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Krieg und Kapital

David McNally schreibt eine Geschichte des Geldes im Schatten von Imperialismus und Sklaverei

Von Sebastian Klauke

Gemaltes Bild von gekenterten Schiffen an einer Küste
Mit Kanonen kam das Geld in die Welt: Die Royal Navy bläst zum Angriff. Foto: gemeinfrei

Was ist Geld? Diese vermeintlich banale Frage wird zu häufig auf sehr vereinfachende Art beantwortet: ein universelles Tauschmittel, das uns allen den Alltag in der kapitalistischen Warenwelt vereinfacht, eine geniale Erfindung eben. Dass die Dinge sehr viel komplizierter liegen, machte zuletzt die Inflation überaus deutlich und nun liegt mit »Blut und Geld. Krieg. Sklaverei, Finanzwesen und Empire«, in der Übersetzung von Raul Zelik, erstmals eine Monografie des kanadischen, in den Vereinigten Staaten lehrenden Politikwissenschaftlers und sozialistischen Aktivisten (u.a. gegen Armut und in migrantischen Zusammenhängen) David McNally im deutschsprachigen Raum vor, die dieser alltagsplausiblen Wahrnehmung gedankenreich und vehement widerspricht.

Dabei argumentiert er nicht philosophisch oder abstrakt, sondern historisch-analytisch sowie politökonomisch. Es richtet sich gegen ein Denken, das so tut, als sei Geld ein bloßes Zahlungsmittel, harmlos und eben zu diesem einfachen Zweck in der Welt. Stattdessen kritisiert McNally diese Vereinfachung. Er zeigt detailliert über fünf Kapitel die blutige Geschichte des Geldes, bis es eben – auch über den Krieg – global durchgesetzt wurde.

Triebfeder Gewalt

Seine Darstellung beginnt mit der Antike und der Sklaverei, mit Münzgeld als Ankerpunkt. Sie verläuft über den Kolonialismus, die moderne Sklaverei, bis in unsere Gegenwart hinein, zeichnet dabei die überaus gewaltvolle Entstehungsgeschichte des Kapitalismus nach, und zeigt auf, wie eng modernes Geld und die Entstehung des modernen Staates miteinander verknüpft sind. Geld und Staat sind die Kernelemente der heutigen kapitalistischen Verhältnisse und des internationalen Finanzsystems. Dass die Geschichte des Geldes vor allem eine Gewaltgeschichte ist, zeigt die Zentralbank Englands: Sie wurde zunächst nur zum einmaligen Zwecke der Kriegsfinanzierung in die Welt gesetzt, veränderte die »englische Finanzarchitektur« aber in der Folge grundlegend, da der einmalige Zweck sich »verstetigte«.

Nur monetär souveräne Staaten bleiben kriegsfähig.

McNally betont auch für heute, dass nur monetär souveräne Staaten in der Lage sind, sich als hegemoniale Mächte zu halten und kriegsfähig bleiben. Mit diesem Blickwinkel versucht er zu zeigen, wie die Vereinigten Staaten Großbritannien als führende Wirtschaftsnation ablösten und warum es Konkurrenzwährungen zum Dollar, wie der Euro, schwer haben.

Referenzpunkt des Buches ist Marx’ Kritik der politischen Ökonomie. Zugleich ist der Text ein Knotenpunkt unterschiedlichster Diskussionsstränge rund ums Geld. McNally gelingt es dabei, ein kompliziertes Thema sprachlich gut verständlich darzulegen.

Ein Machtmittel

Mitnichten handelt es sich also nur um eine Historie des Geldes mit seinen verschiedenen Formen und Funktionen. Im Gegenteil: viele der Elemente dessen, was Geld in der geschichtlichen Entwicklung ausmachte, findet sich noch immer in unserer Gegenwart wieder. Für McNally ist Geld, im Gegensatz zu den dominanten Deutungen, eine folgenreiche »Machttechnologie«. Besonders eindringlich schildert McNally die enge Verknüpfung von Körper und Geld: Im antiken Griechenland wurden Versklavte völlig entmenschlicht, entindividualisiert als bloße Geldmenge betrachtet, also verdinglicht. Gleiches geschah in der modernen Sklaverei zu Zeiten des Atlantikhandels. Selbst die Philosophen der Aufklärung, etwa John Locke, betrachteten versklavte Menschen nur als Gegenstände.

Auch die heutigen Verhältnisse, hier insbesondere der Zwang zur Lohnarbeit, schlagen sich nieder bis in die einzelnen Körper: Erschöpfung, Krankheiten, Ausbeutung. Individuelle Schicksale verschwinden vollkommen hinter der Geldpolitik im Rahmen »eines globalen Finanzsystem(s)«, zu dessen weiteren Dimensionen »Klassen, Staaten, Imperium, Kriegsführung« gehören. Spätestens mit der Krise 2007/08 zeigte sich wie eng das Rechnen mit Geld auf den Finanzmärkten mit den Lebensbedingungen der konkreten Menschen verknüpft ist. Einen Ausweg hieraus zeigt McNally nicht auf, aber er bietet die Grundlage für das historische Verständnis der vielfältigen Prozesse, die zum heutigen Zustand führten. Eine erkenntniserweiternde, durch und durch kapitalismuskritische Lektüre, die Munition gegen allerlei unhistorische Äußerungen und liberale Mythen auch aus der Tagespolitik liefert.

Sebastian Klauke

verfasst regelmäßig Buchrezensionen für ak.

David McNally: Blut und Geld. Krieg, Sklaverei, Finanzwesen und Empire. Aus dem Englischen von Raul Zelik. Dietz, Berlin 2023. 343 Seiten, 29,90 EUR.