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Die Apartheid-Dividende

In Trumps Umfeld gibt es einige weiße Südafrikaner, die anscheinend noch eine Rechnung mit dem neuen Südafrika offen haben

Von Paul Dziedzic und Johannes Tesfai

Zusammensetzung aus zwei Bildern. Links Elon Musk, der lächeln auf seine Cappy zeigt, auf der steht "make america great again" und rechts ein ernst dreinschauender Peter Thiel.
Ist es noch Rassismus oder schon Wirtschaftspolitik? Elon Musk (l.) und Peter Thiel (r.) sind die bekanntesten Gesichter der rechten Tech-Welt. Fotos: Gage Skidmore, CC BY-SA 2.0 (l.), Gage Skidmore, CC BY-SA 2.0 (r.)

Zwischen den globalen Börsengewittern, der rabiaten Abwicklung ganzer Bundesbehörden und der Inszenierung brutaler Abschiebungen ist eine der vielen Verordnungen Donald Trumps etwas untergegangen. Diese Verordnung verurteilte die mögliche Enteignung weißer Farmer*innen in Südafrika als »regierungs-gesponserte rassen-basierte Diskriminierung«. Die südafrikanische Regierung hatte im Januar dieses Jahres ein Gesetz verabschiedet, dass die Enteignung weißer Farmer*innen ermöglicht, die ihren Landbesitz während der Apartheid erworben oder signifikant vergrößert haben. Die US-Regierung toppte ihren Vorstoß, indem sie möglichen betroffenen Landbesitzer*innen aus Südafrika Asyl in den Vereinigten Staaten anbot. Warum ist Südafrika zum Steckenpferd der Trump-Regierung geworden?

Elon Musk, offiziell ein »Berater« in einer eigens für ihn erstellten Kürzungsabteilung im Weißen Haus, sprach von einem »offensichtlich rassistischen Eigentumsgesetz«. Viele spekulieren, dass der weiße Südafrikaner und Tech-Milliardär, für den Trump stets ein offenes Ohr hat, das Thema auf die Agenda des Präsidenten gesetzt habe.

Das Südafrika, in dem Musk aufgewachsen ist, war der letzte offizielle rassistische Staat der Erde. Bis 1994 hatte eine weiße Minderheit die politische und wirtschaftliche Macht. Die Schwarze Mehrheitsbevölkerung war einem rigiden rassistischen Regime, Apartheid genannt, unterworfen, das den gesamten Alltag durchzog. In der Regel lebte sie in sogenannten Homelands, kleine Gebiete innerhalb Südafrikas, die nur die rassistische Republik als eigenständige Pseudo-Staaten anerkannte. Damit waren Schwarze Südafrikaner*innen in der weißen Gesellschaft fast rechtlos und dienten als billige Arbeitskräfte in den Minen des Landes. Das öffentliche Leben glich der entwürdigenden Trennung in den Südstaaten der USA.

Im Buch von Thiel und Sacks ist schon die neurechte Entgegensetzung von Freiheit und Antirassismus angelegt.

Das aktuelle Enteignungsgesetz der südafrikanischen Regierung adressiert eine systemische Ungleichheit, die trotz dem Ende der Apartheid unangetastet blieb. In den 30 Jahren seit dem Ende des rassistischen Regimes hat es vor allem auf dem Gebiet der Umverteilung keine Fortschritte gegeben. Immer noch besitzt eine weiße Minderheit (sieben Prozent der Bevölkerung) mehr als siebzig Prozent des Agrarlandes.

