Die Bürgerlichen sind Kompliz*innen der Rechten
Zur Debatte um eine linke AfD-Verbotskampagne
Von Johannes Tesfai
Eine Welt ohne AfD? Eine wunderbare Vorstellung. Das finden auch 47 Prozent der Bundesbürger*innen, die laut Forsa-Umfrage ein Verbot der AfD begrüßen würden. Tut sich hier ein Fenster auf für ein verbindendes antifaschistisches Projekt mit Schlagkraft? Welche Hürden und Fallstricke gibt es? Wir haben drei Antifaschist*innen nach ihrer Meinung gefragt.
Die Entwicklung der AfD war in den letzten Jahren zweifellos eine nach rechts. Der formal aufgelöste völkische »Flügel« um Björn Höcke hat der Partei seinen Stempel aufgedrückt. AfD-Mitglieder mit ähnlichen Einstellungen rücken in wichtige Positionen vor, wie der Spitzenkandidat für die Europawahl, Maximilian Krah.
Ein staatliches Verbot der AfD ist also naheliegend. Aber sowohl die gescheiterten Verbotsverfahren gegen die NPD als auch die gegenwärtige Konjunktur rechter Themen verheißen wenig Gutes. Wahrscheinlich wird eine Verbotsdiskussion die AfD nicht mal in eine diskursive Enge treiben.
Aber von vorne: Nachdem 2003 ein Verbot der NPD aufgrund von zu vielen V-Leute in ihrem Umfeld gescheitert war, führte 2017 auch ein zweiter Versuch der Bundesländer nicht zum gewünschten Ziel. Diesmal scheiterte das Verbot nicht an der nachgewiesenen Verfassungsfeindlichkeit der rechtsextremen Partei. Das Bundesverfassungsgericht wollte nicht verbieten, weil die NPD politisch zu unbedeutend sei.
Das Urteil hat auch gezeigt, dass das Bundesverfassungsgericht durchaus ein politisch-taktisches Verhältnis zur Anwendung des Grundgesetzes hat. Es ist daher fragwürdig, ob das Gericht eine Partei verbieten würde, die in manchen Landesteilen stärkste Kraft in den Parlamenten werden könnte. In der Verwaltungssprache also »Teil der politischen Meinungsbildung« ist.
Grundlage der Vorstellung, man könne AfD-Positionen durch ein Parteiverbot tabuisieren, ist der Irrglaube an einen Konsens der Demokrat*innen.
Die Aussichtlosigkeit eines Verbotsverfahrens dürfte auch vielen Befürworter*innen dieses Vorstoßes klar sein. Sie hoffen aber dennoch, dass durch so eine Initiative zumindest eine gesellschaftliche Debatte über die rassistischen und faschistischen Positionen angestoßen werden könnte. Gar eine Marginalisierung von AfD-Mitgliedern erreicht werde, die in Polizei, Justiz oder dem staatlichen Bildungssektor arbeiten.
Grundlage dieser Tabuisierung von AfD-Positionen ist der Glaube an einen Konsens der Demokrat*innen. Aber diese scheinbaren gemeinsamen Werte sind oft nur Teil von Sonntagsreden, die nicht in politisches Handeln umgesetzt werden, geschweige denn profilgebend für viele Parteien des demokratischen Spektrums waren und sind. Deutsche Konservative operieren oft mit einem Freiheitsbegriff, der sich am freien Markt orientiert, aber kaum demokratische Mitbestimmung kennt. Das völkische Abstammungsrecht ist erst vor wenigen Jahren aus dem deutschen Staatsbürger*innenrecht verschwunden. Eine Entwicklung, die die AfD gerne zurückdrehen würde.
Ein weiteres Argument ist, dass die AfD eine Kultur des Zusammenlebens hierzulande stören würde. In der öffentlichen Auseinandersetzung könnten die anderen Parteien dazu gezwungen werden, sich in Sachen Asyl und Rassismus klar zu positionieren. Das tun Politiker*innen auch, jedoch nicht wie die Verbotsbefürworter*innen es gerne hätten. Der jüngste Vorstoß der sozialdemokratischen Innenministerin Nancy Faeser, nicht straffällig gewordene Mitglieder vermeintlicher »Clan-Familien« abzuschieben, erinnert an Sippenhaft. Das rechte Gesellschaftsbild aus marktkonformem Obrigkeitsdenken und Rassismus ist Teil der demokratischen Öffentlichkeit.
Schlechte Zeiten also für eine Verbotsdiskussion, die am Ende noch politische Kräfte bindet, die im Kampf gegen Rassismus und Faschismus dringend gebraucht werden.
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