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|ak 708 | Deutschland

Partner in der Repression

Mit ihrer Asylpolitik und den geplanten Massenabschiebungen in die Türkei macht sich die deutsche Regierung zur Gehilfin von Krieg und Verfolgung

Von Hêlîn Dirik

Ein Flugzeug beim Abflug über einer Landebahn
Deutschland will abschieben um jeden Preis – auch in Länder wie Afghanistan oder die Türkei, wo Betroffenen Verfolgung und Schlimmeres droht. Foto: Dennis Roubos / Pexels

Die türkische und deutsche Regierung sollen einen neuen Abschiebedeal beschlossen haben. Nach Informationen aus Regierungskreisen, so berichtete die FAZ, sollen wöchentlich 500 der insgesamt etwa 15.000 ausreisepflichtigen türkischen Staatsbürger*innen abgeschoben werden. Neben denen, die aufgrund des schweren Erdbebens im Februar 2023 oder der enorm schlechten Wirtschaftslage die Türkei verlassen haben, sind das vor allem Asylsuchende, meist Kurd*innen, denen in der Türkei wegen Terrorismusvorwürfen Gerichtsverfahren drohen. Wie Pro Asyl berichtet, wird diesen Betroffenen trotz politischer Verfolgung oft kein Schutzstatus gewährt. Tausende von ihnen soll die Türkei jetzt zurücknehmen, Hintergrund der Vereinbarung sei das Treffen zwischen Bundeskanzler Scholz und Präsident Erdoğan letztes Jahr im November. Die Abschiebungen möchte die Bundesregierung dezentral und diskret per Linienflügen durchführen lassen, vermutlich, um kein großes Aufsehen zu erregen. 200 Menschen wurden Ende September bereits in die Türkei geflogen. Die Türkei hat nach den Medienberichten einen solchen Deal dementiert, und auch die Bundesregierung gibt seitdem keine Details mehr dazu preis.

Fest steht: Die Menschenrechtslage und die »besorgniserregenden innenpolitischen Entwicklungen und außenpolitischen Spannungen« in der Türkei, wie es im Koalitionsvertrag noch hieß, sind für die Bundesregierung nun nicht mehr so besorgniserregend. Der Nachricht über die geplanten Abschiebungen folgten wenige Tage darauf zwei weitere Meldungen: Zum einen kam es zu einer Razzia und zwei Festnahmen im kurdischen Verein Nav-Berlin. Zum anderen soll die Bundesregierung einen Export von Rüstungsgütern im Wert von über 250 Millionen Euro an die Türkei genehmigt haben. Mit Waffenlieferungen und der Kriminalisierung und Abschiebung Oppositioneller unterstützt Deutschland den Weg der Türkei zu noch mehr staatlicher Gewalt und Repression.

Doch diese Entwicklungen sind nicht nur Ergebnis der engen Partnerschaft der beiden Staaten. Sie fügen sich auch ein in den aktuellen gewaltsamen Abschottungs- und Ausgrenzungskurs Deutschlands. Die »Rückführungsoffensive« der Regierung ist in vollem Gange: Ende August startete zum ersten Mal nach der erneuten Machtübernahme der Taliban 2021 ein Abschiebeflug nach Afghanistan. Ende September wurde eine Person aus Afghanistan – erstmals trotz Kirchenasyl – nach Schweden abgeschoben. Und die Antwort der Bundesregierung auf den islamistischen Anschlag in Solingen im August ist ein sogenanntes Sicherheitspaket, das neben der Erweiterung polizeilicher Befugnisse und der Kürzung von Sozialleistungen für ausreisepflichtige Geflüchtete eine Erleichterung von Abschiebungen vorsieht.

Wer Schutz bekommt oder gewaltsam zurückgedrängt und Verfolgung oder möglicherweise dem Tod überlassen wird, das hängt immer mehr von Deutschlands außenpolitischen Beziehungen ab. Davon betroffen sind schon jetzt Palästinenser*innen, deren Aslyanträge trotz des anhaltenden Kriegs Israels in Gaza nicht bearbeitet werden, oder Kurd*innen, die trotz drohender Verfolgung in die Türkei abgeschoben werden. Insgesamt werden Asylverfahren erschwert, und an den Grenzen und auf öffentlichen Plätzen nehmen Kontrollen zu (wie immer »stichprobenartig« und »verdachtsunabhängig«). All das geht mit mehr Befugnissen für Polizei und Verfassungsschutz einher. Die Bundesregierung macht sich mit ihrer Asylpolitik nicht nur zur Gehilfin von Repression und Krieg, sondern verstärkt im Zuge dessen auch staatliche Kontrolle im Allgemeinen. Übergreifender, organisierter Widerstand gegen Abschiebungen, Militarismus, staatliche Gewalt und Krieg ist auch hier unabdingbar.

Hêlîn Dirik

ist Redakteurin bei ak.

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