Musk ist aber nicht der einzige Tech-Unternehmer mit Bezügen zum weißen Südafrika der viel Einfluss auf Trump ausübt. Neben Musk ist das zum Beispiel Peter Thiel, ein gebürtiger Deutscher, der seine Kindheit in Südafrika und im heutigen Namibia verbrachte. Namibia war lange von Südafrika militärisch besetzt, seine Bevölkerung wurde ebenfalls dem rassistischen Apartheidsystem unterworfen. Ebenfalls Teil der Tech-Clique sind Südafrikaner aus der zweiten Reihe des neuen rechten Establishments wie der präsidiale Berater für Wissenschaft und Technologie, David Sachs, aber auch Roelof Botha, Enkel des letzten Apartheid-Außenministers Pik Botha. Sie gehören alle zur sogenannten Paypal-Mafia, einer Gruppe von Tech-Investoren und Gründer der Bezahlplattform. Sie teilen aber auch Kindheit und Jugend in einem Land, in dem man als Angehöriger der weißen Mittel- und Oberschicht von der Ausbeutung der Schwarzen Mehrheit profitierte.

Staat der Segregation

Elon Musk wuchs in Südafrikas Hauptstadt Pretoria auf. Nicht zufällig ist es die Stadt mit der größten weißen Bevölkerung. Hier wohnten, aufgrund der Jobs im Staatsapparat, viele Weiße aus der gehobenen Mittelschicht. Der Historiker Stephan van Wyk bezeichnete Pretoria als »Zitadelle der Apartheid«. Eine Zitadelle ist eine Festung innerhalb einer größeren Festung und gilt als letzter Rückzugsort bei einem Angriff von außen. Das weiße Südafrika gab oft vor, aus Angst vor der Schwarzen Bevölkerung zu handeln, aber eigentlich ging es um den Erhalt der ungleichen Macht im Staat. So veränderte sich die Karte der Stadt im Laufe der Apartheid immens. Die Schwarze Bevölkerung, die durch die Konstruktion der Homelands kein Wohnrecht in der Stadt hatte, aber als Arbeitskraft gebraucht wurde, wurde von der Stadtverwaltung an die urbanen Ränder verschoben. Pretorias Geografie sollte die Idee einer Gesellschaft zeigen, in der Weiße im politischen und geografischen Zentrum lebten. Niemand in der Stadt sollte sich dieser Logik entziehen können.

Elons Vater, Errol Musk, arbeitete als Ingenieur und Berater, handelte mit Immobilien – auch in den Handel mit Smaragden soll er involviert gewesen sein. Musk wuchs also in einer wohlhabenden Familie auf und besuchte die Pretoria Boys High School, eine teure und prestigeträchtige Privatschule.

Errol Musk wurde 1972 in den Stadtrat Pretorias gewählt. Lange saß er in diesem Parlament als Parteiloser – zwischenzeitlich war er auch Mitglied der Progressive Party. Sie galt als weiß bürgerliche Opposition gegen das Apartheidsystem. Er verließ die Partei nach zwei Jahren, weil er gegen die vertretene komplette Abschaffung der Apartheid war. Vor allem ein Wahlrecht für alle Einwohner*innen wollte Errol Musk nicht.

Auch die anderen Mitglieder der Paypal-Mafia mit südafrikanischem Bezug kommen aus wohlhabenden Familien. So arbeitete der Vater von Peter Thiel in der für Südafrika wohl typischsten Industrie, dem Bergbau. Thiel besuchte die deutsche Privatschule von Swakopmund im heutigen Namibia. Jener berüchtigten Stadt, die vielen Fans des deutschen Kolonialismus bis heute eine Heimat bietet. (ak 709) In den 1970er Jahren, als Thiel in Swakopmund seine Kindheit verbrachte, veranstalteten Bewohner*innen Feiern zu Hitlers Geburtstag, einige pflegten sich noch mit erhobenem rechten Arm in aller Öffentlichkeit zu grüßen, wie die New York Times damals recherchierte.

Während Thiels Schulzeit zog seine Familie mit ihm in die Vereinigten Staaten. Er nahm ein Studium an der Elite-Universität Stanford auf. Laut einer Biografie soll er dort als Student die Apartheid als »wirtschaftlich solide« bezeichnet haben. Doch es blieb nicht bei einzelnen Äußerungen. Thiel und sein Investorenkumpel Sachs veröffentlichen 1996, nur zwei Jahre nach dem Ende der Apartheid, das Buch »The Diversity Myth«. Vordergründig adressieren sie die US-amerikanische Gesellschaft und behaupten, »Race« sei schon immer eine Obsession dieser Gesellschaft gewesen. Aber im Buch ist schon die neurechte Entgegensetzung von Freiheit und Antirassismus, die den Siegeszug der extremen Rechten in den letzten Jahren begleitete, angelegt.

