Das Auto und der Klassenkampf
Von Jan Ole Arps
Das Auto und die Arbeiterbewegung haben eine lange, wechselvolle Geschichte, und noch immer sind die Vorstellungen von radikalen Streiks durch jene Bilder geprägt, die in den Arbeiterkämpfen in der Automobilindustrie entstanden. Alles begann in den 1930ern: Die US-Autoindustrie, deren Produktionsprozess Henry Ford durch die Einführung des Fließbands revolutioniert hatte, galt vielen Linken als nahezu unorganisierbare Branche.
Das änderte sich, als Arbeiter*innen die Störungsanfälligkeit des strikt getakteten Fließbands erkannten. Ihre Sitzstreiks und Werksbesetzungen verhalfen der Gewerkschaftsbewegung in den USA zum Durchbruch. In Europa kam die große Zeit der Autoarbeiter*innen nach dem zweiten Weltkrieg. Die militanten Streiks bei FIAT in Turin und in anderen Fabriken Norditaliens inspirierten sogar einen eigenen marxistischen Theoriestrang: den Operaismus.
Auch in Westdeutschland wurde die Autoindustrie zur Bastion der Gewerkschaften. Allerdings wurden sie nicht von allen Arbeiter*innen als gute Vertretung empfunden. Sogenannte Gastarbeiter*innen, die in den 1960ern und 1970ern in den besonders harten und schlecht bezahlten Jobs in den Fabriken arbeiteten, reagierten auf das Desinteresse der Gewerkschaften mit wilden Streiks, der berühmteste ist der Fordstreik 1973 in Köln. Auch in Europas Autofabriken erkämpften Arbeiter*innen enorme Lohnsteigerungen und Mitbestimmungsrechte – worauf die Unternehmen ab den 1980ern mit Rationalisierungen und Produktionsverlagerung reagierten. Im letzten Jahrzehnt fanden die größten Streiks in Autowerken in China statt, während in deutschen Fabriken längst Ruhe eingekehrt war.