Happy schnappy Birthday …
… und einige Wünsche für die Zukunft von Ayesha Khan, Thomas Ebermann, Dominique Haensell, Andrea Ypsilanti, Kolja von der Antilopen Gang und vielen anderen
Mehr Utopie!
Meine erste Begegnung mit dem AK hatte ich als Jugendlicher in Baden-Baden Anfang der 1980er Jahre. Rüdiger, etwas älter als ich und um einiges besonnener, war beim KB und vertrieb die Zeitung. Er war sowas wie mein erster politischer Tutor. Während ich eher auf Krawall gebürstet war, wusste Rüdiger, was er wollte, wohin der Kampf führen sollte, und vor allem war er in der Lage, das in einer Art zu vermitteln, dass auch ein hormongeschüttelter Luftikus wie ich sich das anhören wollte. Mit seiner Zeitung dagegen konnte ich damals nicht viel anfangen. Irgendwie weltfremd kam sie mir vor, nicht am Puls der Zeit. Klassenfrage? Rechte der Arbeiter*innen? Meine Bestrebungen gingen damals eher dahin, überhaupt nicht mehr arbeiten zu müssen. Ich habe die Zeitung als langweilig in Erinnerung, aber wahrscheinlich habe ich sie damals zu wenig gelesen, um das beurteilen zu können.
Ich weiß nicht, ob ich mich so sehr geändert habe oder die Zeitung, aber heute finde ich die ak überhaupt nicht mehr langweilig. Hat vielleicht auch was mit dem Alter zu tun: Nicht nur die ak ist 50 geworden, auch ich bin schon längst drüber. Ich hole mir aus ihr Denkanstöße zu grundsätzlichen Fragen, die ich in den moralisierenden Debatten der deutschen Linken ansonsten oft vermisse. Gerade, wenn man sich wie ich ein Bild von außen machen muss, ohne selbst teilnehmen zu können (ich lebe umständehalber nicht in Deutschland), ist die Vermittlung von Diskussionen essenziell. Ich finde, die ak da immer so schön »grounded«. Anstatt sich an Erscheinungen abzuarbeiten, versucht sie, an die Wurzeln zu kommen. Zum Beispiel die Beiträge, die die Genderdiskussion ökonomisch eingeordnet haben. Oder die solidarische Begleitung der Klimabewegung bei ihrer politischen Findung: Wann werden sie merken, dass ewiges Wachstum und Erhalt der Lebensgrundlagen nicht miteinander vereinbar sind und dass der ideelle Gesamtkapitalist der falsche Adressat für ihre Appelle ist? Erfreulich fand ich auch, dass sich die ak seit Beginn der Corona-Krise nicht wie viele andere nur an Schwurbler*innen und Impfmissionar*innen abgearbeitet hat, sondern sich den wichtigeren Fragen widmet wie zum Beispiel dem autoritären Umbau im Windschatten der Pandemiebekämpfung.
Ich würde mir mehr konkrete Überlegungen über linke Utopien wünschen. Wie könnte eine herrschaftsfreie Gesellschaft aussehen jenseits vom Diktat des Kapitalismus? Manchmal scheint es mir, dass wir uns so sehr an die bestehenden Verhältnisse gewöhnt haben und so frustriert sind von den gescheiterten Versuchen, dass wir uns nicht mehr trauen, von etwas anderem zu träumen, und uns nur noch an der Brutalität der Verhältnisse abarbeiten. Aber solche Vorstellungen sind wichtig; sie geben uns Kraft, um weiter zu kämpfen. Aber so, wie es ist, kann es ja nicht ewig weitergehen. Das System stößt immer härter an seine Grenzen; ein Kollaps scheint unausweichlich. Und was kommt dann? Die totale autoritäre Dystopie? Oder werden im Zusammenbruch Räume entstehen, um etwas ganz anderes auszuprobieren? Wenn wir eine konkretere Vorstellung davon haben, wie wir unser Zusammenleben jenseits der Ausbeutung von Mensch und Umwelt gestalten wollen, könnten wir in solch einer nicht ganz unwahrscheinlichen Situation gestaltend wirken.
Thomas Walter, früher im K.O.M.I.T.E.E., lebt im Exil in Venezuela
Alles, was ich will
Die ak vereint alles, was ich mir von einer linken Zeitung wünsche: antirassistische, antifaschistische, feministische Analysen und materialistische Ansätze zu aktuellen, aber auch historischen, gesellschaftspolitischen Themen. Immer wieder hat sie wichtige Debatten ausgelöst und linke Praxis beeinflusst. Dabei ist die ak nie dogmatisch. Ich wünsche mir, dass uns die analyse & kritik noch lange erhalten bleibt.
