Möge das Gold mit dir sein
Warum das All von Milliardären und Konzernen übernommen werden könnte
Von Baha Kirlidokme
Wenn Western auf Space Opera trifft, bedeutet das entweder einen neuen Star-Wars-Film – oder die Zukunft der Menschheit. Denn diese steht gerade vor dem nächsten Goldrausch. Die Rolle des »Wilden Westens« übernimmt dabei der Weltraum. Die Weltraumcowboys werden wahrscheinlich weniger wie Han Solo aus der Star-Wars-Saga aussehen und mehr wie die Astronaut*innen, die wir bereits kennen. Ganz vorne mit dabei sind Privatunternehmen, allen voran Elon Musks SpaceX, Richard Bransons Virgin Galactic und Blue Origin des Amazon-Chefs Jeff Bezos. Sie alle haben das ökonomische Potenzial erkannt, das im Weltraum steckt.
Dabei konzentrieren sie sich auf ganz unterschiedliche Bereiche. Die Milliardäre Bezos und Branson setzen vorerst auf Touristenflüge. Das ist zumindest wirtschaftlich durchaus sinnvoll. Durch die sinkenden Grenzkosten der Raumfahrt können sich die Tickets sogar stinknormale Millionäre leisten, die sonst natürlich ganz am Boden geblieben sind. 250.000 Dollar für einen 90-minütigen Flug bei Virgin Galactic, davon wenige Minuten Schwerelosigkeit, müssen für Nicht-Normalos wie ein Schnäppchen klingen. Musk hingegen setzt vor allem auf Auftragsflüge für die NASA oder andere private Unternehmen, sei es, um Satelliten ins All zu schießen, oder in Zukunft auch Astronaut*innen. Hinzu kommen noch weitere Unternehmen wie HyperSat, Rocket Labs, Boeing, Airbus, AXA XL oder Marsh, die an Weltraumtechnik arbeiten oder Versicherungen für Satelliten anbieten.
Nicht alles ist schlecht
Natürlich gibt es auch nichtkapitalistische Gründe, den Weltraum zu erschließen. Wir sind gerade dabei, unseren Planeten unbewohnbar zu machen. Da ist es gut, einen Plan B für die Menschheit zu haben. Die von NASA und SpaceX geplanten Mond- oder Marskolonien könnten das Überleben der Menschheit sichern und einen Neustart bedeuten. Quasi eine zweite Chance für den nicht unwahrscheinlichen Fall, dass sich die Menschheit auf der Erde selbst vernichtet. Dabei ist natürlich dahingestellt, ob die Menschheit aus ihren Fehlern lernen und auf dem Mars ökologisch lebenwürde.
Sinnvoll ist aber auch, sich Rohstoffe wie Gold, Platin oder andere Metalle zukünftig von Asteroiden zu holen, um den Raubbau an der Erde zu stoppen und unmenschliche Minen auf der Erde zu schließen. Diese Metalle sind für unsere Technologien mehr oder weniger unverzichtbar, steckt Gold doch sogar in unseren Handys. Die Technik und die Pläne für den Weltraumbergbau sind bei der NASA auch längst da. Der Goldrausch verzögert sich jedoch aufgrund der mangelhaften staatlichen Finanzierung.
Beispielsweise können wir längst Raumsonden auf kleinen Himmelskörpern landen lassen, die mehrere hundert Millionen Kilometer entfernt sind. Schon seit fast 20 Jahren. Das hat Japan erst im Februar wieder bewiesen, als es die Raumsonde Hayabusa2 auf dem Kometen Ryugu absetzte, um Gesteinsproben für die Forschung zu sammeln. Die NASA startete 2014 das Forschungsprojekt New Asteroid Initiative, das kleine Asteroiden in die Mondumlaufbahn leiten sollte. Dort sollten Astronaut*innen mithilfe von Sonden den Abbau von Gestein erproben. Die Technik dahinter war durchaus simpel und längst vorhanden. Die ersten Praxistests hätten dieses Jahr stattfinden sollen, doch der US-Kongress wollte das Projekt 2017 nicht mehr weiter finanzieren.
