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|Thema in ak 710: Prepping von links?

No future, aber gut gerüstet

Die Idee der Vorbereitung hat in der Linken immer eine Rolle gespielt – nun wird das Prepping für die Katastrophe entdeckt

Von Jan Ole Arps

Zeichnung von drei Leuten beim Sport-Workout, um ihre Füße schlechten jeweils ein paar Katzen.
Die Zeiten werden düsterer – muss jetzt gepreppt werden? Die Illustrationen in diesem Schwerpunkt sind von Maik Banks, auf Instagram: @maikbanks.

Preppen, das war lange eine Leidenschaft der Rechten und Reichen, die sich wahlweise mit Waffen und Konserven oder teuren Bunkern auf den Zusammenbruch vorbereiteten. Nun wird die Idee auch in der Linken populärer. Mit Blick auf AfD-Regierungsbeteiligungen spielt FragDenStaat-Aktivist Arne Semsrott im Buch »Machtübernahme« durch, was droht und wie sich Gewerkschaften, Medien und Zivilgesellschaft vorbereiten könnten. Auch im Umfeld der Klimabewegung wird über Prepping diskutiert. Kein Wunder: 2024 war das heißeste Jahr aller Zeiten, die 1,5-Grad-Schwelle wird dieses Jahr überschritten, trotzdem wurden so viele Treibhausgase ausgestoßen wie noch nie. Entsprechend machen sich Ratlosigkeit und Untergangsstimmung breit. Die alten Strategien haben nicht funktioniert. Wie geht es nun weiter?

Ein Vorschlag lautet: Die Bewegung müsse akzeptieren, dass der Klimakollaps unabwendbar ist. Statt appellativer Aktionen sei solidarisches Preppen gefragt: Skills lernen, die in Notsituationen nützlich sind, sich gemeinsam auf harte Zeiten vorbereiten, dadurch Ohnmacht überwinden und einer rechten Politik des Katastrophenegoismus entgegenwirken. Am enthusiastischsten vertritt diesen Vorschlag in Deutschland der Klimaaktivist Tadzio Müller. Dass der Ansatz erstmal nach innen gerichtet ist, räumt Tadzio Müller ein, aber gegen die Verdrängungsleistungen der »Arschlochgesellschaft« sei derzeit kein Kraut gewachsen. Durch »solidarische Kollapspolitik« könne neue Handlungsfähigkeit entstehen.

Wenn Lenin das wüsste

Es ist nicht die erste Wende nach innen in der Geschichte der Linken. Der Rückblick zeigt: Anklang fanden solche Ansätze vor allem in Phasen von Zukunftspessimismus und Enttäuschung.

Es gab Zeiten, da preppten Linke eher für die Revolution oder die Arbeit in der Illegalität. In den ersten Jahrzehnten der sozialistischen Bewegung war der Optimismus groß: Das Kapital, das immer mehr Menschen zu Arbeiter*innen machte, schuf seinen Totengräber selbst und entwickelte dabei auch noch die Produktivkräfte so, dass die Arbeiter*innenklasse sie ihm nur aus den Händen reißen musste und dann zum Aufbau der klassenlosen Gesellschaft einsetzen konnte. »Man stürze die Kapitalisten, man breche mit der eisernen Faust der bewaffneten Arbeiter den Widerstand dieser Ausbeuter, man zerschlage die bürokratische Maschinerie des modernen Staates – und wir haben einen von dem ›Schmarotzer‹ befreiten technisch hochentwickelten Mechanismus vor uns, den die vereinigten Arbeiter sehr wohl selbst in Gang bringen können«, schrieb Lenin vor gut 100 Jahren in »Staat und Revolution«.

Vorbereitung spielte auch hier eine Rolle. In der Partei sollten die organisatorischen Fähigkeiten und das Bewusstsein erworben und gebündelt werden, um als Avantgarde des Proletariats diese Aufgabe anleiten zu können. Parallel entstanden in vielen Ländern auch Gewerkschaften, Genossenschaften, Sparvereine, Einkaufsgemeinschaften; sie sollten den Kampf für die sozialistische Gesellschaft mit der Abfederung des Leids im Heute verbinden: Prepping für den Fall, dass es länger dauert mit dem Sturz des Kapitals.

Es gab Zeiten, da preppten Linke eher für die Revolution oder die Arbeit in der Illegalität.

Allerdings förderte der Lohn- und Reformkampf auch das, was die revolutionären Sozialist*innen »Nur-Gewerkschafterei«, Reformismus oder Opportunismus nannten und nach Kräften bekämpften. Viele Arbeiter*innenparteien spalteten sich schließlich in Sozialdemokrat*innen und Kommunist*innen, wobei die Sozialdemokratie eine entscheidende Rolle bei der Stabilisierung und Modernisierung des Kapitalismus in den früh industrialisierten Ländern spielte, indem sie im Tausch gegen Partizipation am Massenkonsum und Absicherung der größten Risiken des Arbeiter*innenlebens die politische Einbindung der Arbeiter*innenklasse förderte.

Diese Zeiten sind vorbei. Das Versprechen, dass es für alle bergauf geht, hat sich erledigt. Zugleich haben 150 Jahre industrieller Kapitalismus die Umweltbedingungen derart verändert, dass ganze Erdregionen bald kaum noch bewohnbar sein werden. Entsprechend stellen die aktuellen Prepping-Diskurse nicht den Aufbau einer utopischen Gesellschaft, sondern die Vorbereitung auf die Katastrophe in den Mittelpunkt – in der Hoffnung, dabei Dinge zu lernen, die auch in einer nachkapitalistischen Welt der Knappheit hilfreich sein können.