Ayesha Khan, Journalistin und Autorin
Ausnahmsweise: Weiter so!
Auch wenn ich den AK nur kurze Zeit mal abonniert hatte, hat er mich in meiner gesamten politischen Arbeit begleitet. In den 1980ern war er in manchen Zusammenhängen so etwas wie die Bibel: »Was steht denn im AK dazu, das habe ich so gelesen im AK …« (da war der Name noch Arbeiterkampf). Heute ist ak eine wichtige Zeitung in der Bewegung (wie auch immer mensch sie nennen mag) – die der Analyse und Kritik einen wichtigen Raum gibt. Wir brauchen natürlich keine Bibel, sondern ein Medium, das eine offene, linke Diskussion und Information zulässt und verbreitet.
Ich wurde bestimmt gefragt, etwas zu schreiben, weil ich Teil der Berliner Krankenhausbewegung bin beziehungsweise schon seit Jahren gewerkschaftlich aktiv bin und auch in Bündnissen aktiv für gute Arbeitsbedingungen im Gesundheitswesen und gegen eine profitorientierte Gesundheits- und Daseinsversorgung kämpfe. Es ist wichtig, einen Ort zu haben, wo solche kritischen Auseinandersetzungen, die auch innerhalb von Gewerkschaften stattfinden, vorgestellt und diskutiert werden können. Also in diesem Fall ausnahmsweise: Weiter so!!
Silvia Habekost, Krankenpflegerin, aktiv in der Berliner Krankenhausbewegung
Gut für die Zähne
Ich lese seit vielen Jahren die ak, weil ich darin das finde, was die sogenannten Leitmedien entweder ignorieren oder nicht wahrhaben wollen. Die Analysen sind kritisch, aber nicht dogmatisch. Die Kritik an den herrschenden Verhältnissen ist analytisch, historisch vermittelt, aber zumeist nicht voluntaristisch. Sie erweitert den Horizont.
Die ak informiert, recherchiert und kommentiert die aktuellen Bewegungen. Kritisch, aber selten moralinsauer, mit Sympathie, aber ohne falsche Fraternisierung. Die ak zeigt internationale Zusammenhänge und Entwicklungen auf, verdrängt aber nicht die Entwicklungen vor Ort, weder die kleinen noch die großen.
Nicht immer teile ich die Analysen oder Schlüsse der Texte. Aber sie regen mich meistens an zu reflektieren. Kurzum: Die ak ist kein journalistisches Fast Food. Wer sie liest, hat etwas zum Kauen und zum verdauen.
Andrea Ypsilanti, ehemalige SPD-Landesvorsitzende Hessen und langjährige ak-Leserin
Eine besondere Bedeutung
Zum 50-jährigen Jubiläum der analyse & kritik darf ich ein paar Worte schreiben. Das schätze ich sehr, weil die ak für mich von besonderer Bedeutung ist. Meinen ersten Artikel über Hanau habe ich für die ak geschrieben. Als potenzielles Opfer eines rassistischen Anschlags, als Bekannte einer Hinterbliebenen und als Journalistin, für die Hanau eine Zäsur ist, hat der Artikel für mich eine besondere Bedeutung, auch wenn der Anlass kein guter war.
Auch möchte ich darauf aufmerksam machen, dass auf der offiziellen Seite der ak steht, dass sie »einen Gebrauchswert für politisch aktive Linke« haben soll. Daher sehe ich mich in einer linken, antikapitalistischen, antirassistischen und feministischen Zeitung herzlich willkommen. Für diejenigen, die das nicht wissen: Die ak hat keine Chefs, entscheidet kollektiv, und das ist ein Anlass, sie zu fördern, zu unterstützen und ohnehin, sie zu lesen! Danke für eure Arbeit.
Dîlan Karacadağ, freie Journalistin
Drei verkauft
Die ak beziehungsweise früher der »Arbeiterkampf« begleitet mich mein ganzes politisch denkendes Leben. Damals, in den 1970er Jahren, gab es noch den Straßenverkauf. Mein Höchstabsatz vor der Schule waren drei Zeitungen, der Schrecken des Direktors über die »Kommunist*innen« und damals noch »RAF-Sympathisant*innen« in »seiner« Schule dafür umso größer. Anfang der 1980er Jahre habe ich immerhin mal einen Artikel im AK geschrieben. Da gab es noch die großen elektrischen IBM-Schreibmaschinen mit damals cooler Löschfunktion. Sehr lange her. Umso schöner, dass und wie ihr das Kollektiv und die Zeitung fortführt.
