Sexualisierte Gewalt in der Kirche
Von Marie Hoffmann
Es ist bemerkenswert, mit welcher Obsession die Kirche nach kindermordenden Satanssekten sucht: Das Bischöfliches Seelsorgeamt Augsburg veranstaltete 2008 einen Studientag zum Thema »Teufelsglaube und Satanismus. Facetten eines Problems«. Besonders engagiert ist das Bistum Münster, das ein Aufklärungs-Video bei Youtube veröffentlichte, in dem auch Michaela Huber zu Wort kommt. Die bekannte Therapeutin wurde dieses Jahr für den Preis »Aluhut des Jahres« nominiert. 2017 fand an der katholischen Hochschule in Münster die Tagung »Rituelle Gewalt – Wissen schützt« statt. Brigitte Hahn vom Referat Sekten- und Weltanschauungsfragen im Bischöflichen Generalvikariat Münster sprach über Kulte, die »planmäßig und systematisch zu Werke gehen, um ihre sexuellen und rituellen Gewaltfantasien auszuleben.« Auf der Webseite kirche-und-leben.de werden vermeintliche Augenzeugenberichte zitiert: »Die Satanisten führten ein Doppelleben: tagsüber als gute Bürger und Christen, nachts und an über 100 rituellen Feiertagen gingen sie den Kulten nach. Viele von ihnen seien in kirchlichen und gesellschaftlichen Ehrenämtern engagiert.«
Ach wirklich? Was lange unter dem heiligen Gewand des Schweigens verborgen blieb, tröpfelt seit einigen Jahren an die Öffentlichkeit. Es gibt massenhaft Fälle von sexualisierter Gewalt an Kindern und Jugendlichen. Doch anders als die Sektenstelle des Bistums Münster vermutet, findet dieser nicht in abgründigen Teufelskatakomben statt, sondern in ihrer eigenen Institution. Keine Schule, kein Sportverein und keine Jugendeinrichtung wäre noch geöffnet, wenn in ihnen sexualisierte Gewalt in vergleichbarem Ausmaß stattgefunden hätte – zu Recht.
Doch in der katholischen Kirche sucht man lieber nach den Satansbrüdern, die Ritualmorde begehen. Unterdessen zeigen erste Forschungen, dass sich mindestens 4,4 Prozent aller Kleriker in Deutschland sexualisierter Gewalt an Kindern schuldig gemacht haben. Betroffen von den Übergriffen sind 3.677 Kinder und Jugendliche – das Dunkelfeld ist riesig. Nach einer 2018 veröffentlichen Studie, die im Auftrag der deutschen Bischöfe erstellt wurde, sind allein im Bistum Münster mindestens 450 Betroffene und 138 beschuldigte Kirchenmänner zu verzeichnen. Ist die Suche nach dem Satan vielleicht ein Ablenkungsmanöver?