Emanzipierter Sport
Aufgeblättert: »Dabei sein wäre alles« von Martin Krauss
Von Gabriel Kuhn
Martin Krauss schreibt seit langem in linken Publikationen über Sport. In »Dabei sein wäre alles: Wie Athletinnen und Athleten bis heute gegen Ausgrenzung kämpfen« berichtet er in Kapiteln wie »Race und Herkunft« und »Queer und Gender« über die diesem innewohnenden diskriminierenden Strukturen. Die Fülle des auf beinahe 450 Seiten zusammengetragenen Materials ist beeindruckend. Indem Krauss auch dem Widerstand gegen die Ausgrenzung gebührend Platz einräumt, gelingt ihm eine linke Geschichte des Sports. Einigen Aspekten, beispielsweise der Geschichte des jüdischen Sports, schenkt er besondere Aufmerksamkeit. Ein möglicher Kritikpunkt: Der Amateurstatus wurde nicht nur im Bürgertum hochgehalten, sondern auch im Arbeiter*innensport, wo man sich gegen den Sport als Spektakel wandte. Dass die südafrikanische Mittelstreckenläuferin Caster Semenya den Umschlag des Buches ziert, ist kein Zufall. Kaum jemand symbolisiert die entwürdigenden Ausschlussmechanismen, die den Sportbetrieb immer noch prägen, so sehr wie die dreifache Weltmeisterin über 800 Meter, die der Internationale Leichtathletikverband zu einer medizinischen Senkung ihrer Testosteronwerte zwingen will. Das abschließende Kapitel, »Ein besserer Sport«, gerät etwas kurz und wirkt ein bisschen einfallslos. Etwas mehr Fokus auf alternative Sportvereine hätte geholfen. Aber das ist Jammern auf hohem Niveau. Ein sehr lesenswertes Buch!
Martin Krauss: Dabei sein wäre alles: Wie Athletinnen und Athleten bis heute gegen Ausgrenzung kämpfen. Eine neue Geschichte des Sports. Bertelsmann, München 2024. 448 Seiten, 28 EUR.