Margarete Siemen, langjährige Leserin
Woher die Zuversicht
Was im AK stand, vor 50 oder 45 Jahren, war, über den Daumen gepeilt, weder stilistisch noch inhaltlich besser als heute – und heute (wie damals) übertrifft die Zahl sich als links verstehender Publikationen, die das Niveau der ak unterschreiten, deutlich jene, die klüger und informativer sind. Diese Feststellung birgt kein altersmildes Immerhin, sondern soll darauf verweisen, dass (Selbst-)Kritik und Vergleich Antagonismen sind.
Die Geschichte des und der ak ist auch eine von zwei Spaltungen. Die zweite – rund zehn Jahre nach der, in die ich involviert war – hatte zum Kern, wie man sich zur deutschen Wiedervereinigung positionieren sollte. Gesiegt hat in diesem Streit, im Namen des »Selbstbestimmungsrechts der Völker«, die Auffassung, dass sie zu akzeptieren sei, dass sie ja auch Chancen, nicht nur Gefahren in sich berge, dass man gestalten müsse, was ohnehin nicht zu verhindern sei. Ungeachtet der komplett veränderten Zusammensetzung der Redaktion scheint mir, der Ausgang dieses Konflikts determiniert die Ausrichtung eurer Zeitung. Dabei geht es um die Verpflichtung auf Realismus und Zuversicht. Der eine killt Negation und die Artikulation des »Ganz Anderen«; die andere zwingt in die Bewunderung des temporär Erfolgreichen (Arabischer Frühling, Syriza, Podemos, linker Populismus, ZeroCovid und als letzter Schrei die KPÖ in Graz) zu einem informellen Verbot, sich mit antizipierbarer Niederlage reflektierend auseinanderzusetzen, weil schon die nächste Euphorie die Herzen entflammen soll.
Da niemand mich, den fast schon ewigen Abonnenten, zwingt, alles in ak zu lesen, breche ich jeden Artikel ab, dessen Autor*in einen Weg zur Erringung linker Hegemonie zu weisen verspricht. Bislang habe ich auch immer schnell umgeblättert, wenn es um Israel und den sogenannten Nahostkonflikt ging. Ich erlaube mir ein Fünkchen Hoffnung, nicht Zuversicht, daran zu knüpfen, dass ihr seit kürzlich dazu schweigt.
Meine lange Liste dessen, was auch nach der Pandemie fehlen dürfe und durch Abwesenheit mein Leben bereicherte, führt die Weihnachtsmärkte sehr weit oben. Die ak fehlt auf ihr, selbstverständlich. Haltet durch, macht’s (etwas) besser.
Thomas Ebermann, damals, als ak-Redakteur bis 1980: Langer
Kleine Bitte
Bitte wieder in Arbeiterkampf umbenennen.
Kolja Podkowik, Antilopen Gang
Was kommt aus Hamburg?
Es mag ja sein, dass manches vergessen wird. Arbeiterkampf Nr. 13 aber nicht. Warteten doch die Genoss*innen im kalten Dezember 1971 in der warmen WG neugierig darauf, was da aus Hamburg kommt. Dann erst selber blättern und dann auf und los. Etwas Schnee und kalt vor dem Seebeck-Werfttor gleich zehn Zeitungen verkauft für 30 Pfenning und dann ab zur Arbeit. Es gibt Geschichten noch und nöcher, aber eine bewegt mich immer wieder im Laufe der Jahre, weil der Genosse später bei einem Unfall starb. Er rettete mich Ende der 1970er mit seinem Gürtel und ein wenig Kampfsport vor den Faschos. Es gab einen Auflauf, und wir verkauften schnell den Stammheim-AK mit der Titelzeile »Wir glauben nicht an Selbstmord« recht gut. Auch heute und ganz anders und viel älter – wird der AK gelesen!
Hermann Gögel, langjähriger Leser
Super sweet
Es war Anfang 2015, und zum Auftakt des ersten Missy-Crowdfundings hatten wir eine kleine Presseveranstaltung geplant. Nix Großes, ein paar geneigte Kolleg*innen, ziemlich leckerer Haselnussschnaps, eine Voguing-Performance. Das Motto: »Mehr Gehalt. Mehr Pommes. Mehr Missy.« Und da wart ihr, nicht nur für den Schnaps, sondern mit dickem Lob für uns und unsere Kampagne und einem total schönen Blumenstrauß. Mit beidem hatte irgendwie niemand gerechnet, und ich dachte nur: richtig nett, die Leute von der ak. Für mich hat sich dieser Eindruck seitdem immer wieder bestätigt. Ihr seid einfach super sweet! Nie habt ihr die altkluge ältere Schwester raushängen lassen: Ihr wart solidarisch, habt uns unterstützt und unsere eigenen Erfahrungen machen lassen.