Raus aus der Fabrik, rein in die Szene

Vieles am neuen Prepping-Diskurs erinnert an einen anderen Wendepunkt vor 50 Jahren. In der Gegenkultur, die sich im Anschluss an die Bewegungen von 1968 in den Gesellschaften des kapitalistischen Westens herausbildete, entstand eine ausgedehnte Alternativszene, die von Landkommunen über Buchläden und Bäckereien bis zu Taxikollektiven reichte.

Auch diese Aktivitäten verarbeiteten eine Erfahrung des Scheiterns: Die Revolution, auf die viele nach 1968 gehofft hatten, war ausgeblieben, die Agitation in den Fabriken trug nicht die erhofften Früchte. Die ML-Gruppen, die Lenins Idee der Kampfpartei reenacten wollten, stürzten in die Krise, viele lösten sich auf. Zugleich trat die ökologische Frage verstärkt ins Bewusstsein: Die Ahnung, dass das kapitalistische Immer-Mehr seine Grenzen hat, breitete sich im Lauf der 1970er, gepaart mit Angst vor dem Atomkrieg, aus. Statt die Hoffnungen auf die Arbeiter*innen zu setzen, »die vom System am besten, d.h. effektivsten erpresste und zurechtgestutzte Schicht«, wie es 1976 in der Zeitschrift Autonomie heißt, liege im Aufbau von Alternativprojekten der Schlüssel für eine rebellische Politik, die dem Stand der gesellschaftlichen Kämpfe gerecht werde.

Diese Alternativszene differenzierte sich schnell aus: Je erfolgreicher sie wurden, desto mehr Alternativbetriebe warfen ihren gegenkulturellen Anspruch über Bord und verwandelten sich in kleine oder mittlere Unternehmen. Statt den Sozialismus näher zu bringen, trugen sie dazu bei, Managementmethoden zu modernisieren, ein neues bürgerliches Klassenbewusstsein zu formen (und deren Partei: die Grünen), teilweise prägten sie ganze Wirtschaftszweige, wie im Silicon Valley.

Ein anderer Teil hielt am oppositionellen Anspruch fest, aber zog sich zunehmend in die Nische zurück: Subkultur und Szene statt Politik und Partei. Besetzte Häuser, Infoläden, Kneipen, Fahrradwerkstätten, Druckereien boten die Infrastruktur für die autonome Bewegung Westdeutschlands. Möglich war das auch, weil dank eines gut ausgebauten Sozialstaats umfangreiche Querfinanzierung in Anspruch genommen werden konnte: Arbeitslosengeld, hin und wieder Jobben, Langzeitstudium, niedrige Mieten, das war, zusammen mit der Alternativökonomie, die materielle Basis der autonomen Szene. In dieser Szene kursierten Tipps für alles Mögliche, was man zum Leben ohne bzw. gegen den Staat gebrauchen kann. Anleitungen zum Bombenbasteln, Handreichungen zum Versicherungsbetrug oder zur eleganten Krankschreibung, Autoknackermanuals, Arbeitslosenberatung und ähnliches füllten die Szenezeitschriften der 1980er Jahre.

Prepping ohne Perspektive?

Und heute? Dass Prepping einen neuen kapitalistischen Modernisierungsschub einleitet, steht wohl nicht zu befürchten, das Einigeln in der Defensive könnte schon eher zur Gefahr werden. Dass die fortschreitende Erderwärmung neue Strategien erfordert, ist kaum von der Hand zu weisen. Netzwerke aufzubauen, die solidarisches Handeln in kommenden Katastrophen ermöglichen – das ist erstmal eine gute Idee.

Das Problem ist, dass die Vorschläge den Bezug auf Klassenkämpfe aufgegeben haben – und damit auch die Perspektive, diejenigen zu gewinnen, die der Klimakollaps besonders hart treffen wird und die sich am schlechtesten dafür rüsten können. Im schlimmsten Fall kreist die ohnehin akademisch geprägte Klimabewegung fortan vor allem um sich selbst.

Dabei war eine interessantere Diskussion der letzten Jahre die Frage, wie die Klimakrise als Klassenfrage begriffen werden kann. »Man muss die Überlegungen, wie man aus der Klimakatastrophe rauskommt, vom Kopf auf die Füße stellen und sie von der Produktion her denken«, sagt die labournet.tv-Filmemacherin Johanna Schellhagen – weil Menschen bei Kämpfen am Arbeitsplatz erleben können, dass sie mächtig sind. Um die Ohnmacht zu überwinden, so Schellhagen in ihrem Film »Der laute Frühling«, könnten Klimaaktive zum Beispiel »strategisch arbeiten« gehen (in für die gesellschaftliche Versorgung wichtigen Bereichen), dort Kenntnisse erwerben und sich politisch organisieren.

In so einer Perspektive können Vorschläge solidarischer Katastrophenpolitik aka linkes Prepping einen anderen Sinn gewinnen. Nicht politisches Überwintern und der Rückzug in die eigene Nische stünden dann auf der Tagesordnung, sondern die Frage, wie der Zukunftspessimismus überwunden, der Faschismus gestoppt und das Leben besser werden kann.

Jan Ole Arps

ist Redakteur bei ak.

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