Antifaromantik und Freundinnenschaft
Paula Irmschlers Roman »Superbusen« ist wie selbstverständlich feministisch und antifaschistisch. Das ist gut
Von Bilke Schnibbe
Paula Irmschlers ersten Roman zu rezensieren ist keine leichte Aufgabe. »Superbusen« handelt von Gisela und ihren Freundinnen, die in Chemnitz leben, sich dort mit der Gesamtscheiße (insbesondere Nazis, Polizei, Männern, Körpernormen und prekären Verhältnissen) herumärgern und eine Band gründen. Viel Stoff also, um pathetische Worte wie »DER Antifaroman« oder »DER Frauenfreundschaftsroman« aus dem Ärmel zu schütteln. Eine Liebeserklärung an Frauen, eine Liebeserklärung an Beton, eine Liebeserklärung an Dings. Kämpferisch, leidenschaftlich, tabulos! Ach so, und an Ostdeutschland natürlich.
Paula Irmschler, 1989 in Dresden geboren und aufgewachsen, ging 2010 zum Studieren nach Chemnitz. Ganz wie ihre Protagonistin Gisela. Mittlerweile ist Irmschler Redakteurin bei der Satirezeitschrift Titanic und freie Journalistin. Auf einer Lesung ihres Buches Anfang März erklärte sie, dass sie kein Interesse habe, darüber zu schreiben, dass es in Sachsen »gar nicht so schlimm« sei mit den Faschos. Das stimme so nicht. Diese Haltung wird auch im Buch deutlich: Gisela hat wenig Verständnis für Plakate, auf denen »Chemnitz ist bunt« steht. Das ist ihr zu wischiwaschi, ein Versuch wegzuschauen. Irmschler versteigt sich nicht in ellenlangen Erklärungen darüber, warum das so ist. Die Klarheit und Selbstverständlichkeit, mit der Gisela Haltung zeigt, ist angenehm: Nur bürgerliche Trottel sehen nicht ein, dass es ein ernsthaftes Problem mit gewaltbereiten, organisierten Nazis und Faschisten in Sachsen gibt. Danke Gisela, wir bräuchten mehr von dir.
Zu Beginn des Buches kehrt Gisela nach sechs Monaten im Berlinexil nach Chemnitz zurück, um gegen den massiven Naziaufmarsch am 27. August 2018 zu demonstrieren. An diesem Tag waren circa 6.000 rechte und rechtsextreme Demonstrant*innen in Chemnitz zusammengekommen. Trotz Hinweisen durch den sächsischen Verfassungsschutz, dass sich die Teilnehmerzahlen in diesem Bereich bewegen würden, wurden nur rund 600 Polizeibeamt*innen zwischen Demonstration und Gegendemonstration positioniert. Es kam zu Jagden auf (vermeintliche) Migrant*innen und Linke.
Irmschlers trockene Beschreibung der Situation tut weh: Gisela und Freund*innen haben Angst, sind überrumpelt und fassungslos, wie wenig Polizei anwesend ist. Dennoch schwingt ein gewisses »man kennt es« mit. Alltag in Chemnitz – das ist die Angst vor Nazis, das ist nicht zu links oder »migrantisch« aussehen zu dürfen, zu wenig Antifaschist*innen in der Stadt zu haben und gleichzeitig die Dringlichkeit, etwas zu tun. Die Notwendigkeit zu demonstrieren ist für Gisela genauso selbstverständlich wie die Angst, die allgegenwärtige rechte Bedrohung und die Ignoranz der Gesellschaft gegenüber eben dieser. Gisela interessiert es nicht, ob das nun »ein ostdeutsches« oder »ein gesamtdeutsches« Problem ist. Als ob es besser wäre, wenn es in Bremen genauso oder eben anders wäre.
Die bestandsaufnehmende, ironische Art zu erzählen findet sich an vielen Stellen im Buch. Auch andere Themen, bei denen man aus Funk und Fernsehen hitzige Debatten gewohnt ist, werden mit klarer Haltung verhandelt. Gisela berichtet von einer Abtreibung, ohne dass es um das komplexe Innenleben von Menschen, die eine Schwangerschaft abbrechen, geht. Was macht das mit ihr? Wie kommt sie zu der Entscheidung? Bereut sie es? All diese Dinge interessieren gar nicht. Wer nicht total vernagelt ist, sollte einsehen, dass die Frage nach der Entscheidungsfähigkeit von Schwangeren Scheiße ist. Sowas kommt Gisela nicht in die Tüte – egal, wie schwierig das Leben grade ist. Aus diesem Grund macht es so viel Spaß, Irmschlers Roman zu lesen.
Paula Irmschler: Superbusen. Claassen, Berlin 2020. 320 Seiten, 20 EUR.