aber ein fruchtbarer Nährboden ist. Die unsoziale Politik der Ampel, die ihre Wurzeln im Neoliberalismus und demnach im Kapitalismus hat, spaltet unsere Gesellschaft an allen Ecken und Enden. Diese Ursachen werden nun mal nicht einfach mitverboten. Es gibt keine Abkürzungen im Kampf gegen Faschismus und Kapitalismus. Uns wird auch weiterhin nichts anderes übrigbleiben, als dem Faschismus dort, wo er offen auftritt, mit starken Mobilisierungen entgegenzutreten und gleichzeitig die Ursachen für Ausbeutung und Unterdrückung zu bekämpfen.
Weitere Beiträge:
Eine antifaschistische Kampagne für ein AfD-Verbot? Cornelia Kerth meint, der Einsatz wurde sich lohnen. Johannes Tesfai glaubt, eine Verbotsdiskussion würde die AfD nicht mal diskursiv in die Enge treiben.