Wenn die Trans Panic kickt
Die Auseinandersetzung mit Transmisogynie ist zentral im Kampf gegen das Patriarchat – trotzdem ist sie in feministischen Kreisen oft nur Randthema

Im Januar wartete ak mit dem Schwerpunkt »Frauenhass« auf. Irritierend dabei: Die Gestaltung des Beitrags schmückten große Transfeminismus-Symbole, während trans und queere Perspektiven in den Beiträgen höchstens nachgeschoben aufgezeigt wurden. Immerhin ein Beitrag formuliert zwar queere Lebensentwürfe als Alternative zu heteronormativen Beziehungs- und Familienmodellen, beim Thema Frauenhass bleibt ein Augenmerk für trans Frauen aber leider eine Lücke.
Das ist nichts Neues. Transfeminine Menschen sind es gewohnt, in feministischen und anderen linken Kontexten ein nachgestellter Gedanke zu sein. Auseinandersetzungen mit den aktuellen rechtsextremen Projekten um den Globus analysieren diese als patriarchales Revival soldatischer Männlichkeit, Incel-Kult und vieles mehr und im letzten Nachsatz vielleicht auch als ein bisschen transfeindlich – dabei stellen insbesondere transmisogyne Verschwörungserzählungen eines der zentralen ideologischen Treibmittel aktueller Faschisierungen dar. Feministinnen kritisierten 2024 Justizminister Marco Buschmann dafür, dass er eine Gewaltschutzrichtlinie auf EU-Ebene blockierte – während sie ein Jahr zuvor kaum einen Ton von sich gaben, als derselbe Justizminister in Bezug auf das sogenannte Selbstbestimmungsgesetz über die Segregation von trans Frauen schwadronierte.
Dezidiert linke feministische Akteur*innen wie Bündnisse gegen Fundis denken immerhin mit, dass der »Marsch für’s Leben« auch gegen trans Selbstbestimmung marschiert, denken aber auch, dass liberale Verbände wie der BVT* das Ende der trans-emanzipatorischen Fahnenstange darstellen. Währenddessen sind Hauptamt und Führungsebenen der deutschen Trans-Interessenvertretungen vor allem zweierlei – weiß und transmaskulin. Immerhin schaffen es queere und queerfeministische Strukturen, wenigstens am CSD darauf aufmerksam zu machen, dass trans Frauen im Stonewall-Aufstand mal Steine geworfen haben – eine spezifische Auseinandersetzung mit den materiellen Lebensbedingungen transfemininer Menschen gerät aber auch hier erfahrungsgemäß eher knapp.
Transition als Abstieg
Abseits liberaler Diskurse von Anerkennung und Sichtbarkeit macht eine nähere Auseinandersetzung mit Transfeindlichkeit klar, wie schwerwiegend es ist, wenn der Kampf gegen das Patriarchat nicht automatisch Hand in Hand geht mit dem Kampf gegen Transmisogynie. Statistisch gesehen geben trans Frauen in der EU häufiger an, diskriminiert zu werden als andere trans Personen und sind dabei stärker von Gewalt betroffen.
Tödliche Folgen hat Gewalt indes hauptsächlich für transfeminine Menschen, wobei Klasse, Migrantisierung und Rassismus eine entscheidende Rolle spielen. Wenig überraschend sind es häufig Fälle partner*innenschaftlicher, häuslicher und sexualisierter Gewalt, die tödlich enden. Misogynie, in Kombination mit Rassismus und immer durch Klassenverhältnisse konstituiert, ist in Bezug auf Gewalt gegen transgeschlechtliche Menschen ein entscheidender Faktor. Wenn Geburtsfamilie und andere soziale Sicherungsnetze wegbrechen, berufliche Sicherheit und Chancen auf Erfolg bei der Wohnungssuche wegen alltäglicher Transmisogynie flöten gehen, Transition also den sozialen Abstieg fast automatisch beinhaltet, dann wiegen materielle Abhängigkeiten in Partnerschaften schwerer.
Dabei wird trans Frauen bezüglich geschlechterspezifischer und sexualisierter Gewalt seltener Glauben geschenkt. Auch Feministinnen verlieren sich in absurden Relativierungsmustern, dass Gewalt gegen transfeminine Menschen erst ab dem Zeitpunkt der offiziellen Transition, und auch nur dann, wenn arbiträr angenommenes cis Passing erreicht sei, als misogyne Gewalt anerkannt wird – also dieselbe Inschutznahme von Tätern, mit der beispielsweise ein italienischer Richter 2019 vier Vergewaltiger freisprach, weil das Opfer in seinen Augen nicht attraktiv genug war, um Ziel sexualisierter Gewalt geworden zu sein. Wer nicht die Ressourcen – oder die whiteness – hat, in Richtung cis Ideal zu transitionieren, verdient eben keine Solidarität. In anderen Fällen werden transmisogyne Übergriffe buchstäblich zum Kinderspiel, wenn Kinder und Jugendliche trans Frauen krankenhausreif prügeln, weil die Verspottung von Transfemininität und die Polizierung von Geschlechternormen gesellschaftlich derart normalisiert ist.
