Brennglas Pandemie
Aufgeblättert: »Hotel Castoria« von Daniel Bendix
Von Lore Graf
Sie müssen sich ziemlich wundern, in was für einem Kaff sie hier gelandet sind.« In der brandenburgischen Provinz lernen an einer privaten Hochschule Studierende aus dem Globalen Süden. In Daniel Bendix’ Debütroman »Hotel Castoria« verschlägt es in dieses beschauliche Dorf ohne Handynetz, umgeben von Seen und Feldern, auch einen jungen deutschen Dozenten der internationalen Beziehungen für eine neue Stelle. Er beginnt ein skizzenhaftes und atmosphärisches Tagebuch. Mit Erstaunen über die skurrile Welt, in die er da geraten ist, führt uns Bendix’ Protagonist durch das scheinbar harmonische Zusammenleben, inklusive wöchentlicher »Andacht im Schatten des Kreuzes« an der christlich ausgerichteten Universität.
Dass die Harmonie Risse hat, merkt er, als er allmählich die Perspektive seiner Schützlinge auf das Leben in Deutschland sowie die miesen Arbeitsbedingungen ihrer Nebenjobs kennenlernt. Währenddessen hält die Pandemie Einzug. Bendix, selbst Sozialwissenschaftler, hat mit seiner Erzählung, in der koloniale Verhältnisse, neoliberale Ausbeutung und deutsche Hochschule aufeinander prallen, eine Art ethnografischen Roman vorgelegt. Eindrücklich sind besonders die Passagen, in denen die Studierenden in Form von eingereichten Praktikumsberichten schildern, wie sie ihre Arbeit bei McDonald’s, im Altersheim oder in der Fleischfabrik erleben und welche globalen Bezüge sie darin finden. So teilen sie mit ihrem Dozenten, aber auch mit uns Leser*innen, worüber sie sich in Deutschland kräftig wundern. Ein kurzweiliger, aber dennoch nachdenklicher Roman.
Daniel Bendix: Hotel Castoria. Klak Verlag, Berlin 2024. 192 Seiten, 20 EUR.