Gegenkultur
Aufgeblättert: »Sehnsucht nach dem Kapitalismus« von Mark Fisher
Von Leon Maack
»No more miserable Monday mornings« – Nie wieder triste Montagmorgen – hat der britische Kulturtheoretiker Mark Fisher einst gefordert. Sein Seminar »Postcapitalist Desire«, das alles andere als trist werden sollte, hat er konsequenterweise auf Montagmorgen gelegt. Fishers letzte Lehrveranstaltung an der University of London begann im November 2016 und endete nach seinem Suizid im Januar 2017. Das nun bei Brumaire erstmals in deutscher Übersetzung erschienene »Sehnsucht nach dem Kapitalismus« umfasst, neben einer hilfreichen Einführung von Matt Colquhoun, die Vortragsmanuskripte der fünf Sitzungen, die Fisher vor seinem Tod durchführte. Ausgehend von der Einsicht, dass die ungeheure Warensammlung im konsumgetriebenen Spätkapitalismus den Menschen Lust bereitet, plädiert Fisher für eine Gegenlibido. Anhand von Werbespots von Apple und Levi’s illustrierte er in der ersten Sitzung eindrücklich, wie Begehren im Kapitalismus funktioniert. Im Weiteren referierte er über Herbert Marcuse und linken Akzelerationismus, die Gegenkultur der 1960er und 70er Jahre, das Konzept der Bewusstseinsbildung, das durch den Feminismus der zweiten Welle in den 1960er Jahren Popularität erlangte und vieles mehr. Über alldem schwebt die Frage nach der Möglichkeit eines Begehrens für eine Gesellschaft jenseits des Kapitalismus. Die Vortragsprotokolle machen nachvollziehbar, wie Fisher mit seinen Studierenden diskutierte, Begriffe und Gedanken geschärft hat und liefern so eine wertvolle theoretische Grundlage für ein Verständnis von Fishers Werk.
Mark Fisher: Sehnsucht nach dem Kapitalismus. Brumaire Verlag, Berlin 2024. 296 Seiten, 24 EUR.