Hinzu kommt, dass transmisogyne Gewalt besonders oft mittels Täter-Opfer-Umkehr relativiert wird. Trans Frauen werden als »eigentlich Männer« und damit als Aggressorinnen markiert, wodurch Gewalt gegen sie als Selbstverteidigung legitimiert wird. Diese Relativierung – von der kanadischen Historikerin Jules Gill-Peterson als Trans Panic bezeichnet – hat System. In den USA dient sie als Mittel, um Strafsätze für transmisogye Gewalttäter*innen herabzusetzen, und auch in Deutschland ist Trans Panic mittlerweile rechtlich kodifiziert, wenn das sogenannte Selbstbestimmungsgesetz trans Frauen als potenzielle Täterinnen vorverurteilt und das Gewalthilfegesetz ihren Anspruch auf Schutz negiert.
Wenn alle Welt trans Frauen bereits hasst, sind transmisogyne Politiken ein einfaches Einfallstor für reaktionäre Maßnahmen.
Umso wichtiger wäre demnach eine Sensibilität in selbstorganisierten Kontexten von transformativer Gerechtigkeit und Gewaltschutz. Diese scheitert aber regelmäßig auch daran, dass »Täter« selbst in progressiven Kreisen gleichbedeutend mit »Mann« ist, während Übergriffe auf und Fetischisierung von transfemininen Personen eben nicht nur von cis Männern ausgehen. Spätestens wenn Genossinnen auch Täterinnen sein sollen, kickt die Trans Panic. Dazu kommen Sexarbeitsfeindlichkeit und Hurenstigma im Namen eines »materialistischen« Feminismus, die transfemininen Personen, die nicht selten auf prekarisierte, informelle Dienstleistungsarbeit wie Sexarbeit angewiesen sind, das Leben schwer machen.
Nirgends willkommen
Aber wie verhält es sich mit den queeren Alternativen zum heteropatriarchalen Alltag? Auch hier wird transfemininen Menschen gern die Tür vor der Nase zugeschlagen. Transfemininität wird unterstellt, die freiwillige Performance konservativer, »binärer« Weiblichkeit zu sein. Progressive, normative Nichtbinarität im FLINTA*-Feminismus ist androgyn oder »softe« Transmaskulinität. Der Feminist, der mit lackierten Fingernägeln Frauen bevormundet, ist belastend, auch wenn er trans ist. Und die Nicht-Heterosexualität als Alternative steht trans Frauen ebenfalls seltener offen, wenn sie anhand transmisogyner »Vorlieben« als Partnerinnen kategorisch ausgeschlossen werden.
Die Weiblichkeit lesbischer trans Frauen steht zudem gern zur Debatte. Wenn das eigene Geschlecht derart prekär von der Wahrnehmung der gesamten Umwelt abhängt, ist Heterosexualität oder zumindest deren Performance allein aus ideologischen Gründen oft der einzig gangbare Weg. Hinzu kommen ökonomische Gründe für finanziell sicherere Heterosexualität als Beziehungsmodell. Zu »männlich sozialisiert« für den Feminismus, zu »hetero« und »binär« für die Queers, aber immerhin Frau genug für die ganze misogyne und gewalttätige Scheiße des Alltags, bleibt transfemininen Menschen eigentlich nur der Platz zwischen den Stühlen.
Das macht sie zur idealen Zielscheibe. Wenn alle Welt trans Frauen bereits hasst, sind transmisogyne Politiken ein einfaches Einfallstor für reaktionäre Maßnahmen. Ein Bilderbuchbeispiel ist der Werdegang des Trumpschen Angriffs auf reproduktive Rechte. Roe v. Wade vorausgegangen war ein seit 2018 anhaltender Kulturkampf allen voran gegen trans Frauen, in dem die eigene Basis ideologisch scharfgestellt, sowie die eigenen politischen, legislativen und juristischen Strategien an einer verwundbaren Gruppe ausprobiert wurden. Und auch in Deutschland zeigt sich, dass sich Sonderregelungen in Sachen Wehrpflicht, Aberkennung von Schutzbedarf, Abschiebeerleichterungen, Einschränkungen von reproduktiven und elterlichen Rechten sowie rechtsextremer Terror auf der Straße besonders leicht an trans Frauen erproben lassen. Für Misogynie charakteristisch ist, dass bestimmte Körper als entbehrlich markiert werden, um an ihnen ein gewaltvolles Exempel zu statuieren. »Some women are just uniquely killable«, schreibt Gill-Peterson über die exponierte Position transfemininer Personen. Die patriarchale Ordnung muss ständig reproduziert werden. Und das geschieht u.a. durch den Ausschluss derjenigen, die nicht so ganz in diese Ordnung passen.
Wenn im Plenum nur vereinzelte trans Genossinnen sitzen, bis sie es nicht mehr aushalten, müssen wir uns als Kommunist*innen nicht nur fragen, was falsch läuft, sondern auch, welche Perspektiven uns abhanden kommen, um aktuelle Kämpfe wirklich zu verstehen.