Heute sind wir – auch dank euch und einigen personellen Überschneidungen – viel expliziter und radikaler links als damals, euer Interesse an unseren Themen fühlte sich immer aufrichtig, immer auf Augenhöhe an. Gezeigt hat sich das zum Beispiel am gemeinsamen Dossier zu Identitäts- und Differenzpolitiken 2016. Sowieso: Als Autorin durfte ich bei euch einige meiner liebsten journalistischen Texte schreiben, echt wahr! Ich danke euch für den Raum, für die aufmerksamen Redigate, dafür, dass man die Dinge bei euch weder brutal runterbrechen noch künstlich spreizen muss. It shows.
Was 50 Jahre unabhängiger linker Journalismus für uns alle bedeuten, brauche ich wohl gar nicht erst zu betonen. Jede*r sollte so eine coole große Schwester haben!
Dominique Haensell, Chefredaktion Missy Magazine
Echt Vinyl
Meinen ersten AK bekam ich auf einer großen Demo, nur auf welcher? Entweder war es in Wiesbaden bei der Übergabe der Unterschriften für den Volksentscheid gegen die Startbahn West oder bei der Riesenfriedensdemo gegen den Nato-Doppelbeschluss in Bonn. Allerdings gab es in Bonn davon mehrere: 1981, 1982, 1983, sagt Wikipedia. Keine Ahnung, auf welcher ich war. Vielleicht auch auf zweien? Jedenfalls gab es nur einen AK, das weiß ich bestimmt. Der war ziemlich dick und tendierte zum Zerfleddern. Bei mir zu Hause gab es die Frankfurter Rundschau. Die galt als links. Vor allem war sie langweilig. Der AK war linker. Und imposanter: Die Schraubenschlüsselfaust im Titel war eine Ansage. Eine Aufforderung, die Gesellschaft zu dekonstruieren. Schraub doch mal das Radio auf, damit es andere Lieder spielt!
Im AK gab es noch mehr Text und noch weniger Fotos als in der »Rundschau«. Die Beiträge waren polemischer, aber auch hintergründiger, oft mit Fußnoten versehen. Eigentlich waren es Seminararbeiten. Das Seminar hieß: Für einen Kommunismus, der nicht blöd ist. Auch wenn damals meistens die Grünen Thema waren.
Der AK war einzigartig. Auch in Darmstadt, wo ich zur Schule ging, denn da konnte man nur ein Exemplar kaufen. Im Spontibuchladen, gegenüber vom DKP-Buchladen, wo der andere Kommunismus zu erwerben war, der in der DDR das gut fand, was er in der BRD schlecht fand: Berufsverbote, Armee und Atomkraft. Die DKP hatte ein Logo mit Deutschlandfahne, wie die SPD. Das wirkte nicht sehr vertrauenerweckend. Manchmal war das einzige Exemplar des AK im Spontibuchladen schon ausverkauft. Deshalb musste ich den AK abonnieren.
Der KB hatte kein Programm, aber eine Zeitung. Eine, die man auch lesen wollte. Das war der große Unterschied zu den anderen kommunistischen Gruppen und Parteien, zu deren Theologie und Theatralik. Später erfuhr ich, dass die gesamte Organisation in Form von thematischen Arbeitskreisen der Zeitung zuarbeitete, deren Redaktion mit dem »Leitenden Gremium« des KB identisch war. Da wurde Theorie praktisch, oder war es umgekehrt? Das fotografierte Graffiti »Mehr Dampf im Arbeiterkampf« stand lange auf der letzten Seite, wie ein Running Gag. Das Produkt war oft sehr interessant, natürlich auch die Berichte und Diskussionen darüber, wie sich der Linksradikalismus der 1970er Jahre dann endgültig in den 1990er Jahren auflöste. »Hasta la vista, baby«, wie man zu der Zeit gern den Terminator zitierte.
Der AK aber blieb und bleibt. Oder die ak. Oder nur ak. Immer noch ein Printprodukt, das ist schon mal sehr gut. Wie die Schallplatte hat diese Zeitung den bisherigen Kapitalismus überlebt. Ohne sich verdummen zu lassen. Denn die Diskussionen gehen natürlich weiter, alles andere wäre kein linkes Projekt. Sogar mit jungen Menschen, olé olé! Von mir aus könnten die Artikel wieder viel länger sein. Doch die Zeitung sieht dabei besser aus als je zuvor. Muss ich zugeben. Die Schönheit kommt von innen, oder? Leider ohne die Faust mit dem Schraubenschlüssel.
Christof Meueler, Literaturredakteur nd-Feuilleton