Im virtuellen Widerstand gegen die Nazis
Das Computerspiel Through the Darkest of Times bietet mehr als nur eine Kulisse für Gemetzel
Von Tobias Segat
Anfang des Jahres erschien mit Through the Darkest of Times ein eher ungewöhnliches Computerspiel der Berliner Agentur Paintbucket Games. Das Spiel aus der Kategorie Serious Games nimmt seinen Anfang mit der Machtübertragung an die Nazis am 30. Januar 1933. Schon am Folgetag treffen wir uns als kleine Gruppe klandestin in dem Hinterzimmer einer Berliner Gaststätte und beschließen, dass es an der Zeit ist zu handeln.
Through the Darkest of Times ist ein strategisches Erzählspiel, welches uns in vier Episoden durch die Terrorherrschaft der Nazis leitet. In der beklemmenden Atmosphäre historischer Geschehnisse, die im Stil von Zeitungsmeldungen und Ereignissen im Spiel eingeblendet werden, lenken wir die Geschicke unserer Widerstandszelle und müssen rundenbasiert stets neue Missionen im Berliner Stadtgebiet durchführen. Oberstes Ziel ist es, dem NS-Regime Nadelstiche zu versetzen, bedrohte Personen zu verstecken und über das Wesen der Nazis aufzuklären. Kümmert man sich zu Beginn des Spiels vor allem um Gelder, Sympathisant*innen, neue Mitglieder und Infrastruktur, können mit wachsender Gruppengröße und Infrastruktur später auch spektakulärere Aktionen wie Sabotagen durchgeführt werden. Dabei achten wir darauf, dass stets die Personen aus unserer Gruppe die Aktionen ausführen, die aufgrund ihrer persönlichen Eigenschaften und Fähigkeiten am besten dazu qualifiziert sind. So schicken wir natürlich nicht den christlich-konservativen Kleinunternehmer los, um Arbeiter*innen zwecks Durchführung von Streiks zu agitieren, sondern unsere emphatische, kommunistische Buchhalterin.
Ein weiteres Element des Spieles sind die wie in einem Textadventure ablaufenden Sequenzen, in denen wir dialogbasiert auf auftretende Ereignisse reagieren und entscheiden müssen: Greife ich ein, wenn die SA einen alten jüdischen Mann zusammenschlägt, oder radele ich lieber weiter, um kein Aufsehen zu erregen und meine Gruppe nicht zu gefährden? Jede Entscheidung, die wir treffen, hat Konsequenzen. Beständig muss austariert werden, welche Handlungsoptionen am besten zu den langfristigen Zielen passen.
Zwischen Sabotageaktionen und Ohnmacht
Über all dem steht die Notwendigkeit, die Moral der Gruppe hochzuhalten und den Kreis der Sympatisant*innen nicht zu klein werden zu lassen. Denn: Sinkt die Moral auf null oder gehen die Unterstützer*innen aus, ist es um uns geschehen. Doch auch die Verfolger*innen der Gestapo sind uns auf den Fersen und stellen eine omnipräsente Bedrohung dar. Fallen wir zu sehr auf oder werden wir erwischt, riskieren wir KZ und Tod.
Das Artwork des Spiels ist düster gehalten – passend zur bedrückenden Szenerie aus Paranoia und Terror, die uns im Spiel permanent umgibt. Schwarz-weiße Grundelemente dominieren die vielen Grafiken; nur wenige Farben scheinen kontrastreich auf. Der Stil des Artwork ist angelehnt an die expressionistische Kunst der Weimarer Zeit. Künstler*innen wie Käthe Kollwitz und Otto Dix, deren Werke im Dritten Reich als »entartete Kunst« galten, standen hier Pate. Die Spielmusik folgt dem Stil des – im NS verbotenen – Jazz der 1920er Jahre.
Wer sich aber nun in einem spielbaren Geschichtsbuch wähnt, wird eher enttäuscht sein: Im Spiel herrscht vielmehr ein Mix aus realen geschichtlichen Ereignissen und fiktiven Geschichten und Begegnungen vor. Auch spielt der Zufall eine nicht zu unterschätzende Rolle, was Freund*innen minutiös ausgearbeiteter Generalstabspläne mitunter verzweifeln lassen kann. Spielerisch etwas demotivierend ist auch, dass der wesentliche Lauf der Geschichte nicht verändert werden kann – egal, wie sehr sich unsere Gruppe ins Zeug legt. So bleiben unsere Erfolge bescheiden: Mal verstecken wir Verfolgte, malen Parolen, organisieren Streiks oder stehlen SA-Uniformen für spätere Sabotageaktionen. Oft müssen wir aber auch ohnmächtig mitansehen, wie das Regime agiert, ohne dass wir eingreifen können. Unser wichtigstes Ziel heißt Überleben, während wir dem Vorrücken der Roten Armee entgegenfiebern.
Through the Darkest of Times ist ein interessantes Serious Game, das sich der schwierigen Herausforderung annimmt, die NS-Zeit mit ihrem mörderischen Antisemitismus, dem alltäglichen Terror und den Fanatismus der gewöhnlichen Deutschen darzustellen. Dass dies umfassend im Rahmen eines Spiels schlicht unmöglich ist, versteht sich fast von selbst. Man muss den Macher*innen des Spiels aber attestieren, dass sie nicht nur reale geschichtliche Ereignisse aufgreifen und beschreiben, sondern dass es ihnen durch Einnahme der Perspektive des Widerstands auch gelingt, Empathie für die Verfolgten des Nazi-Regimes zu erzeugen. Zudem stellt es permanent die Frage nach dem eigenen Handeln und fordert Entscheidungen ein. Es ist damit erfrischend anders als viele der gesichtslosen First-Person-Shooter, die die NS-Zeit lediglich als Kulisse zum großen Gemetzel nutzen.
Das Spiel ist für 14,99 Euro auf der Spieleplattform Steam für Windows-Rechner erhältlich oder aber für 8,99 Euro im Play Store für Android Smartphones. Eine IOS-Fassung soll später folgen.