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|Thema in ak 664: Brandanschläge

»Egoisten und Vandalen, Lokalpatrioten aus Ostwestfalen«

Die Stadt Bad Salzuflen kämpft gegen die Unterbringung von Geflüchteten in der Corona-Pandemie – in den Nachbarstädten brennen migrantisch geführte Geschäfte

Von Carina Book

Hotspot Ostwestfalen Karte: Vincent Orth

Die Grauzonen-Band »Split Image« schrieb einst eine Hymne auf den Landstrich, der sich Ostwestfalen nennt. In ihrem Refrain heißt es: »Egoisten und Vandalen, Lokalpatrioten aus Ostwestfalen«. Und bei genauem Hinsehen erscheint dies keine unzutreffende Beschreibung zu sein.

Bad Salzuflen

Zu Beginn der Corona-Pandemie geriet ein ehemaliges Kurhaus in Bad Salzuflen in den Fokus von rechten Brandstiftern. Das leerstehende Gebäude sollte beschlagnahmt werden, um darin Geflüchtete unterzubringen, die zur Corona-Risikogruppe gehörten. Zuvor hatte die Stadt Bad Salzuflen dem DRK Landesverband Westfalen-Lippe e.V. die Nutzung des Sophienhauses zur Unterbringung von Geflüchteten unter Androhung von »Zwangsgeldern« in Höhe von 25.000 Euro untersagt. Durch die Geflüchteten entstehe eine »Mehrbelastung«, die »die Funktionsfähigkeit der Verwaltung zum Schutze der Bevölkerung« erschwere, heißt es in einer Stellungnahme der Stadt. Lobende Worte hierfür findet Manfred Rouhs auf dem extrem rechten Hetzportal PI-News. »Die Stadt wehrt sich dagegen tapfer«, so der ehemalige Bundesvorsitzende der islamfeindlichen Partei Pro Deutschland. Und auch auf Facebook wurde gegen die Aufnahme von gesundheitlich gefährdeten Geflüchteten mobilisiert. In einem Post des AfD-Kreisverbands Lippe vom 9. April 2020 um 10:43 Uhr heißt es: »Das beschlagnahmte Sophienhaus kann somit schnell zu einem Quarantäne-Lager voller Infizierter werden – dies muss verhindert werden!« Um 12:11 Uhr sind bisher unbekannte Täter schon zur Tat geschritten. Am Fürstenhof, dem angrenzenden Gebäude, entdecken Ermittler*innen drei Glasflaschen sowie eine zerbrochene Glasflasche, die mit Brandbeschleuniger gefüllt waren, dazu einen schwarzen Handschuh, Stofffetzen und über dem Eingang des Gebäudes den Schriftzug: »Keine Asylanten« – offenbar eine Verwechslung, denn das Haus, in dem Geflüchtete untergebracht werden sollten und schließlich auch wurden, blieb unversehrt. Einem ortskundigen Brandstifter wäre das wahrscheinlich nicht passiert.

Nur fünf Monate später brennt es in Bad Salzuflen erneut. Am 18. September 2020 zünden die Brandstifter einen PKW an, den sie zuvor mit einem Hakenkreuz beschmiert hatten. Einen rechten Hintergrund des Brandes halte die Staatsanwaltschaft Detmold für »nicht fernliegend«. Auf die Frage, ob es in Bad Salzuflen und Umgebung eine aktive rechtsextreme Szene gebe, teilte die Staatsanwaltschaft Detmold mit: »Natürlich gibt es auch im Kreis Lippe und in den angrenzenden Gebieten eine rechte Szene.« Keine weiteren Angaben wollte die Staatsanwaltschaft dazu machen, was zum Schutz der Betroffenen getan wurde und ob es einen Zusammenhang zum Brand am 9. April 2020 gebe. Vor dem Hintergrund eines weiteren rassistischen Übergriffs am 28. August 2020 in Bad Salzuflen, bei dem ein 57-Jähriger aus einer Gruppe von acht Personen heraus angegriffen und verletzt wurde, müssen sich sowohl die Staatsanwaltschaft in Detmold, die Stadt Bad Salzuflen und auch die Zivilgesellschaft fragen lassen, was sie zum Schutz von Menschen mit Migrationshintergrund und nicht-weißen Menschen unternehmen wollen.

Bad Oeynhausen

Etwa 20 Kilometer von Bad Salzuflen entfernt brennt es seit Jahren in trauriger Regelmäßigkeit. Noch vor der Eröffnung im Juli 2016 wurden bei dem syrischen Lebensmittelgeschäft »Syrian House« in Bad Oeynhausen die Schaufenster mit Steinen eingeworfen. Im Oktober darauf beschmierten Unbekannte die Hauswände des Geschäfts und den Imbisswagen. In der Nacht zum Neujahr 2018 brannte das Geschäft lichterloh. 17 Bewohner*innen der darüber liegenden Wohnungen mussten evakuiert werden. Die Mordkommission »Eiding« übernahm die Ermittlungen. Die Ergebnisse liegen uns nicht vor. Am 31. August 2017 brannte eine Shisha-Bar in Bad Oeynhausen – inmitten der Fensterscheibe ein großes Loch. War es durch die Hitze entstanden oder doch durch das Einwerfen der Scheibe mit Brandbeschleuniger? Die Brandermittler kamen zu dem Ergebnis, dass »eine Brandlegung von außen auszuschließen« sei.

Ein Jahr später entging eine aus Syrien stammende Familie nur knapp einem Brandanschlag: Unbekannte versuchten am 24. November 2018 Feuer in ihrem Haus zu legen. Glücklicherweise war die Familie zu diesem Zeitpunkt nicht zu Hause und bemerkte erst nach der Rückkehr, dass in mehreren Räumen Brandbeschleuniger ausgekippt worden war. Die Polizei Bielefeld teilte mit, dass sie keine Hinweise auf eine politisch motivierte Tat erkennen könne.

Lübbecke

Wenige Tage vor dem versuchten Brandanschlag auf eine syrische Familie in Bad Oeynhausen brannte es am 20. November 2019 in einer Shisha-Bar in Lübbecke, das 20 Kilometer von Bad Oeynhausen entfernt liegt. Ein Nachbar entdeckte das Feuer, das in einem Lagerraum im Erdgeschoss ausgebrochen war, und alarmierte sofort die Feuerwehr. Zur Frage der Brandursache gab die Polizei an: »Aufgrund der erheblichen Zerstörungen im Bereich des Brandherdes können derzeit keine Rückschlüsse auf eine Brandursache getroffen werden. Die Ermittlungen dauern an.« Am 27. Februar 2020 brannte es erneut in Lübbecke. Diesmal stand der »Al Sham Grill« in der Bäckerstraße in Flammen. Die Ermittler fanden Brandbeschleuniger am Tatort und gehen von einer Brandstiftung aus. In den Wohnungen über dem Imbiss befanden sich zum Zeitpunkt des Brandes Menschen, die glücklicherweise unverletzt blieben. Die Polizei geht davon aus, dass der oder die Brandstifter den Tod dieser Menschen in Kauf genommen hätten, und ermitteln deshalb wegen versuchten Mordes. Eine politische Motivation schließen Staatsanwaltschaft und Polizei nicht aus.