Dass sie aber auch mit Südafrika eine Rechnung offen hatten, darauf deutet der Zeitpunkt hin, an dem sie das Buch veröffentlichten. Die Neuordnung Südafrikas unter Beteiligung der Kommunistischen Partei und von Nelson Mandelas African National Congress (ANC) war explizit unter dem Banner des Multikulturalismus geplant worden. Der Begriff der Rainbow Nation war in aller Munde.

Rechte Seilschaften

In Pretoria gibt es immer noch jene, die die Festungsmentalität weiter in sich tragen. Und sie richten ihre Augen auf die USA, wo einige ihrer emigrierten Landsleute den Diskurs mitbestimmen. Kurz nachdem Donald Trump sein Südafrika-Dekret unterschrieben hatte, versammelten sich ein paar hundert weiße Südafrikaner*innen vor der US-Botschaft. Sie dankten dem US-Präsidenten und monierten den Rassismus, der gegen sie gerichtet sei. Einige Plakate feierten auch Elon Musk.

Dass Musks Kindheit in der Festung des weißen Rassismus spurlos an ihm vorbeigegangen wäre, kann wohl als ausgeschlossen gelten. Die Verhinderung der Aufarbeitung der Apartheid benutzt Musk vermehrt als politisches Faustpfand. Gerade verhandelt Südafrikas Regierung mit Musks Firma Starlink, damit diese dem Land schnelles Internet über Satelliten zur Verfügung stellt. Musk hat kürzlich die Verhandlungen unterbrochen, weil ihm ein südafrikanisches Gesetz nicht passt. Es schreibt ausländischen Firmen, die in Südafrika aktiv sind, vor, Communities, die unter der Apartheid benachteiligt waren, durch Anteile an der Firma zu beteiligen. Der Druck scheint zu wirken. Die Regierung in Pretoria ließ verlauten, dass sie sich für Starlink eine Ausnahme bei dem Gesetz vorstellen könnte.

In der Causa Starlink bekam Musk öffentlich Unterstützung vom AfriForum. Die rechte Gruppe weißer Südafrikaner*innen ließ sich mit der »Kritik« zitieren, Südafrikas Politik blockiere Starlinks Zugang zum Land, weil das Unternehmen »zu weiß« sei. Die Gruppe sieht die Apartheid nicht als historisches Unrecht an und wendet sich gegen die »Verfolgung von Südafrikas Minderheiten«, gemeint sind hier weiße Landbesitzer*innen. Diese Parteigänger*innen der weißen Vorherrschaft behaupten öffentlich, dass ein Genozid an weißen Landbesitzer*innen bevorstehen würde. Ein durchsichtiges Manöver, um die minimalen Landreformen gegen die Besitzverhältnisse aus der Apartheid zu diskreditieren. Musk findet die These vom Genozid plausibel und verbreitet sie auch auf seiner Plattform X.

Schon 2018 wurde der Anführer des AfriForum, Kallie Kriel, in Washington vorstellig und versuchte, sein Anliegen der ersten Trump-Regierung schmackhaft zu machen. Er traf Trumps Nationalen Sicherheitsberater und eine Reihe konservativer Thinktanks. Mit Trumps aktueller Verordnung gegen Südafrika scheinen Musks Anliegen und die der organisierten Apartheid-Fans in der US-Außenpolitik angekommen zu sein. Den offensichtlichen Rassismus und das reaktionäre Besitzstandsdenken teilen die rassistischen Südafrikaner*innen und Trumps neue Regierung wohl ohnehin, nun auch ganz offen.

Johannes Tesfai

ist Redakteur bei ak.

Paul Dziedzic

ist Redakteur bei ak.

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