Wissenswertes über Erlangen
Von Frédéric Valin
In der letzten Phase der Vernichtungsaktionen gegen sogenanntes lebensunwertes Leben wurden überall in Deutschland Hungerhäuser organisiert, in denen relativ unkontrolliert und unkoordiniert gestorben werden sollte. Und auch unkontrolliert und unkoordiniert gestorben wurde. Die Idee war einfach: Wir haben die, die wir als unwert definiert haben, erfolgreich vom Rest der Bevölkerung isoliert. Die zentralen Vernichtungsaktionen durch Gas oder Medikamente waren zu teuer und haben obendrein zu viel Widerspruch hervorgerufen. (Als Atheist, der ich bin, muss ich leider darauf hinweisen, dass sich insbesondere die katholische Kirche hier resistenter gezeigt hat als andere Institutionen; ich warte noch auf das Buch, das dieses Phänomen nicht nur konstatiert, sondern auch ernsthaft aufarbeitet.) Also ging die deutsche Gesellschaft dazu über, dezentral zu morden: durch Hunger vor allem. Es gab für die Menschen in den Einrichtungen dann kaum mehr als drei Scheiben Brot am Tag, etwas Zuckerrübensaft, und das Pflegepersonal hat ihnen dabei zugesehen, wie sie wortwörtlich vom Fleisch fallen.
Wer »sie« sind, die da vom Fleisch fielen, war, sobald sie in die Mühlen der Diagnostik geraten waren, eigentlich egal. Was krank war und was nicht, entschieden ideologisch indoktrinierte Bürokrat*innen, das Überleben innerhalb dieser Institutionen war reines Glück. Es klingt zunächst einmal zynisch zu sagen, dass das Gedenken an die Shoah diese Opfer überdeckt hat, aber es ist gar nicht als zynische Pointe gemeint: Der Nationalsozialismus hat derart viele Opfer gefordert, dass es unmöglich war, alle gleichzeitig zu würdigen, allen gerecht zu werden.

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