USA von unten
Aufgeblättert: »Demon Copperhead« von Barbara Kingsolver
Von Nelli Tügel
Mit Percival Everetts »James« und Barbara Kingsolvers »Demon Copperhead« stehen derzeit gleich zwei Romane auf Bestsellerlisten, die sogenannte Klassiker der Weltliteratur neu formulieren. Während Everett Mark Twains »The Adventures of Huckleberry Finn« in der Zeit des Originals belässt, jedoch die Perspektive verändert und die Geschichte aus Sicht des Sklaven Jim radikal neu erzählt, belässt es Kingsolver mit ihrer Bearbeitung von Charles Dickens’ »David Copperfield« umgekehrt bei der Perspektive des Originals, holt die Geschichte aber in die Gegenwart der USA. Sie spielt in den 1990er- und Nullerjahren in den Appalachen, wo die bis heute anhaltende US-Opioidkrise ihren verheerenden Lauf nimmt. Demon, Ich-Erzähler des Romans, verliert seine Mutter an OxyContin – eines der ersten Opfer einer Epidemie, die zu diesem Zeitpunkt noch gar keine ist.
Wie sie sich ausbreitet und wütet, das entfaltet der Roman unaufdringlich, fast beiläufig. Im Vordergrund stehen die Region und ihre Bewohner*innen, (frühere) Berg- und Landarbeiter*innen, Hillbillys und Rednecks, die anderswo im Land verachtet werden. Demon gerät als in Armut aufgewachsenes Waisenkind immerzu in Bedrängnis; ganz ausweglos aber ist seine Lage nie. Davor bewahren ihn eine enorme Resilienz und Menschen, denen er vertrauen kann. Nicht das einzige, was Kingsolvers mit Everetts Roman verbindet. Zusammen ergeben sie übrigens eine hervorragende Einstimmung auf das US-Wahljahr.
Barbara Kingsolver: Demon Copperhead. DTV, München 2024. 864 Seiten, 26 EUR.