Staaten sind selbst schuld
Die meisten Regierungen sind nicht bereit, besonders viel Geld in ihre Raumfahrtprogramme zu stecken. Deswegen haben Milliardäre wie Musk einen leichten Markteintritt und schaffen ein Oligopol. Aktuell beträgt der jährliche Umsatz in der Weltraumwirtschaft 400 Milliarden US-Dollar, so die Schweizer Megabank UBS. Bis 2030 soll der Umsatz sogar doppelt so hoch sein. Das sind Einnahmen, die sich die Staaten der Welt entgehen lassen.
In Deutschland und Europa sieht es ähnlich aus. Airbus beliefert zum Beispiel die NASA mit dem Servicemodul für ihre bemannte Orion-Kapsel, also das Modul, das an der Kapsel befestigt wird und sie bewegt. Die Kapsel soll 2024 wieder Astronaut*innen auf den Mond bringen. Zeitgleich entstehen in Deutschland immer mehr Firmen, die für Weltraumprojekte arbeiten. Die Bundesregierung hingegen hat lange geschlafen. Im Handelsblatt zeigte sich der Raumfahrtkoordinator der Bundesregierung, Thomas Jarzombek, unzufrieden mit der Finanzierungspolitik des Bundeswirtschaftsministeriums. Für den Bundeshaushalt 2020 hätte er sich gerne eine Finanzierung für die ESA in Höhe von einer Milliarde Euro gewünscht. Die Bundesregierung hat sich jedoch entschieden, die europäische Weltraumbehörde mit nur 855 Millionen Euro zu bezuschussen, das deutsche Weltraumprogramm nur mit 297 Millionen. Dabei gilt die Ariane-Rakete der ESA schon länger als nicht mehr zeitgemäß, spätestens seit den innovativen Falcon-Raketen von SpaceX, deren Trägerraketen wiederverwendbar sind. (Siehe ak 653)
Aktuell beträgt der jährliche Umsatz in der Weltraumwirtschaft 400 Milliarden Dollar. Bis 2030 soll der Umsatz sogar doppelt so hoch sein.
Ende November allerdings trafen sich die 22 Mitgliedsländer der ESA auf der Ministerrats-Konferenz Space19+ und einigten sich auf das Rekordbudget von 14,4 Milliarden Euro für die kommenden drei Jahre. Über diese Förderung zeigte sich ESA-Generaldirektor Jan Wörner positiv überrascht. »Das ist mehr, als ich vorgeschlagen hatte«, wird er bei Spiegel Online zitiert. Deutschland ist mit 3,3 Milliarden Euro nun der stärkste Beitragszahler. Die vergangenen drei Jahre waren es insgesamt nur 1,9 Milliarden. Im Gegensatz zur Privatwirtschaft sollen die Gelder auch in den Schutz vor Asteroiden, in die Wissenschaft oder in die Erdbeobachtung wegen des Klimawandels fließen, um zum Beispiel genauere CO2-Messungen zu ermöglichen.
Auf der einen Seite gibt es die neoklassischen Ökonom*innen, die davor warnen, mehr Geld in staatliche Raumfahrtprogramme zu pumpen. Das würde nur der technologischen Innovation des privaten Sektors schaden, der gerade so wichtig für die Raumfahrt ist. So war es Elon Musk, der die wiederverwendbaren Stufen der Falcon-Raketen entwickelte, aufgrund des wirtschaftlichen Drucks, unter dem er steht. Der größte Teil der Kosten für eine Rakete ist nämlich die Rakete selbst, um genau zu sein 99,6 Prozent. Die restlichen 0,4 Prozent der Kosten entfallen auf den Treibstoff. Waren Raketen bisher nichts anderes als Einwegbehälter, sind die Modelle von SpaceX wiederverwendbar. Die Falcon-9-Rakete kostet aktuell um die 54 Millionen US-Dollar. Nach dem Start trennen sich ihre Trägerraketen, wie bei jeder anderen Rakete auch, ab, um das Gewicht zu verringern. Die SpaceX-Stufen landen dann jedoch computergesteuert auf Plattformen, während die Stufen anderer Raketen einfach im Orbit verglühen. Jedoch ist das vielleicht einfach nur Wild-West-Rhetorik. Wer sagt, die NASA hätte nicht auch wiederverwendbare Raketen entwickelt, hätte sie mehr Geld für die Entwicklungsforschung zur Verfügung?
