Funktioniert das? Bankraub
Von Gabriel Kuhn

Bei keinem anderen Delikt können die Täter nach einem gelungenen Coup auf so viel Sympathie hoffen, wie nach einem Einbruch in eine Bank oder einem Banküberfall.« So Klaus Schönberger im Vorwort zu dem von ihm im Jahr 2000 herausgegebenen Sammelband »VaBanque. Bankraub: Theorie, Praxis, Geschichte«.
Die Rezeption des Buches bestätigt dies. Das seit langem vergriffene Werk wurde nicht nur in der einschlägigen linken Presse wohlwollend rezensiert, sondern auch in Blättern wie der Süddeutschen Zeitung und dem österreichischen Standard. Oft bemüht wurden dabei Zitate moralischer Instanzen, vor allem die geflügelten Worte Bertolts Brechts: »Was ist schon ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?« In der ak-Besprechung von anno dazumal hieß es: »Eines ist klar: Mal eine ›Bank zu machen‹ gehört zumindest zeitweise zum Traumrepertoire der meisten Menschen, sei es aus Geldmangel, weil man sich mal was Schönes leisten will oder aus politischer Motivation – um die Revolution zu bezahlen.«
Sektiererisch ist der Bankraub als politische Praxis nicht. Zahlreiche politische Gruppen, die den Schritt in die Illegalität nicht scheuten, wählten ihn als Finanzierungsquelle, ob sie nun anarchistisch, leninistisch oder sonst etwas waren. Einige von ihnen sicherten sich gar einen Platz in der bürgerlichen Kriminalgeschichte. Die Anarchist*innen rund um Jules Bonnot, die in den Jahren 1911 und 1912 dem Bankwesen in Frankreich das Fürchten lehrten, gelten als Erfinder*innen des Fluchtautos. Die Marxist*innen der Blekingegade-Gruppe, die in den 1970er und 1980er Jahren beträchtliche, bei Raubüberfällen angeeignete Summen an Befreiungsbewegungen in der Dritten Welt weiterleiteten, gehören bis heute zu den ertragreichsten Räuber*innen Dänemarks.
Das Robin-Hood-Element, das in der Praxis der Blekingegade-Gruppe mitschwang, verstärkt die Sympathien für Bankräuber*innen zusätzlich. Der politische Bankraub diente nie nur der Sicherstellung des Lebensunterhalts in der Illegalität oder der Finanzierung der eigenen Gruppe, sondern auch der Umverteilung, sei es um die Bewegung zu stärken oder Bedürftigen unter die Arme zu greifen. Die Politaktivistin vermischt sich hier mit dem »Räuber als Sozialrebell«, den Eric Hobsbawm ausführlich analysiert hat. Persönlichkeiten wie der 2023 verstorbene Anarchist Alfredo Bonanno, prominenter Vertreter des aufständischen Anarchismus ebenso wie Experte im Katz-und-Maus-Spiel mit der Polizei, haben diese Rolle jahrzehntelang überzeugend bedient.
Der politische Bankraub diente nie nur der Sicherstellung des Lebensunterhalts in der Illegalität oder der Finanzierung der eigenen Gruppe, sondern auch der Umverteilung, sei es um die Bewegung zu stärken oder Bedürftigen unter die Arme zu greifen.
Auch auf Geldbeschaffung allein lässt sich der politische Bankraub nicht reduzieren. Er ist ebenso als Test hilfreich, um Gruppen zu zeigen, wie sich Einzelne in ganz spezifischen Stresssituationen verhalten, was eine möglichst angemessene Aufgabenverteilung innerhalb der Gruppen erleichtert. In diesem Sinne können Banküberfälle in vielerlei Hinsicht der Vorbereitung politischer Aktionen dienen.
Den Bankraub als Initiationsritus für die politische Aktion darzustellen ist freilich zu weit hergeholt, auch wenn sich 1974 ein Millionenpublikum an den Bildern einer Überwachungskamera ergötzte, die die Millionenerbin Patty Hearst als aktiv Beteiligte eines Banküberfalls in San Francisco zeigten, begangen von derselben Gruppe, die Hearst zwei Monate zuvor gekidnappt hatte, der Symbionese Liberation Army. Hearst distanzierte sich später von der Gruppe und wurde als Paradebeispiel des Stockholm-Syndroms berühmt.
Auch in Deutschland machten illegale Gruppen praktische Erfahrungen mit dem Bankraub. Die Bewegung 2. Juni wird gerne mit Banküberfällen assoziiert, bei denen sie Süßigkeiten mit heute unaussprechbarem Namen verteilte. Von zeitloser Bedeutung sind Reflexionen, wie sie das ehemalige Mitglied der Gruppe Klaus Viehmann in einem Beitrag (»Notgroschen der Revolution«) in dem eingangs erwähnten Buch »VaBanque« formulierte: »Banküberfälle haben als linker Gelderwerb ausgedient und sind von Lohnarbeit, Erbschaften, Stiftungs- und Staatsknete abgelöst worden. Das ist legal und ungefährlicher für alle Beteiligten, aber auch viel gesellschaftskonformer und weniger widerständig. (…) Geld aus Enteignungen zu nehmen prägt linke Politik und Projekte vermutlich ebenso, wie das Hinterherlaufen hinter reichen Erben oder Stiftungshanseln und das Ausfüllen von Antragsformularen. Anders formuliert: Eine Linke, die geklautes Geld nutzt, hat sicher eine andere Haltung als eine, die sich unbedingt legal finanziert.«
Das kann ruhig so stehen bleiben. Nicht als Plädoyer für eine bestimmte Aktionsform, sondern als Ermunterung zum Nachdenken über Finanzierung, Abhängigkeit und Unabhängigkeit – ein Thema, genauso universal wie Fragen zu Legalität und Illegalität oder Effektivität und Ineffektivität. Der Bankraub eignet sich für viele Diskussionen als anregendes Fallbeispiel.
Universal ist auch die Tatsache, dass einige Menschen viel zu viel und andere Menschen viel zu wenig haben, und dass die Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums Ziel einer jeden ernstzunehmenden linken Politik sein muss. Banken schenken hier die wenigsten ihr Vertrauen – ein Grund, warum die romantische Aura der Bankräuber*innen weiterleben wird. Fördert diese Aura die Entwicklung hin zu mehr sozialer Gerechtigkeit erfüllt sie ihren Zweck. Das lässt sich pragmatisch wie metaphorisch verstehen. Auch in Zeiten von Kryptowährungen ist das letzte Wort hier noch lange nicht gesprochen.