Die Technik ist da, das Interesse hinkt hinterher
Wenn Regierungen einen konkreten Nutzen für sich sehen, stecken sie aber manchmal doch Geld in die Raumfahrt. So entwickeln einige Staaten tatsächlich ein langsam wachsendes Interesse am Weltraum, das zeigt nicht nur die neue ESA-Finanzierung. Per Gesetz erklärte Barack Obama 2015, zu seiner Zeit als US-Präsident, die USA zum Schürfrechtverwalter des Weltalls. Theoretisch können seitdem das US-Verteidigungsministerium, das US-Verkehrsministerium und die NASA entscheiden, wer für welchen Zweck in den Weltraum fliegen darf. Ein Gesetz, das in Zukunft durchaus relevant werden kann. Und das eigentlich zu einem Aufschrei hätte führen müssen (tat es aber nicht). Denn – Außerirdische müssen kurz weghören – dieses US-Gesetz verstößt gegen den Outer Space Treaty, also jenes Weltraumgesetz, in dem sich die Vereinten Nationen 1967 darauf einigten, dass kein Staat dieser Welt den Weltraum für sich beanspruchen kann, da er der gesamten Menschheit gehöre.
Die NASA arbeitet derzeit an Plänen zum durchaus sinnvollen Lunar Orbital Platform Gateway, einer Raumstation, die den Verkehr für Marsmissionen erleichtern soll. Zur Weltraumexpansion gehören auch Pläne, Treibstoff wie Wasserstoff oder Helium-3 in verschiedenen Ecken des Sonnensystems zu gewinnen. Daran forscht zum Beispiel das Glenn Research Center der NASA. Tankstellen im Weltraum würden höhere Reichweiten für Raumschiffe bedeuten, zudem könnte man größere Raumschiffe, vielleicht sogar Transporter im Weltraum zusammensetzen. Denn um der Schwerkraft der Erde zu entkommen, muss man viel Energie aufwenden. Je größer eine Rakete ist, desto mehr Treibstoff verbraucht sie beim Start. Mit mehreren Raumstationen müssten Raumschiffe also nicht ständig auf Planeten landen und wieder starten, was ökonomischer, sicherer und leichter wäre.
China hat sich schon vor Jahren auf die Entwicklung von Spionagesatelliten spezialisiert. Russland hat seit 2001 eine militärische Weltraumabteilung, die sich offiziell um den Schutz eigener Satelliten kümmert. Da ist es nur logisch, dass US-Präsident Donald Trump im Februar diesen Jahres ein Dekret zur Gründung einer eigenen Space Force unterschrieb. Die USA arbeiten außerdem schon seit Jahren am militärischen Raumjäger X-37 von Boeing, dessen unbemannte Missionen unter strikter Geheimhaltung stehen. Auch Deutschland denkt über einen eigenen Raumhafen nach, der zumindest kleinere Satelliten ins All schießen kann.
Wenn die Entwicklung so kapitalistisch bleibt wie bisher, könnte die Raumfahrt in Zukunft wie folgt aussehen: Als Ausgangspunkt für Missionen bauen sich die USA und China neue Raumstationen und Basen auf dem Mond. SpaceX bekommt von der US-Regierung einen Sondervertrag für staatliche Aufträge. Unternehmen bekommen das Recht, Bergbau auf Asteroiden zu betreiben. Wer Grenzen überschreitet, bekommt es mit der jeweiligen Space Force des anderen Staates zu tun und wird sanktioniert. Das könnte zu einem neuen Kalten Krieg führen. Wenn der Kapitalismus auf der Erde derweil weiter eskaliert und die Klimakatastrophe nicht aufgehalten wird, retten sich die Millionäre und Milliardäre auf die von SpaceX geplante Marskolonie. Das hätte also tatsächlich etwas von einem zweiten »Wilden Westen«.